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Hürdenlauf für Tagesmütter

Wegen einer neuen Stelle meines Mannes sind wir überraschend umgezogen. Auf der Suche nach einem Kita-Platz für unsere Tochter stoßen wir nur auf verschlossene Türen. Eine Vorlaufzeit von mindestens einem Jahr wäre nötig gewesen, um einen der spärlichen Plätze zu ergattern. Als Akademikerin, die zumindest in Teilzeit gerne wieder in ihren Beruf einsteigen würde, hätte ich also Grund genug, mich zu ärgern. Doch es kommt noch schlimmer: Ich möchte wenigstens einer anderen Mutter die Berufstätigkeit ermöglichen und melde mich bei der städtischen Vermittlungsstelle für Tagesmütter.

Nach erfolgreicher „Eignungsprüfung“ im einstündigen Interview steht mir trotz meiner Erfahrungen als Pädagogin, Mutter und Ehefrau eines Kinderarztes ein 30-stündiger „Qualifizierungskurs in Tagespflege“ bevor. Ich gebe mich gelassen und organisiere die Betreuung meiner Tochter für die Zeit der Kursstunden. Am Tag vor Kursbeginn wird mir mitgeteilt, dass dieser aufgrund mangelnder Teilnehmerzahl ausfallen werde. Man könne jedoch beim Jugendamt nachfragen, ob eine verkürzte Form des Kurses möglich wäre – schließlich sei ich zweifellos als Tagesmutter geeignet und man wolle mein Betreuungsangebot nicht „sausen lassen“. Es vergehen Wochen. Auf Nachfrage erhalte ich schließlich eine kurze Mail von einer mir unbekannten Sachbearbeiterin, in der mir mitgeteilt wird, das Jugendamt lehne verkürzte Kurse grundsätzlich ab. Man könne mir derzeit auch noch keine neuen Kurstermine mitteilen. Kann das die Möglichkeit sein?

Maria Baumgartner, Nürnberg

 

Begegnung in Hanoi

Als ich durch Hanoi schlenderte, fiel mir an einem See ein alter Mann auf. Er hatte ein riesiges Palmenblatt in der Hand und wirkte etwas durcheinander. Als er damit im Wasser herumstocherte, musste ich mit dem Kopf schütteln und dachte bereits an einen verwirrten Alten, als ich erkannte, dass er versuchte, seinen Hut aus dem Wasser zu fischen. Ich legte mich auf den Boden und versuchte, den Hut zu schnappen. Rutschte immer weiter an der steinernen Böschung ab, dabei schrammte ich mir Hose und Hand auf. Als ich den Hut endlich greifen konnte, zog mich der alte Mann an der Schulter bis ich wieder an der Promenade stand. Der Mann klopfte mir auf die Schulter und ich ging weiter. Einige Augenblicke später fuhr ein alter Vietnamese auf seinem Fahrrad an mir vorbei. Stolz, der Rücken kerzengerade. Er schaute mich an und lächelte, während er mit dem Kopf unaufhörlich nickte. Auch ohne Worte verstehe ich ihn – und freue mich für ihn und für mich.

Olav Weidemann, Hanoi

 

Cassis Royal

Sonntag Mittag vor dem Café Olivia in Berlin-Friedrichshain in der Sonne sitzen, ein Stück köstlichen Kuchen „Cassis Royal“ essen, die „Zeit“ lesen. Dabei auf meine Freundin warten, die noch schläft, weil die Arme Nachtschicht hatte – und dann voller Freude ihren Anruf annehmen. Sie ist wach!

Nico Heinemann, Berlin

 

Post von nebenan

Die Postkarten, die mein Freund mir schickt – von Ausstellungen und von Städten, die wir zusammen erlebt haben oder noch besuchen wollen. Er schreibt sie mir regelmäßig, weil er weiß, wie sehr ich mich über Post freue – auch wenn wir in derselben Stadt wohnen!

