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Eiskunst

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Beim morgendlichen Gang mit unserem Dackel knirschte es plötzlich unter meinem Schuh: Eiskunst – schön und vergänglich.

Johannes Püschel, Bergen, Bayern

 

Was mein Leben reicher macht

Im Zug beobachte ich einen Mann, Mitte 50 mag er sein, gepflegtes Äußeres mit Aktenkoffer, ganz in dezentem Grau gekleidet. Vor sich auf dem Klapptisch steht ein Laptop. Er hat Kopfhörer in den Ohren, schaut einen Film, und nebenbei strickt er – ganz routiniert – an einem Paar grellbunter Socken.

Katrin Plarr, Freiburg

 

Was mein Leben reicher macht

Vor einer Kirche im Engadin Claudio Abbado zu treffen und ihm für die beiden schönsten Konzerte meines Lebens zu danken: Beethovens Neunte 1996 in Berlin und die Siebte 2001 in Salzburg.

Peter Pilhofer, Nürnberg

 

Er bleibt

(nach Eduard Mörike »Er ist’s«)

Winter lässt sein graues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
Kalte, wohlbekannte Düfte
Streifen eisigkalt das Land.
Leise sinkt der Schnee
auf die Erde nieder.
Tiefgefroren ist der See.
Winter, du bist’s wieder!
Dich hab ich vernommen!

Pia Binder, Saskia Schillinger, Tulla-Gymnasium, Rastatt

 

Lümmelbolzen: Mein Wort-Schatz

Die Wörter »Kausche« und »Schäkel«, verblüfften Ihren Leser, dabei sind sie jedem Segler zur Hand, wenn eine Trosse zu belegen ist. Frivoler mutet da schon der Lümmelbolzen an. Dieses Wort lernte ich 1955 als Maschinenbau-Praktikant auf einer Schiffswerft kennen. Die Leute auf der Werft sind ja bekanntermaßen nicht zimperlich, verbarg sich hinter dem Wort also eine erotische Anspielung? Nein, der Lümmelbolzen gehört(e) zum Ladegeschirr jedes Stückgutfrachters. Am zugehörigen Mast abgestützt, gestattet(e) er dem Ladebaum die Hub- und Schwenk-Bewegung. Das Präteritum (siehe Klammer) ist übrigens dem Container-Zeitalter geschuldet: Moderne Frachter benötigen keine Ladebäume mehr.

Joachim Conseur, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Nach dem Tod meines Mannes war ich sehr traurig und konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder so zu lieben, wie wir es taten. Doch nun lebt Götz bei mir und meiner neunjährigen Tochter. Und auch wenn es draußen regnet, lacht für uns die Sonne.

Simone Herold, Mannheim

 

Das ist mein Ding

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Dieser Pfriem erinnert an meine Schneiderlehre vor über 50 Jahren. Ich benutzte ihn damals, um Löcher in Gürtel zu bohren, die dann fein umstochen wurden. Lange hatte ich auf Flohmärkten nach so etwas gesucht. Die Freude war groß, als mir mein Bruder zu einem Geburtstag dieses Prachtstück (Elfenbein, 6,5 Zentimeter lang) zum Geschenk machte. er hatte es bei einem Klavierrestaurator aus einer Klaviertaste arbeiten lassen.

Wer weiß, wer diese Taste schon zum Klingen brachte?

Luci Friese, Hamm

 

Was mein Leben reicher macht

Das neue Hörgerät meiner 80-jährigen Mutter: Wenn wir in einer geräuschvollen Kneipe sind, kann sie die »Zwischentöne« vom Nebentisch sogar besser verstehen als ich. Das ist doch mal eine echte Verbesserung von Lebensqualität.

Joe Faß, Hannover

 

Vaters Zeugnis

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Kürzlich besuchte ich meine Eltern. Dabei kramte mein Vater, der ein Sammelsurium an Souvenirs aus seiner Seefahrerzeit besitzt, ein wenig in seiner Schatzkiste und förderte ein Dienstzeugnis aus dem Jahr 1967 zutage. er fuhr auf dem Schiff MS Ostfriesland über den Atlantik bis nach Panama, Costa rica, Guatemala, Vancouver und wieder zurück. Laut gelacht habe ich über das Bewertungskriterium Nummer zwei, »Nüchternheit« – ein Punkt, der bei Seefahrern stets im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Diese Anforderung bestand mein Vater, der als Maschinist auf dem Frachter arbeitete, aber offenbar mit Bravour.

Stefan Moosleitner, Ainring, Bayern

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Rotweinabend – ich lese meinem zukünftigen Mann expressionistische Lyrik von Georg Heym vor. Wir malen uns die bunten, wilden, kriegerischen Bilder aus. Dann sage ich: »Der hat den Krieg übrigens nie erlebt. Ist vorher beim Schlittschuhlaufen ertrunken.« Daraufhin er: »So wie Karl Marx, der war ja auch nie im Wilden Westen.« Ich pruste los, nach einem Moment merkt auch er, dass da etwas nicht stimmte. Wir lachen Tränen. Ich liebe diese Prise Verpeiltheit an ihm!

Anna Mackenbrock, berlin