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Was mein Leben reicher macht

Mein 3 Monate alter Enkel David, auf dessen zahnloses Lächeln ich mich jeden Tag freuen darf!

Karin Varchmin-Schultheiß, Dortmund

 

Zeitsprung: Villa Dr. Estrich

1932

Als kleine Kinder sprangen wir fröhlich im Garten unseres Hauses in Jüterbog bei Berlin herum, nicht ahnend, dass es einmal als „Opus 1“ des berühmten Architekten Konrad Wachsmann in die Architekturgeschichte eingehen würde. Es war eine unbeschwerte Kindheit, und unser Respekt vor der Höhe der Stützmauer oder dem filigranen Geländer hielt sich in Grenzen. Für uns war die „Villa Dr. Estrich“ unser Raum zum Toben und Träumen, und das Haus war so frisch und unverbraucht wie wir. Doch die Zeit sollte uns einholen, wir Kinder gingen in die Welt hinaus, die Immobilie musste naturgemäß bleiben, wo sie war, und erlebte wechselvolle Zeiten.

2008

Nach über 80 Jahren trafen meine Cousine Eva-Maria und ich wieder in dem Garten zusammen. (Mein Bruder Wulf, der uns auf dem alten Foto voranschreitet, lebt seit 1988 leider nicht mehr.) Und beruhigt stellten wir fest, dass der Zahn der Zeit nicht nur an uns genagt hatte: Auch das Haus zeigte Risse im Gesicht. Ehrfürchtig standen wir vor dieser morbiden Architektur-Ikone der klassischen Moderne: modern im Herzen, klassisch im Blick.

Jürgen Estrich, Triesenberg, Liechtenstein

 

Rücksicht? Nein, danke

Bahnhof Berlin-Alexanderplatz, abends. Mitten auf dem Bahnsteig steht eine Gruppe Erwachsener, etwa so alt wie meine Eltern, von denen jeder eine Weihnachtsmannmütze trägt und an einer Zigarette pafft. Ich, Anfang 20, sage höflich: „Entschuldigen Sie bitte, das hier ist ein Nichtraucherbahnhof.“ Eine Frau schaut mich kurz an: „Jaja.“ Nach einem weiteren Wortwechsel fällt mir nichts Höflicheres ein als: „Hier darf nicht geraucht werden. Basta.“ Die Frau raucht weiter, wendet sich ab, murmelt: „Blabla.“ Mein Zug fährt ein, mir wird von der Gruppe noch eine unschöne Handbewegung hinterhergeschickt. Ich habe nichts gegen Raucher. Aber ich habe etwas gegen Menschen, die sich nicht an die vereinbarten Regeln halten und im Alltag keine Rücksicht auf andere nehmen.

Maria Löhnert, Frankfurt (Oder)

 

Kritzelei: Konfirmandenfreizeit

Während der vielen Sitzungen von kirchlichen Ausschüssen und Gremien, die ich als Pfarrer bestreite, fängt mein Bleistift fast immer an, sich wie von Geisterhand zu bewegen. So kann ich gedanklich am besten bei der Sache bleiben. Diese Kritzelei ist das Ergebnis der intensiven Vorbereitung einer Konfirmandenfreizeit.

Friedhelm Feldkamp, Barsinghausen bei Hannover

 

Subtiler Druck

In den Briefen vieler Hilfsorganisationen findet sich der Satz: „Schon mit 20 oder 30 Euro können Sie das Projekt X unterstützen.“ Warum geht es nicht ohne diesen ganz subtilen Druck, zum Beispiel so: „Jede Spende ist hilfreich, auch die kleinste“?

Wilhelm Widenmann, Stuttgart

 

…und sie wussten genau, was sie spielten

Mehr als 50 Jahre autodidaktische Musik mit Blues und R&B. Jetzt, im Ruhestand, nehme ich jede Woche Jazzgitarren-Unterricht. Endlich lerne ich, was Pentatonik, Skalen, Voicings und der Quintenzirkel sind und dass es nicht nur eine Tonleiter gibt. Ich dachte früher: Beim Jazz macht jeder, was er will. Dabei ist alles wunderbar logisch, und Heroen wie Joe Pass, Barney Kessel oder Miles Davis wussten genau, was sie spielten.