Sandra Pulina Borghese, Münster

 

Kritzelei aus der Bierstadt

Meinen Einkaufszettel schreibe ich nicht, sondern kritzele ihn…

Viele Grüße aus der Bierstadt ( Bamberg hat Deutschlands größte Brauereidichte).
Sigi Hirsch, Bamberg

 

Zeitsprung: Igelwinter

1988

Hier zwei Fotos, die mich auf der Terrasse meiner Eltern im Berliner Norden zeigen. Das obere stammt aus dem Frühjahr 1988: Wir hatten im Winter diese vier kleinen Igelkinder aufgenommen, weil sie ohne Hilfe den Winter im Freien kaum überlebt hätten. Ich war mächtig stolz auf diese kleinen stachligen Gäste! Und nun, viele Jahre später, wohnen wir in der Nähe meines Elternhauses. Erneut haben wir Gäste für den Winter aufgenommen.

2010

Das untere Foto, das mich mit meinem eineinhalbjährigen Sohn Tim zeigt, haben wir an demselben Tisch auf der Terrasse meiner Eltern aufgenommen. Diese Igelkinder fanden wir peu à peu vor unserem Haus. Sie werden bis zum nächsten Frühjahr bei uns bleiben. Es lohnt sich bestimmt für manchen ZEIT-Leser in diesen Wochen, einen Blick in den Garten zu werfen. Nur bei einem Gewicht von mindestens 500 bis 600 Gramm haben Igel gute Chancen, allein durch den Winter zu kommen. Und sollte ein Igel bei Tage unterwegs sein, ist er vermutlich krank. Man sollte ihn gesund pflegen und ihn mit Katzenfutter ernähren. Bitte auf keinen Fall mit Milch! Die vertragen Igel nämlich überhaupt nicht!

Corinna Hensel, Berlin

 

Ode an Paul den Kraken

Pulpo Paul ist nun verschieden
R.I.P.  –  ruhe in Frieden

du hast recht vorhergesehen
was bei der WM geschehen
wer wird Sieger, wer wird Zweiter
keiner war je noch gescheiter
keiner sonst konnte es wissen
der in’s Muschelfleisch gebissen

deinem Körper, obwohl weich
setzt man nun ein Denkmal gleich

Kopffüßler, nur Kopf und Beine
ohne dich so sehr alleine
dass die Weissagung versagt
wenn nach Kopfbahnhof gefragt
wer gewinnt die Kesselschlacht

gib im Jenseits
auf dich 8

 

Was mein Leben reicher macht

Im Herbst von Apricale aus mit Freunden Wanderungen in Ligurien unternehmen – auf dem Gipfel den Blick auf die Schnee bedeckten Seealpen auf der einen Seite und das Mittelmeer auf der anderen Seite haben und anschließend in einer kleinen Trattoria im T-Shirt auf der Terrasse die Pasta der Nonna essen.

Gerd Nieschalk, Heidelberg

 

Wiedersehen mit Yasmin und Schmendrik

Der Moment, wenn meine Yasmin am Freitagabend nach vier, fünf Wochen Trennung und fünf Stunden Bahnfahrt von Bonn in Stendal ankommt. Wenn ich mich erwartungsvoll nach allen Seiten umsehe, weil ich nie weiß, in welchem Waggon sie sitzt. Wenn ich sie dann entdecke, in der rechten Hand die Transportbox mit unserem Kater Schmendrik, in der anderen die Reisetasche. Lächeln, Freude… Schön, dass es dich gibt!

Sören Ergang, Stendal

 

Literaturbegeisterung

Ich arbeite ehrenamtlich mit bei der Schulaufgabenhilfe in der Sultan-Ahmed-Moschee in Hamburg-Billstedt, in die muslimische Kinder im Alter von 13 bis 18 Jahre kommen. Ein Schüler, 14 Jahre alt, bittet um meine Hilfe. Er soll eine Strophe der Bürgschaft von Friedrich Schiller auswendig lernen. Die Ballade hat 20 Strophen, so daß jeder Schüler in seiner Klasse eine Strophe aufsagen muß. Wir lernen die Strophe, es klappt prima, sogar mit der richtigen Betonung. Danach bitte ich ihn, mir das Gedicht doch einmal ganz vorzulesen. Er tut es gern und erklärt mir bei jeder Strophe, wie die Lehrerin ihren Schülern dies Gedicht nahe gebracht hat. Ich bin hellauf begeistert und einfach dankbar, daß es Lehrer gibt, die sich die Mühe machen, ihren Schülern Literatur auf diese Weise vermitteln.

Iris Witzke, Hamburg