Alte Möbel, Lampen und Kunstobjekte aus vergangenen Jahrzehnten erzählen uns ihre schönen Geschichten. Der Antiquitätenladen Factory 20 von Eric Ginter in Virginia an der Ostküste der USA hat eine besonders große und sorgsame Auswahl an großartigen alten Dingen und Möbeln. Wer es wagt, bestellt die antiken (nicht gerade günstigen) Stücke bei Grinter online. Man kann auf seiner Seite aber schließlich auch nur gucken und sich inspirieren lassen
Der Designer Bodo Sperlein entwirft sonst Zuckerdosen mit Pferdemotiven. Beim Service, das er für die japanische Traditionsmanufaktur Nikko entworfen hat, hielt er sich zurück
Der Architekt Le Van Bo hat nach eigenen Angaben zwei linke Hände. In einem Kurs an der Volkshochschule lernte er aber, einen Stuhl zu bauen. Der Stolz über ein selbstgebautes Möbelstück brachte ihn auf die Idee, auch andere zum do it yourself zu animieren. Ganz im Geiste des Bauhaus: ein gutes Leben für jeden. Heute entwirft er Baupläne für Möbelstücke, die von den klassischen Designs des Bauhaus inspiriert sind. Unter lokalpatriotischen Namen wie Berliner Hocker, Kreuzberg 36 Chair oder Neukölln Desk bieter er die Pläne für diese Hartz IV-Möbel, wie er sie nennt, auf seiner Website zum kostenlosen Download an. Sein Lohn sind die Geschichten und Fotos der selbstgebauten Möbel, die ihm die Laien zusenden. Die Materialien sind billig, das Ergebnis ist unbezahlbar. Inzwischen hat sich eine Crowd gebildet, die sich gegenseitig unterstützt, gemeinsam baut, gemeinsam entwirft. 4000 Menschen folgen inzwischen Le Van Bos Facebook-Seite, die heißt: „Konstruieren statt Konsumieren“. Jetzt will er ein Buch mit Möbelentwürfen herausgeben will, über dessen Inhalt vorher von der Community basisdemokratisch abgestimmt werden soll.
ZEITmagazin: Wären Ihre Bekanntheit und der Erfolg der Hartz-IV-Möbel ohne das Internet überhaupt denkbar?
Le Van Bo: Ich mache nichts anderes als das, was die großen Architekten vor 100 Jahren auch versucht haben: Volksbedarf statt Luxusbedarf, so lautete die Parole des Bauhaus, und es wurde überlegt, wie man Möbel herstellen kann, die sich jeder leisten konnte. Und schon vor 2000 Jahren gab es die ersten do-it-youself-Bücher, geschrieben zum Beispiel vom römischen Architekten Vitruv, der die Tempel in Griechenland abzeichnete und erklärte, wie sie aufgebaut waren, welche Proportionen zugrunde lagen. im 16. Jahrhundert hat dann der Italiener Andrea Palladio ein Buch darüber geschrieben, wie man ein Haus baut. Es gibt also eine sehr alte Tradition der Lehre, der Gestaltungslehre. Neu sind die Wege, auf denen sie kommuniziert werden kann. Mein Projekt würde ohne das Internet überhaupt nicht funktionieren, da meine Arbeit von der Kommunikation vieler lebt.
ZEITmagazin: Ist das Bauhaus auch deshalb eine Inspiriation für Sie gewesen, weil das Design so schlicht und deshalb leicht nachzubauen ist?
Le Van Bo: Das ist wahrscheinlich ein Grund, warum Bauhaus und do-it-yourself gut zueinander passen. Es lässt sich gut nachbauen. Ich versuche diese alten Gedanken in die heutige Zeit zu übertragen: auf die Funktion achten, gute Gestaltung mit wenig Aufwand,Verschmutzung und Materialeinsatz.
ZEITmagazin: Als Architekt arbeitet man ja nicht gerade viel mit den Händen…
Le Van Bo: In meinem Berufsalltag als Architekt ist das einzige, was ich anfasse, die Maus. Für den Extrakick und ein bisschen Adrenalin drücke ich ab und zu Apfel+Z. In der Holzwerkstadt gibt es kein Apfel+Z, Sie müssen das Holz anfassen, um es zu verstehen. Ich glaube, das ist eines der größten Phänomene in der unserer postindustriellen und globalisierten Zeit: viele haben das Bedürfnis zu verstehen, wie die Dinge zusammenhängen. Es fängt ja damit an, dass wir unser Geld auf eine Bank tun, und keiner mehr versteht, was da passiert, warum es mehr wird. Mit dem Holz ist es immer sehr konkret: entweder du sägst oder du sägst nicht.
ZEITmagazin: Glauben Sie, das mit dem Kapitalimus hat sich heute von selbst erledigt?
Le Van Bo: Ich verteufele Geld nicht. Ich bin ein großer Kapitalist. Viele meinen, dass ich mit meinem Spruch „Konstruieren statt Konsumieren“ mit dem Kommunismus flirte und zum IKEA-Boykott anstiften will, aber das ist Schwachsinn. Ich habe durch die Hartz-IV-Möbel gelernt, dass man durch den Bau von Möbeln ganz viel erreichen kann und schöne Dinge haben kann, für die man sonst teures Geld bezahlen müsste. Wenn es einem gelingt, ein Möbelstück zu bauen, ist man stolz wie Bolle. In den meisten Fällen sind die Leute so stolz, dass sie ein Foto davon machen und es bei Facebook hochladen. Dort wird es dann gesehen und kommentiert, und man bekommt Anerkennung – gratis.
ZEITmagazin: Hand aufs Herz, wie viele Leute haben das SiWo-Sofa gebaut, es sieht ja schon kompliziert aus.
Le Van Bo: Ich habe ungefähr 10 Bilder geschickt bekommen. Ich tippe auf 30 bis 40 selbstgebaute Sofas weltweit. Knapp 400 Mal wurde der Bauplan heruntergeladen. Man kann jedes der Möbel, die ich entworfen habe, ja auch in einfacherern Versionen bauen. Ohne Fingerverzinkung und mit Schrauben. Das ist ja das Tolle: veränderst man eine Kleinigkeit am Bauplan, verliere ich sofort mein Urheberrecht. Dann ist der andere der Designer, der Produzent, der Rohstofflieferant, der Konsument – und die PR-Agentur, weil man ja mit seinem selbstgebauten Möbel angibt. Ich kenne keinen, der ein selbstaufgebautes Billy-Regal bei Facebook hochlädt.
ZEITmagazin: Fürchten Sie nicht manchmal, dass jemand Ihre Pläne für kommerzielle Zwecke nutzt?
Le Van Bo: Tatsächlich gibt es viele Anfragen, aus Mosambik, aus Peking… Aber meine Entwürfe können nicht kopiert werden. Die Umsetzung wäre zu viel zu teuer: Würde man einen Tischler bitten, meinen 24 Euro Chair aus Eiche zu zimmern, würde er 700 Euro kosten. Es ist ja alles Handarbeit. Wenn man ein Geschäft daraus machen wollte, müsste man ihn für 1200 Euro verkaufen. Und dann kosten meine Möbel so viel wie die Vitra-Möbel. Mit denen können meine Entwürfe aber nicht konkurrieren, die würden sich einfach nicht verkaufen. Ohne dass ich es gewollt hätte, sind meine Möbel gegen den Kapitalismus immun, es gibt einfach keinen Markt.