Wer die Krautrock-Band Popol Vuh hört, muss sich auf allerhand Sonderbarkeiten gefasst machen. Die Alben tragen rätselhafte Titel wie „Affenstunde“ oder „In den Gärten Pharaos“, und die Musik selbst, eingespielt mit Moog-Synthesizern und exotischen Percussions, klingt wie die Vertonung eines surrealen Traums. Das Doppelalbum „Popol Vuh – Revisited & Remixed“ erinnert nun mit einem Best-of und einer Remix-CD an die legendäre Band aus München. Vor genau zehn Jahren haben sich Popol Vuh aufgelöst, nachdem ihr Gründer Florian Fricke an einem Schlaganfall gestorben war. Wir haben einen Experten gefragt, warum Popol Vuh, die ihre größte Zeit in den 70er Jahren hatten und in erster Linie Instrumental-Stücke verfassten, heutzutage noch interessant sind: Jan St. Werner vom rheinischen Elektronik-Duo Mouse On Mars ist nicht nur ein großer Fan. Er hat für „Popol Vuh – Revisited & Remixed“ auch ein Remix des Popol-Vuh-Stücks „Through Pain To Heaven“ aufgenommen, zusammen mit Mouse On Mars. Er befindet sich übrigens in guter Gesellschaft: Musiker wie Peter Kruder oder Thomas Fehlmann (The Orb), bekannt für ihre Stilsicherheit, sind auf der Platte ebenfalls mit Remixen vertreten.
ZEITmagazin: Auf dem neuen Album verneigen sich bedeutende elektronische Musiker vor Popol Vuh. Warum so viel Ehre?
Jan St. Werner: Popol Vuh haben sich sehr verdient gemacht für die deutsche Nachkriegskultur. Es war doch wahnsinnig schrecklich, was man damals sonst so hörte, Sänger wie Peter Alexander oder Heinz Erhardt etwa. Krautrock-Projekte wie Popol Vuh – oder auch Can und Amon Düül – haben dagegen Freiheit und Anarchie in die Musik gebracht. Davon ging eine unglaubliche Kraft aus. Zudem haben sich Popol Vuh wohltuend vom Dogmatismus abgehoben, der in den 60er und 70er Jahren in der elektronischen Avantgarde an den akademischen Institutionen herrschte. Ein Komponist wie Karl-Heinz Stockhausen besaß ja eine sehr große Ernsthaftigkeit.
ZEITmagazin: Popol Vuh sind bekannt für ihre Zusammenarbeit mit Werner Herzog – Filme wie „Aguirre“ oder „Fitzcarraldo“ belieferten sie mit Soundtracks. Warum haben Band und Regisseur so gut harmoniert?
Werner: Sowohl die Filme von Werner Herzog als auch die Stücke von Popol Vuh haben mit klassischer Narration nicht viel zu tun. Manche Popol-Vuh-Stücke sind ja nicht mehr als ein zehnminütiges Intro. Und Werner Herzog wiederum nimmt sich sehr viel Zeit für Details, hat eine unglaubliche Geduld, um eine künstlerische Idee zu entfalten. Hinzu kommt, dass beide das gleiche Lebensthema haben: Sie wollen zeigen, dass es der menschliche Wahnsinn ist, der alles zusammenhält.
ZEITmagazin: Wann bist du das erste Mal mit der Musik von Popol Vuh in Berührung gekommen?
Werner: Ich müsste 15, 16 Jahre alt gewesen sein. Damals, Mitte der 80er Jahre, habe ich nach Musik geforscht, die mir neue Räume eröffnete. Dazu zählten neben den Talking Heads, Brian Eno oder Industrial-Bands eben auch Popol Vuh.
ZEITmagazin: Gibt es Beispiele in der aktuellen Popmusik, in denen du den Geist von Popol Vuh oder anderen Krautrockern wiederfindest?
Werner: Es gibt einige Musiker aus den USA, die womöglich eine ähnliche Freiheit wie Popol Vuh ausleben – Sänger aus der Freak-Folk-Szene etwa oder Bands wie Animal Collective. Musiker, die es sich leisten, zu experimentieren. Auch bei Stücken von Pop-Projekten wie LCD Soundsystem denke ich manchmal: Ist das nicht ein Remix von Can?
ZEITmagazin: Auf der Remix-CD sind Mouse On Mars mit einem Remix von „Through Pain to Heaven“ vertreten, einem Stück aus Herzogs „Nosferatu“. Warum ausgerechnet dieses Stück?
Werner: Das war reine Willkür, einen speziellen Grund gab es nicht. Das Stück bietet einfach genug Material. Als wir Popol Vuhs Werk durchstöberten, haben wir es entdeckt. Eine gewisse Schizophrenie war allerdings schon im Spiel. Einerseits hatten wir großen Respekt vor dem Stück. Andererseits mussten wir diesen Respekt überwinden, um das Stück als Klangmaterial für unseren Remix wahrnehmen zu können. Glücklicherweise ist uns das gelungen.
Die Fragen stellte Philipp Wurm
Ein schönes Interview! Außerdem das erste mit Jan St. Werner, das mir in die Hände fällt, in dem der ansonsten interessante mouse-on-mars-musiker keine blöden Nonsens-Kommentare von sich gibt.