Es gibt ihn, den Traumchef, tatsächlich. Die Arbeit macht wirklich Freude, wenn man sehr frei arbeiten darf, stets Zeit für ein Gespräch ist und man bei Bedarf betreut wird. Ab und zu Lob bekommt und Süßigkeiten, Adventskalender und Weihnachtsgeschenke. Urlaub nach Wunsch, aber auch Tipps für Rosenpflege oder Gesellschaftsspiele.
Das linke Foto zeigt die erste Ausgabe der ZEIT, die ich als Abonnentin las. Das war im Februar 2006 – ich hatte mich gerade dazu entschlossen, nach meinem Bachelorstudium der Kulturwissenschaften gegen den Uni-Reform-Strom zu schwimmen und zusätzlich ein Magisterstudium der Soziologie anzuhängen. Mein damaliger Verlobter schenkte mir das ZEIT-Abo, damit ich nicht mehr so viele Stunden in der Uni-Bibliothek mit Zeitunglesen verbringen musste.
Ich begann damit, jede der Ausgaben aufzuheben. Als der Stapel immer höher wuchs und Besucher bei uns nach dessen Sinn fragten, antwortete ich, dass er so lange mitwachse, bis ich mein Studium beendet haben würde. Vier Jahre, eine Hochzeit und zwei Kinder später ist es nun endlich so weit: Das Studium ist abgeschlossen, und damit kann ich den ganzen Stapel getrost zum Altpapier bringen. Auch wenn der Zeitsprung nur wenige Jahre veranschaulicht, ist es doch erstaunlich, wie sehr sich die Welt in so kurzer Zeit verändern kann.
Der Tag vor Weihnachten. Wenn ich mit meinem Vater nach Luxemburg fahre und mit ihm einen Großeinkauf mache. Von Rotwein über Schimmelkäse bis hin zu Bûche de Noël. So wie jedes Jahr am 23. Dezember. Seit 15 Jahren.
Familie haben. Abends noch mal nach den drei Rabauken (9, 6, 3) gucken und glücklich sein, dass sie da sind, wenn es auch tagsüber oft ganz schön anstrengend ist. Mit meinem Mann die Last des Alltags und vor allem die Freuden teilen. Schwestern, die mir trotz großer räumlicher Entfernung nahe sind. Schwiegereltern, die kommen, damit ich auf ein Konzert gehen kann, und die tolle Kinder-Ferienprojekte für die Enkelkinder planen. Einen Vater, der Lust hat, mit den Enkelkindern auch mal die ganz kleinen Dinge im Garten anzugucken, und eine Mutter, die uns auf ihrer Wolke immer begleitet.
Bin in der Kölner City unterwegs, um für meine Nichte (20, Jurastudentin) und meinen Neffen (19, zur Zeit Sanitäter-Ausbildung, er möchte Medizin studieren) die 2009 erschienene Albert-Schweitzer-Biografie von Nils Ole Oermann als Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Am Neumarkt gehe ich in die Mayersche Buchhandlung, groß, modern. Albert-Schweitzer-Biografie? Nicht vorrätig. Dafür fällt mir ein Tisch ins Auge, auf dem mindestens zwanzig Exemplare der neu erschienenen Goebbels-Biografie angepriesen werden. Später gehe ich im Kölner Hauptbahnhof in die Buchhandlung, klein, fein, gut sortiert. Aber auch hier: Schweitzer-Biografie? Fehlanzeige! Goebbels-Biografie? Ich könnte meine ganze Familie damit ausstatten. Mich regt das auf! Vielleicht hätten andere Kunden auch lieber zur Schweitzer-Biografie gegriffen – man müsste ihr nur einen angemessenen Platz einräumen.
In diesen Tagen liege ich jeden Abend mit meinen Töchtern (11, 9) in unserem großen Bett, und wir lesen einander Adventskalender-Geschichten vor. Familie und Liebe gehen fast nicht schöner.