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Selbstvergessen

Ein Samstagmorgen in Budapest, der Sperrmüll ist fällig. Ein Mann und seine kleine Tochter (die er auf dem Bild fast verdeckt) haben Lesestoff gefunden und schmökern selbstvergessen.  Es ist ihnen nicht peinlich und muss es ja auch nicht sein. Und ich freue mich mit ihnen.

Tina Wagner, Koblenz

 

Was mein Leben reicher macht

An einem der letzten schönen Herbsttage mit Freunden Fußball gespielt. Ein paar Jugendliche aus dem nahen Waisenhaus, Flüchtlinge aus Südafrika, fragen, ob sie gegen uns spielen dürfen. Sie spielen uns in Grund und Boden. Ihre strahlenden Augen wiegen unsere Niederlage tausendmal auf.

Christian Wolf, München

 

Was mein Leben reicher macht

Donnerstagmittag in der Schulmensa. Die Meute drängt, und ich – 66 Jahre und ehrenamtlich hier, versteht sich – sitze an der Kasse. Das bedeutet: Essenswünsche erfragen, Bons verkaufen, Schüler in Listen eintragen, Getränke ausgeben. Und potenzielle Langfinger, die sich im Schutz des Gewimmels an die Süßwaren heranschleichen, durch böse Blicke von ihrem Tun abhalten. Da höre ich, wie ein Kunde mit dem andern tuschelt: »Ey, Spasti, das kannst du bei der Alten vergessen! Die blickt voll durch.« Danke, Kumpel, für das zeitgemäße Lob!

Christel Olejar, Sexau, Baden

 

Milchbüechli: Mein Wort-Schatz

Zur Abwechslung mal ein Wort aus der Schweiz: Als ich ein Kind war, kam der Milchmann täglich ins Haus und brachte Milch, Butter, Rahm, Eier und so weiter – wie im Milchbüechli gewünscht. Es war ein einfaches Heftchen mit Zeilen für jeden Tag und dem Sortiment des Milchmannes. Ende des Monats nahm er das Büchlein mit und rechnete zusammen, was wir bezogen hatten, dann gingen wir in den Laden und bezahlten bar. Die Rechnung im Milchbüechli war einfach: Multiplikation und Addition. Und im übertragenen Sinne wird die Milchbüechli-Rechnung für alle logischen Zahlenoperationen verwendet, wie jedermann und jedefrau machen kann. Die astronomischen Finanzdebakel, Überschuldungen und Spekulationen mit nicht vorhandenen Gewinnen – mit einfachen Milchbüechli-Rechnungen wären sie zu vermeiden gewesen.

Annemarie Gehring, Basel

 

Kritzelei der Woche


Immer wieder sehe ich in Ihrer Kritzelei der Woche Bilder von Schülern, die sich so besser konzentrieren können. Wunderbar! Ich mache das genauso. Als (Kunst-)Lehrerin dann bei langen Konferenzen …

Annika Leese, Bonn

 

Was mein Leben reicher macht

Mit meiner besten Freundin einmal im Jahr ein langes, männerfreies Wochenende an der Nordsee zu verbringen. Stundenlange Spaziergänge bei Wind und Wetter am Strand, und endlich alles beschnacken, was aufgrund der Entfernung zwischen Berlin und Hannover am Telefon zu kurz kommt. Mal ernst, mal völlig albern, aber immer wieder einfach schön!«

Gaby Elfers, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Ein heißer Vormittag im vergangenen Sommer. Ich stehe vor einer wunderbaren Barockkirche im Oberbayerischen. Keine Touristen, keine Busse. Ich bin kein Christ mehr, aber ich möchte drinnen eine Kerze anzünden. Aber wohin mit meinem Hund? Es gibt keine schattige Stelle, wo ich ihn anbinden könnte. Der Pfarrer tritt aus dem Portal, und ich erkläre ihm mein Problem. Darauf er: »Nehmen Sie den Hund ruhig mit hinein! Auch er ist eine Kreatur Gottes.« Ja, wenn es mehr solcher Priester gäbe …

Dietrich Leisching, Gilching

 

Gespür: Mein Wort-Schatz

Wir sehen schon von Weitem die Schafe auf der Weide. Mit meiner Mutter – ihre Demenz ist fortgeschritten – bin ich im Auto unterwegs zu altbekannten Orten. Der Bauer an der Schafweide begrüßt uns. Im Gespräch bemerkt er die Verwirrtheit meiner Mutter. Ohne ein weiteres Wort läuft er weg und kommt nach einigen Minuten mit einem neugeborenen Lamm zurück. Er legt es meiner Mutter in die Arme. Erinnerungen werden wach, das Be-Greifen wird sichtbar. Gespür für einen Menschen, der nicht mehr rational begreift, das hatte dieser Mann. Es bräuchte mehr Menschen, die Gespür haben für das, was ältere Menschen, was Kinder brauchen. Gespür, das ist mein Wort-Schatz.

Gertraud Hieke, Kösching

 

Was mein Leben reicher macht

Bei meinen Enkelkindern in Heidelberg nimmt der fünfjährige Tom das Gutenachtgeschichtenbuch, setzt sich an das Bett seines vierjährigen Bruders Jonas und liest ihm eine Gutenachtgeschichte vor. Er kann zwar noch nicht lesen, wie viele Kinder kennt er aber die oft gehörten Gutenachtgeschichten auswendig. Er blättert sogar an den richtigen Stellen um! Wenn ich vorlese und einen Fehler mache, empört er sich: „Aber Opa!“

Ulrich Hollinger, Schönenberg-Kübelberg