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Zeitsprung: Das Klassenbild

Das linke Foto zeigt unsere Oberprima auf dem Schulhof der Liebig-Schule, des städtischen Realgymnasiums für Jungen in Frankfurt am Main. Etwa ein Vierteljahr vor dem Abitur hatten wir uns während der Pause zum Gruppenbild aufgestellt. Der Sohn unseres Klassenlehrers spielte gerade draußen und wollte unbedingt mit aufs Bild. Auf dem rechten Foto sieht man uns – besser gesagt: die verbliebenen sechs – am gleichen Ort während des Abi-Treffens 60 Jahre später. Wir haben intensive Stunden miteinander verbracht, und auch wenn wir nicht dauernd von früher redeten, wurde uns der Zeitsprung von damals zur Gegenwart sehr bewusst. Erst nach zwei Tagen trennten wir uns – dankbar auch für die Zeit mit denen, die beim Abi-Treffen nicht mehr dabei waren.

Jürgen Steffen, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Essensgeruch beim Nachhausekommen, Küchensofa-Gespräche, an der Oder sitzend nach Polen schauen, Tanz bei Reggae-Musik und Vollmond, gemeinsames abendliches Zähneputzen, Frühstück mit viel Zeit, Bitte-bedient-Euch-Zettel, kurz: das familiäre WG-Leben.

Mirke Olschewski, Frankfurt an der Oder

 

Was mein Leben reicher macht

Beim Orgelüben, vorzugsweise nachts in der dunklen Kirche, für ein oder zwei Stunden Abstand zu finden von den Sorgen und Grübeleien des Alltags.

Iria Sorge-Röder, Konstanz

 

Goethe im Garten

Dieses Baums Blatt, der von Osten / Meinem Garten anvertraut, / Giebt geheimen Sinn zu kosten / Wie’s den Wissenden erbaut, so beginnt Goethes Gedicht Ginkgo Biloba. Auf einer Studienfahrt nach Berlin und Weimar mit dem Leistungskurs Deutsch habe ich im Juni 1992 in der Schlossgärtnerei Dornburg an der Saale einen Ginkgo-Setzling erworben. Inspiriert dazu hatte mich die Besichtigung des Renaissanceschlosses, in dem Goethe im Jahr 1828 einige Zeit verbracht hat. Eingepflanzt in unseren Reihenhausgarten, hat sich der »Fächerbaum« Jahr für Jahr entfaltet und muss seit einigen Jahren im Herbst von unserem Gärtner sogar geschnitten werden, damit er den Nachbarn nicht zu viel Schatten beschert. Aber unseren kleinen Garten prägt er eindrucksvoll.

Jutta Collmann, Ortenberg, Baden

 

Was mein Leben reicher macht

Zwei vielleicht neunjährige Jungs, die ich beim Spaziergang im Stadtpark dabei beobachtet habe, wie sie ein flugunfähiges Vögelchen ganz vorsichtig aus der brütenden Sonne geholt haben.

Vivian Geßner, Neunkirchen, Saar

 

Lässig: Mein Wort-Schatz

Alles »cool«? Der wohl mächtigste aller Anglizismen hat ein viel zu selten verwendetes deutsches Pendant: Lässig! Lässig, das heißt zulassen, leben lassen und einfach mal liegen lassen – Optimismus in Reinform eben. So mancher beneidet den Gelassenen, für andere wiederum ist das Lassen einfach nicht zu fassen. Tief im Innern aber wissen wir alle, dass Lässigkeit der erste Schritt zum Glück ist. Also: Lassen wir heute eine lästige Pflicht einfach mal sein! Lässt sich besser leben so.

Moritz Göde, Frankfurt am Main

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einem Beinbruch bin ich mit Gehstöcken unterwegs. Als die ersten Regentropfen fallen, biegt ein Auto vor mir auf den Gehweg, und die Beifahrerin schaut aus dem Fenster: »Entschuldigen Sie bitte, dürften wir Sie nach Hause fahren, da oben steht eine so dicke Gewitterwolke!«

Beate Hugenschmidt, Freiburg im Breisgau

 

Sonntagsmaler: Mein Wort-Schatz

Heute heißen Sonntagsmaler nur noch »Hobbykünstler« – ein verwässerter Sammelbegriff. Kindlers Malerei-Lexikon aber weiß: »So sind Sonntagsmaler diejenigen Maler, die teils autodidaktisch, teils nach kurzer Ausbildung oder Anleitung, etwa in VHS-Kursen, die Malerei neben ihrem Beruf als Erholung von der Arbeit und als Liebhaberei, gleichsam als Sonntagsvergnügen betreiben. Hauptantrieb ist die angeborene Freude am Gestalten und am Spiel der Phantasie.« Goethe, Strindberg und Ringelnatz waren bekannte Sonntagsmaler.

Sophie Reich, Bochum