Wer die Anekdoten über Charles Schumann hört, denkt: Der Charles muss Priester sein. Wer wie er hell und dunkel, gut und böse, schön und hässlich unterscheiden kann, ohne dabei eine Sekunde zu zögern, der muss ganz nah bei Gott sein. Natürlich weiß jeder, was Charles Schumann wirklich ist, ein Barmann. Der Barmann. Das macht aber nur auf den ersten Blick einen Unterschied, denn wie ein Priester hat er eine Gemeinde, die sich regelmäßig um ihn schart. Mitten in München, zwischen Boulespielern, Touristen und U-Bahngängern, im Schumann’s am Odeonsplatz. Einen Gimlet in der Hand, oder neuerdings einen Moscow Mule. Jetzt, zu seinem 70. Geburtstag, gibt es das Buch zum Schumann, Untertitel: Hommage an einen Chef.
Zwei Dutzend Geschichten kann man da lesen, von Axel Hacke, Elke Heidenreich, Eckart Witzigmann oder Moritz von Uslar. Ein Insider ist auch unter den Autoren, Stefan Gabanyi, 23 Jahre lang Barkeeper im Schumann’s. Er kennt den Mikrokosmos zwischen Tresen, Campari und Bratkartoffeln – und seinen Polarstern: „Tisch Eins vorne“. Dieser Tisch ist heilig und wird von Charles persönlich für die treuesten Stammgäste freigehalten, die Galeristen. „Tisch zwei vorne“ gehört den Künstlern, an „Tisch Drei“ sitzen die Journalisten, und so weiter. Der „Sechser hinten“ ist für Schumann und seine Entourage. Hier nimmt der Chef Platz, wenn er mal nicht durch den Laden tänzelt – wie der Boxer, der er auch ist – um Stammgäste anzuknurren und alle anderen links liegen zu lassen. Hält er dann irgendwo inne, am Einser, Dreier oder Siebener, bellt er ganz beiläufig eine unumstößliche Wahrheiten in die Runde. Einen dieser Schumann-Sätze, von dem jeder einzelne eine kleine Parabel ist. Der Mann ist Barmann, er weiß, was es mit dieser Welt auf sich hat, was ein guter Drink und was ein guter Kellner ist. Mehr weiß nur Gott.
Alexander Krex
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