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Proust-Fragebogen für Blogger (104)

 

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Dieser Tage scheint mal die Sonne und mal regnet es. Aber der Frühling kann machen, was er will, solange wir uns auf unseren Jahresurlaub freuen können. Und wer diesen noch planen muss, findet sich womöglich auf dem Reiseblog Nomad Earth ganz gut zurecht: „Nicht die konkrete Reise, sondern das Erleben des Reisens an sich“ wird hier „in verschiedenen Einzelgeschichten nachlesbar“ gemacht, sagt Mario Hainzl, 30, der den Blog zusammen mit Andreas Jaritz, 32, geschaffen hat. Die beiden Österreicher aus der Südsteiermark haben sich während des Wehrdienstes kennen gelernt, zusammen studiert und später viele gemeinsame Reisen unternommen – unter anderem nach Chile, Spanien und in den Senegal. Für Nomad Earth schreiben nicht nur sie, sondern inzwischen auch viele Gastautoren, so dass der Blog zu einer seriösen Anlaufstation für Urlaubswillige gereift ist. Und die Erfolgsgeschichte geht weiter: Mit einer Dokumentation in Spielfilmlänge namens „The Old, the Young & the Sea“ über die Küstenbewohner des Atlantiks und Surfen in Europa haben Hainzl und Jaritz es bis in die Kinos und auf Filmfestivals geschafft.

Was ist für Sie das vollkommene Blog?

Ich denk‘, das ist einer, der den erfüllt, der’s schreibt und den der’s liest. Die richtige Person, zum richtigen Thema, das Leserschaft nicht sucht, sondern findet. Aber auch wenn ich viel im Internet unterwegs bin – gefunden hab ich den vollkommenen Blog noch nicht.

Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten?

Wer das Bloggen gut beherrscht, sind beispielsweise Chase Jarvis und Joey L. – das sind erfolgreiche Photographen, die ihr Wissen freizügig in Textform, Videobeiträgen und Photostrecken teilen. Die zeigen auch eines erfolgreich vor: Die Zeiten in denen man einfach auf seinem Wissen sitzen bleiben kann, sind vorbei. Und sie zeigen, dass dieses Teilen des Wissens ein profitables Geschäft sein kann – ein Schritt, den das klassische Bloggen nie wirklich vollzogen hat. Ich bin auch ein Fan der Doku-Formate vom Vice Magazine.

Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? 

Kommunikation, Weiterbildung, Unterhaltung und Inspiration – in der Reihenfolge.

Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? 

Reisen, Menschen und Länder kennenlernen, Bargespräche und Photo Sessions, Interviews führen. Vieles von dem landet letztlich – wenn man Internetmensch ist – wieder online…

Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit?

Nie. Oder: Gerade eben.

Ihr Lieblingsheld im Netz?

Wenn Barack Obama bei „Between two Ferns“ auftritt, ist er ein Held, weil er sich als Politiker erlaubt, Pop gut und nützlich zu finden. Und wenn John Stuart und Steven Colbert nach Jahren täglichen Programms noch immer so energiegeladen und unterhaltsam sind, dann sind sie auch Helden – die neben Unterhaltung sogar Informationswert rüberbringen. Oder die Gründer von Kickstarter, weil sie vielen Menschen ermöglicht haben, an Projekten zu arbeiten, die es sonst nie gäbe. Oder die Aktivistinnen von Femen, weil sie mutig sind und die Mechanismen des Internets verstehen.

Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit?

Die in der letzten Frage genannten gibt’s doch wohl alle auch in echt, oder nicht?

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? 

Wenn es um Geschäftliches geht , dann schätze ich es, wenn Leute sich nicht hinter dem Medium verstecken und wenn Kooperation und Austausch im Vordergrund stehen.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? 

Neugier, Freundlichkeit, ich mag Menschen, die offen sind für ihre eigenen Bedürfnisse und Ideen.

Was mögen Sie im Netz am wenigsten?

