Was im 19. Jahrhundert Salons waren, sind heute Blogs. In diesem Sinne lassen wir die Tradition des legendären Fragebogens von Marcel Proust für unsere Lieblingsblogger wieder aufleben. Das Blog slomo wird von der freien Journalistin Okka Rohd, 34, betrieben, einer Frau, die ihr Leben zu mögen scheint. Ihr Blog erzählt in Wort und Bild von den kleinen Glücksmomenten, die sich in ihrem Alltag auftun, und das sind nicht wenige. Das kann mal der Geschmack von selbst gebackenen Zitronen-Thymian-Rührkuchen sein, es ist aber auch möglich, dass sie sich an einem gut geschriebenen Künstlerporträt in der New York Times erfreut. Und hin und wieder reichen auch Fotos von ihrer kleinen Tochter Fanny.
Was ist für Sie das vollkommene Blog? Mich interessiert das Unvollkommene viel mehr: wenn Blogger aus ihrem Leben erzählen, vom Glücklich-, Traurig-, Müde-, Verliebtsein. Ohne Schlussredaktion und Endpolitur. Joanna Goddard von „A Cup of Jo“ ist so eine Bloggerin. Oder Miss James Kicinski von „Bleubird“.
Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten? Das wechselt ständig. Gerade bin ich sehr verknallt in die Idee und Texte von „Hausbesuchswins“: Eine Frau namens Rotkapi hat sich vorgenommen, 200 Tage lang im Prenzlauer Berg an Türen zu klingeln und sich zu Kaffee, mitgebrachtem Kuchen und Küchentischgesprächen einladen zu lassen. Ich bewundere, wie sie sich auf die Wirklichkeit, ihre Nachbarn und auch auf ihre Schüchternheit einlässt. Letzten Sonntag war sie bei mir zum Kaffee. Jetzt mag ich sie nur noch mehr.
Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? Verloren zu gehen.
Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? Seit der Geburt meiner Tochter vor acht Monaten: Schlafen. Ausgeschlafen: Freunde sehen, Filme gucken, Lesen, Kochen, Essen, Fotografieren, Reisen.
Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit? Bevor ich lügen müsste, schweige ich lieber.
Ihr Lieblingsheld im Netz? Jimmy Wales, weil er sich Wikipedia ausgedacht hat.
Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit? Maurice Sendak, weil er sich „Wo die wilden Kerle wohnen” ausgedacht hat. Und Grace Coddington, weil sie warm, unzynisch und hartnäckig ist. Und es auch nach Jahren im Journalismus schafft, noch immer in das verliebt zu sein, was sie tut.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? Freundlichkeit, Herzlichkeit, Humor, Schlagfertigkeit, Offenheit.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? Freundlichkeit, Herzlichkeit, Humor, Schlagfertigkeit, Offenheit. Und wenn sie ein gutes Steak braten können.
Was mögen Sie im Netz am wenigsten? Dass ich ohne so schlecht kann.
Was stört Sie an Bloggern am meisten? Dass ich nie hinterher komme.
Was stört Sie an sich selbst am meisten? Zu oft nicht drüber zu stehen.
Ihr glücklichster Moment als Blogger? Wenn mir wildfremde Menschen tolle, schlaue, irrsinnig herzliche Emails schreiben.
Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger? Mit dem Bloggen begonnen zu haben.
Über welches Talent würden Sie gern verfügen? Ich würde gerne richtig gut tanzen können.
Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden? Wenn es wirklich ein Blogger sein müsste: Garance Doré – wobei ich nur ungern mit dem Sartorialist schlafen würde.
Ihre größte Extravaganz? Eine anständige Espresso-Maschine.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Müde und glücklich.
Ihr Motto? Let Karma take care of it.
Bislang haben unseren Proust-Bloggerfragebogen Vanessa Mazal, Clemens Poloczek, Katja Schweitzberger, Gabi Gabel, Shala Monroque, The Photodiarist, Fabian Sixtus Körner, Catrin Linderkamp, Cosima Bucarelli und Johanna Moers, Jill Adams, Siems Luckwaldt, Katja Hentschel, Katya Moorman, Julia Stelzner, Katharina Charpian, Thomas Knüwer, Marlene Sørensen und James Castle, Mary Scherpe, Juliane Duft und Anna Katharina Bender, Richard Gutjahr, Anna dello Russo, Peter Glaser, Frederik Frede und Jessica Weiß ausgefüllt
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