Kurt Koch, Schieder-Schwalenberg, Kreis Lippe

 

Diesseits von Afrika

Weihnachtsbesuch zu Hause. Mit Neugier und Skepsis hatte ich mich aufgemacht in „mein Land“. Wie würde es mir begegnen? Wie würde es sich anfühlen? Anonym? Distanziert? Konsumbesessen? Mitnichten! Nichts davon erlebte ich auch nur ansatzweise. Deutschland begegnete mir warmherzig, freundlich, herzlich. Alles war vertraut und unkompliziert. Ich kam überall ins Gespräch. Der Optiker erinnerte sich sogar an meinen Namen und an meinen E‑Mail-Hilfeschrei vor einem Dreivierteljahr, als meine Brille ins Meer gefallen war und ich Ersatz anforderte. Die Friseurin reagierte erstaunt, dass die kamerunischen Friseure nichts mit meinem Haar anfangen können, lehnte es aber ab, nach Afrika überzusiedeln – „wegen der vielen Schlangen“. Wieso fallen allen bei Afrika gleich Schlangen ein? Mir fiel auf, dass der Bus sauber war und pünktlich kam. Jeder hatte sogar einen ganzen Sitzplatz für sich allein! Dennoch musste ich arg mit mir kämpfen, überall rechtzeitig zu erscheinen. Das Essen schien mir zu Beginn ziemlich lasch gewürzt. Wer aber kann verstehen, wie wundervoll Flammkuchen, Stollen, Glühwein, Trüffel, Sahnetorte, Lamm in Knoblauch, Chicorée, Puddingtörtchen und Eierlikör-Eisbecher sind? Ich hatte nicht für möglich gehalten, wie eng „Heimat“ mit Essen verbunden ist! Kein Traum mehr! Auf dem Weihnachtsmarkt genieße ich, wie die zartcremige Köstlichkeit auf meiner Zunge zerschmilzt. Aber allmählich komme ich ins Frösteln. Und doch – wie werde ich noch träumen von diesem Sahneberg, zurück in Kamerun!

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte.

 

Was mein Leben reicher macht

Montagmorgen. Eine Schülerin klopft an meine Klassenzimmertür. „Können Sie mal kommen? Ich hab was für Sie.“ Sie schenkt mir einen Lebkuchen, den sie am Sonntag auf dem Weihnachtsmarkt gekauft hat: „Ich hab an Sie gedacht!“

Sandra Thulke, Stutensee, Landkreis Karlsruhe

 

„Ich mag euch!“

Die Bücherhallen Hamburg, andernorts Stadtbücherei genannt, fragten ihre Kunden anlässlich des 111. Geburtstages: Was schätzen Sie besonders an den Bücherhallen? In der Bücherhalle Barmbek schrieb ein Junge: „Michael Jackson, Black Eyed Peas, Dagobert Duck, Kid Paddle, Lucky Luke, Asterix, Spirou, Marsupilami, Harry Potter, Sherlock Holmes habe ich schon ausgeliehen (natürlich noch viel mehr). Das finde ich gut. Und ich kenne fünf Leute, die euch auch gut finden. Ich mag euch!“ Meinen Kolleginnen und mir wurde ganz warm ums Herz.

Joachim von Elsner, Hamburg

 

Wiedergefunden: Einschlafhilfe

Im Herbst 1979 habe ich meinem Sohn Stefan, damals 5 Jahre alt, von der Arbeit aus Basel kommend, ein Stofftier mitgebracht: ein Affe im roten Jäckchen. Von dem Tag an ging er nicht mehr ohne seinen „Affi“, der nie einen anderen Namen hatte, ins Bett. Ja, er konnte nur einschlafen, wenn Affi unter seinem Kopf lag. Das Kuscheltier musste natürlich auch mit in die Ferien und war ein unentbehrlicher Begleiter durch die ganze Kindheit. Im November hat er nun in Berlin geheiratet. Ich durfte ein paar Tage die zwei Kätzchen hüten, die Jungvermählten waren verreist. Man hatte mir das Bett im Schlafzimmer hergerichtet. Und wie ich die Bettdecke aufschlage, liegt da – Affi. Er hat all die Liebkosungen einer Kinderseele, aber auch alle Umzüge danach erstaunlich unbeschadet überstanden (Schweizer Qualität). Und wird offenbar noch immer so geliebt und behütet wie vor 31 Jahren.

Christoph Schlachter, Weil am Rhein