Wir sind ja alle mittlerweile sehr gut darin, Information, die wir suchen, in Suchbegriffen einzukreisen – aber eben das klappt nicht immer. Dann, andererseits, macht das wenigstens die menschliche Kommunikation nicht obsolet… Abgesehen davon natürlich die Anonymität, die manche Leute als Gelegenheit für mieses Verhalten nutzen.

Was stört Sie an Bloggern am meisten? 

Manches betrifft nur den Blogger als Person selbst – mich interessiert die x-te Café Latte und das so-und-sovielte Photo vom neuen Familienwelpen nicht. Glücklicherweise gibt es aber genug fantastische Blogger – man muss sich also über “schlechte Blogger” nicht ärgern. Das Internet ist groß genug für uns alle.

Was stört Sie an sich selbst am meisten?

Manches nicht zu verstehen und manches nicht verstehen zu wollen – ich kann ganz schön veränderungsresistent sein, ein sogenannter Sturschädel. Und natürlich nicht immer den Willen aufzubringen, eigentlich gute Ideen umzusetzen.Das tut manchmal weh im Nachhinein, manchmal kann man damit ganz gut leben.

Ihr glücklichster Moment als Blogger?

Als wir mit unserem Blog online gingen – weil wir etwas fertig gemacht haben. Und bei der Spanien-Premiere von „The Old, the Young & the Sea“, als unsere drei ältesten Protagonisten mitsamt Familie im Kino feuchte Augen bekommen haben.

Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger?

Dass wir einerseits mittlerweile viele regelmäßige Leser haben und dass andererseits viele Leute unseren Blog für würdig befunden haben, ihre Geschichten und Photos zu transportieren. Es ist schön, dass Andys und meine Idee eines Reiseblogs für nachhaltigen Reisestil Mitstreiter gefunden hat. Und natürlich damit dann auch auf zeit.de zu landen. Die Oma wird stolz sein.

Über welches Talent würden Sie gern verfügen?

Ich würd‘ gern das Einfühlungsvermögen von beispielsweise Elisabeth T. Spira haben, die großartige Doku-Formate rund um alle Arten von Menschen gedreht hat. Das wär‘ schon eine schöne Gabe.

Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden?

Wenn ich wiedergeboren werde, gibt’s wahrscheinlich das Wort Blogger nicht mehr. Und wenn ich’s mir aussuchen kann, werd‘ ich frühestens in 60 Jahren wiedergeboren. Oder wie lange steht die Seele angeblich zwischen zwei Leben ohne Körper da? Also ich hätt‘ jedenfalls gern noch vorher ein langes Leben, weil die Zeiten recht spannend sind.

Ihre größte Extravaganz?

Unsere Arbeit. Wir sind selbstständig, bauen einen Blog auf, beschließen dann ohne jede Vorkenntnis einen Film zu machen. Wenn man so von Selbstverwirklichung spricht, sind die Möglichkeiten, die wir hier in der westlichen Welt in diesen Zeiten haben, relativ extravagant, oder?

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Im Moment bin ich oft freudig erregt bis zutiefst beunruhigt – je nachdem, wie sich das derzeitige Filmprojekt entwickelt, wie sich Nomad Earth Media weiterentwickelt, ob wir uns diesen Lebensstil als Blogger, Photographen, Filmemacher, Contenterzeuger auch weiterhin erhalten können. Insgesamt gut, weil intensiv, irgendwie. Es sind gerade ganz aufgeregte Zeiten für uns – und dafür bin ich wirklich dankbar.

Ihr Motto?

Immer „Ja“ sagen. Das bringt einen in alle möglichen und unmöglichen Situationen – was ja der Rohstoff für gute Geschichten ist. Und das ist für uns als Geschichtenerzähler alles. Und dann gibt es noch ein Zitat, das ich irgendwo geklaut hab‘ und mir immer wieder in den Kopf springt: „Nichts schadet einer Sache mehr, als sie mit falschen Mitteln zu verteidigen.“ Ich finde, das ist ein interessanter Gedanke, gerade jetzt, wo ja jeder alles verbreiten kann.

(c) Katharina Zimmermann