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Zeitsprung

Zu Pfingsten 1929 besuchte der damals sechsjährige Hans Schwank zum ersten Mal mit seinen Eltern das Benediktinerkloster Beuron. Auf dem oberen Foto steht er neben seiner Mutter vor der Holzbrücke über die Donau. Noch heute erinnert er sich, wie sehr ihn die Fresken mit abenteuerlichen Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt im Kreuzgang des Klosters beeindruckten. Nur wenige Monate nach seiner Rückkehr aus dem Krieg trat Hans Schwank 1946 als Mönch in die Erzabtei Beuron ein und erhielt den Ordensnamen Benedikt. Ich habe Pater Benedikt 1986 während eines ökumenischen theologischen Studienjahrs in Jerusalem als Professor für Neues Testament und Leiter unserer archäologischen Exkursionen kennengelernt – und noch heute ist die Forscher- und Entdeckerfreude, mit der er die Bibel liest, ansteckend. Jetzt feiert er sein 65. Professjubiläum. Bei einem Besuch in Beuron entstand vor Kurzem wieder ein Foto an der Holzbrücke über die Donau, das den inzwischen 89-jährigen Pater zeigt.

Anne Thillosen, Tübingen

 

Lobesam: Mein Wort-Schatz

Seit mir als Kind der Herr von Ribbeck begegnet ist, liebe ich die Vokabel lobesam. Als Kind glaubte ich zu wissen, was dieses Wort bedeutete, nämlich »leider, zu allem Unglück«. Erst Jahre später, als mir der Wahrig zum sprachlichen Wegbegleiter geworden war, habe ich nachgeschlagen. »Verdienstvoll, tüchtig« stand da. Und doch finde ich bis heute, dass meine eigene Übersetzung genauso passend ist.

Gertraud Obst, Bissendorf (Wedemark)

 

Was mein Leben reicher macht

Vor dem Einschlafen an etwas Schönes zu denken. Früher war es das Gesicht meines ersten Enkelkindes, heute sind es Stimme und Gesicht meines Lieblingstenors Jonas Kaufmann.

Ursula Dumond, Saint-Genis-Laval, Frankreich

 

Was mein Leben reicher macht

Job weg. Exmann und Arbeitsagentur streiten, wer finanziell einspringen muss. Auf dem Amt sieben Termine bei sechs Leuten in fünf Wochen und immer noch kein Geld. Die Miete unbezahlt, der Dispo ausgeschöpft. Beim achten Termin sehen sich nacheinander zwei Mitarbeiter außerstande, mir wenigstens fünfzig Euro Barauszahlung zu gewähren. Keiner in meinem Umfeld, der sich darüber nicht empört. Eine ältere Dame sagt: »Jetzt ist Schluss! Wir essen immer um eins. Bis das geklärt ist, kommen Sie bitte zu uns zum Mittagessen.« Danke, Frau Fendel!

Claudia J. Vogelsang, Köln

 

Nichtsdestotrotz: Mein Wort-Schatz

Als mir kürzlich die Handtasche geklaut wurde, schrieb ich einer Freundin, nichtsdestotrotz würde ich meine gute Laune behalten. Nichtsdestotrotz – aus drei Teilen zusammengesetzt: Nichts – war mir geblieben. Desto – da kündigt sich die Wende zum Positiven an. Trotz – ich lasse mich nicht unterkriegen. Das Ganze zischelt und raschelt zudem wie eine wütende Schlange: Das Wortungetüm könnte zum Lebensmotto mutieren.

Gisela Schreiber, Mainz

(Anm.d.Red.: Auf diesen Eintrag gab es eine Reaktion von Leser Hans Heller.)

 

Die Kritzelei der Woche

Anfang des Jahres habe ich bei der Post als Brief- und Paketzustellerin gearbeitet. Damit ich den Überblick in meinem Postbus nicht verlor, half mir jeden Tag ein Routenplan als Gedankenstütze. Darauf markierte ich, bei welchen Adressaten ich Pakete abzuliefern hatte, damit ich dort nicht vorbeirauschte. Eines Abends saß ich ziemlich erschöpft am Esstisch, bekam einen paketfarbenen Filzer in die Hand und ließ alle Verzweiflung aus mir heraus, die eine Paketzustellerin nur haben kann. Hochachtung vor allen Paketboten dieser Welt, die unser neues Kaufverhalten (via Internet) ausbaden müssen!

Hilke Theis, Wyk auf Föhr

 

Was mein Leben reicher macht

Ich fahre morgens gegen sieben von Emden in Richtung Leer. Nebel steigt aus den Wiesen auf, und vor mir schreiten schwarzbunte Kühe auf einer Brücke über die Autobahn. Dieses Bild ist seit Tagen mein »Bildschirmschoner« im Kopf.

Margaretha Burggraf, Emden

 

Ich kann nicht mehr

(nach Bertolt Brecht, »Sonett Nr. 19«)

Nur eines möcht ich nicht: gebunden sein.
Will dich nur hören, wenn du nichts beklagst.
Bin froh, wenn du zu manchem nichts mehr sagst.
Ich wünschte mir, dir ging es gut allein.

Und wärst du einsam, möcht ich dich nicht sehn.
Zum Urlaubmachen bin ich gern bereit.
Auch ohne dich verbring ich gerne Zeit.
Hab Angst, mit so viel Liebe umzugehn.

So gilt kein »Halt mich, gib mir deine Nähe!«
So gilt kein »bleib!« und nur ein »wolln mal sehn«.
Verantwortung, zu der ich nicht mehr stehe.

Du weißt, ich bin mit dir nicht wirklich frei
Das aber brauche ich, wie’s immer sei.
Ich kann nicht mehr, wie soll das weitergehn?

Heike Hagemeister, Heroldsbach, Oberfranken

 

Was mein Leben reicher macht

Der Mann kommt in Begleitung der Polizei zu unserer psychiatrischen Notaufnahme. Leicht ist zu erkennen, dass er zurzeit nicht mehr zurechtkommt. Er wirkt verzweifelt und will sich sofort in Behandlung begeben. Aber er macht sich Sorgen um seine beiden Kaninchen, die sein Ein und Alles sind. Spontan erklären die Streifenbeamten, sie würden sich um die Tiere kümmern, solange der Mann in der Klinik sei. Erleichtert rutscht es ihm da aus dem Mund: »Gute Bullen!« Recht hat er.

Michael Kämper, Hattersheim am Main