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Der Panker

(nach Rainer Maria Rilke, »Der Panther«)

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Schaben
so müd geworden, er hält nichts mehr aus.
Auch nicht sein Bier, wo sich nun Schaben laben
und neben tausend Schaben eine Laus.

Die Punker-Gang vorm Bahnhof Würzburg-Mitte,
die sich zum Sound vom Ghettoblaster dreht,
schwoft einen Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der, wie schon erwähnt, die Schabe steht.

Die Schabe aus der Mitte ruft: »Pass auf, Claus!
Sonst kommt noch dein Gedicht vom Thema ab.«
»Der Panker sollt es heißen!«, sagt die Spitzmaus.
»Und nicht Brehms Tierleben, du alter Dapp.«

Claus Caraut, Oberscheinfeld, Mittelfranken

 

Was mein Leben reicher macht

Das Telefon klingelt hartnäckig. Am anderen Ende sagt ein junger Mann: »Ich habe ihr Portemonnaie gefunden.« Ich bin sprachlos, hatte ich den Verlust doch gar nicht bemerkt. Eine Viertelstunde später klingele ich bei dem ehrlichen Finder und bedanke mich, schwer erleichtert. »Da nicht für!«, sagt er. Mein Blick fällt auf den Schriftzug auf der Fußmatte: »House of Love«. Was für ein Glück ich doch habe!

Peggy Günther, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Wie jedes Jahr die gemeinsame Trekkingtour übers norwegische Fjell mit Rucksack, Zelt und Verpflegung. Mit dabei sind meine beiden Söhne, sie sind 35 und 34 Jahre alt. Näher kann man sich und der Natur kaum kommen.

Wolfgang Buhk, Ellerbek, Schleswig-Holstein

 

Das Poesiealbum

Im Jahr 1990 hatte ich mir diese Seite aus dem Poesiealbum einer Schülerin kopiert, und heute erinnert mich der Eintrag an meine Zeit als Lehrerin in einem Dorf bei Baden-Baden und an dieses liebenswerte Kind. Hande hatte es nicht leicht, als Türkin und Tochter einer alleinerziehenden Mutter. In dieser ländlichen Umgebung war die Welt scheinbar »noch in Ordnung«, Integration und außerschulische Betreuung aber waren Fremdwörter. Manchmal nahm ich Hande nach der Schule mit nach Hause, um ihr die Einsamkeit zu erleichtern. Heute lebt Hande wieder in der Türkei und ist hoffentlich glücklicher als damals. Und: Ob Integration heute besser gelingt?

Almuth Dinkelaker, Baden-Baden

 

Namentlich: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz lautet namentlich. Wie kommt ein nebensächliches Adjektiv zu so hohen Ehren? Durch die hohe Lage, in der ich dieses Wort das erste Mal in seiner durchdringenden Wirkung erlebt habe:

Beim Aufstieg zur Zugspitze durch das Höllental ist auf knapp 2.500 Metern Höhe ein Schild angebracht. Es befindet (oder befand) sich an einer Stelle, an der früher der Weg vom Gletscher in den felsigen Kletterabschnitt überging. Der Text: »Weg von hier noch mühsam und lang. 2 – 3 Stunden, für schwächere Gänger mehr. Ungeübten sei der Aufstieg dringend widerraten, namentlich bei zweifelhaftem Wetter. Neuschnee, Wind und Kälte nehmen mit der Höhe an Stärke zu und bringen schwere Gefahr.« Nie wurde mir eine Warnung eindringlicher nahegebracht. Es wird nicht die Worthülse »alpine Gefahren« bemüht, die Gefahren werden namentlich benannt. Ich weiß nicht, ob das Schild noch existiert. Es hätte nach wie vor seine Berechtigung. Aber der Gletscher ist stark geschmolzen, sein Ende und die Randkluft liegen in der Zwischenzeit wesentlich tiefer, und somit ist die Überschreitung des Blankeises mittlerweile die eigentlich gefährliche Stelle dieser Tour.

Renate Lugmeier, Allershausen, Oberbayern

 

Das ist mein Ding

Diese Lokomotive hat mich bis zum heutigen Tag immer und überall begleitet. In meiner Kindheit wurde die Lok, zu der noch ein Wagen gehörte, allerdings nur in äußerst seltenen Fällen zum Spielen »freigegeben« und dann auch nur unter Mutters wachsamen Augen. Waren es doch die letzten Gegenstände, die unmittelbar von unseren Vater kamen und an ihn erinnerten. Wie unsere Mutter uns erzählte, hatte ihr Mann Lok und Wagen in den wenigen freien Zeiten des Russlandfeldzuges für seine Kinder geschnitzt, und sie erreichten uns, in einem Feldpost-Paket gut verpackt, auf beinahe wundersame Weise kurz vor Weihnachten 1943. Unser Vater geriet dann 1944 in rumänische Gefangenschaft, galt als vermisst und starb vermutlich im darauf folgenden Winter in den endlosen Weiten Sibiriens.

Über den Wert und die Bedeutung dieses Spielzeuges haben meine Schwester und ich als Kinder verständlicherweise selten nachgedacht. Erst später bekam dieses Geschenk seinen beinahe reliquienhaften Charakter. Sicherlich wird diese Kostbarkeit wohl auch von den nachfolgenden Generationen behütet und bewahrt werden, als Erinnerung an einen unglücklichen Menschen, der damals in einem sinnlosen Krieg nicht nur sein Leben verlor.

Henning H. Drescher, Bad Arolsen, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Ich sitze in unserem Garten, während nebenan die Nachbarskinder spielen. »Ich bin ein Tiger«, schlägt der vierjährige Jerome vor, doch seine Schwester entscheidet: »Nein, du bist jetzt ein normaler Mensch!« – »Was ist ein normaler Mensch?«, fragt Jerome zurück. Darauf die sechsjährige Fabienne: »Ein normaler Mensch ist ein Mann!«

Dieter Eckert, Kranenburg (Niederrhein)

 

Appetit

Im Spessart begegnete uns dieses halb verzehrte Verkehrsschild. Dazu ist mir dieser Reim eingefallen: Die Eiche hier hat Appetit sogar aufs Straßenschild aus Blech. Das ist für dieses echtes Pech – Schon halb verzehrt, wie man ja sieht.

Georg Blum, Hainburg, Hessen