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Proust-Fragebogen für Blogger (5)

Richard Gutjahr ist von der Digitalisierung unseres Lebens restlos begeistert – und will dieses Gefühl mit den Besuchern seines Blogs unbedingt teilen. Also kommentiert er in „G! Gutjahr’s Blog“ neue Apple-Produkte, OpenLeaks oder soziale Netzwerke. Sein größter Coup gelang ihm jedoch, als er von den Protesten in Ägypten berichtete. Gutjahr war spontan von Israel, wo er privat weilte, nach Kairo geflogen, mitten ins Herz der Revolte. Die Reportagen, Videos und Fotos, die er dort machte, veröffentlichte er beinahe in Echtzeit in seinem Blog. Die Aufbruch-
stimmung der Jugend wurde unmittelbar fühlbar, mehr als in vielen Nachrichtensendungen. Gutjahr, ein ausgebildeter Journalist, vereinte Blogger und Auslandskorrespondent in einer Person. Eine Symbiose, die es noch nicht oft gegeben hat.

Was ist für Sie der vollkommene Blog? Ein Blog, von dem man leben kann.

Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten? Es gibt Blogger, mit denen ich mich vielleicht nicht identifiziere, von denen ich mich aber gerne inspirieren lasse: Thomas Knüwer, Daniel Fiene, Ulrike Langer u. v. a.

Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? Egogoogeln.

Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? Schlafen.

Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit? Jedes Mal wenn ich vorgebe, objektiv zu sein.

Ihr Lieblingsheld im Netz? Justine Ezarik.

Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit? Steve Jobs

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? Die Experimentierfreude.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? Dass man sie anfassen kann.

Was mögen Sie im Netz am wenigsten? Massentagging bei Facebook – das ist krank.

Was stört Sie an Bloggern am meisten? Missgunst.

Was stört Sie an sich selbst am meisten? Oft zu viel Show bei zu wenig Substanz.

Ihr glücklichster Moment als Blogger? Wenn mir Leser – wie erst kürzlich nach meiner Kairo-Reise – schreiben, dass sie durch mein Blog und meine Tweets das Gefühl hatten, dabei gewesen zu sein. Eigentlich das größte Lob, das man einem Reporter machen kann, besonders unter solch widrigen Umständen.

Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger? Durchhaltevermögen.

Über welches Talent würden Sie gern verfügen? Bescheidenheit.

Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden? Captain James T. Kirk.

Ihre größte Extravaganz? Zwölf Becher Kaffee am Tag.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Manischer Originalitätsdruck.

Ihr Motto? Straßen? Wo wir hingehen, brauchen wir keine Straßen!

 

Robert Lebeck

(c) Robert Lebeck, www.lumas.de

(c) Robert Lebeck, www.lumas.de

Die Galerie Lumas in Berlin zeigt bis zum 22. März die Ausstellung „Neugierig auf die Welt“ von Robert Lebeck.
Geboren wurde Lebeck 1929 in Berlin, er war lange Zeit als Fotoreporter für den Stern auf Reisen. Als einer der ersten hat er Anfang 1969 in Russland fotografiert, in Afrika war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als dem belgischen König Baudouin 1960 im Kongo der Degen geklaut wurde. Er hat Legenden wie Romy Schneider, Maria Callas und Billy Wilder portraitiert. Ende der 1990er beendete Lebeck seine Karriere als Foto-Korrespondent. Danach portraitierte er seine Heimatstadt Berlin in einer Foto-Serie, die unter dem Titel „Preußisch Blau“ ebenfalls in der Galerie Lumas in Berlin zu sehen ist. Im März und April wird „Neugierig auf die Welt“ auch in Köln und Düsseldorf zu sehen sein.

ZEITmagazin: Herr Lebeck, Sie waren als Fotoreporter Jahrzehnte lang auf der ganzen Welt unterwegs. Gibt es eine Ecke auf dieser Erde, die Sie immer mal besuchen wollten, wohin Sie es aber nie geschafft haben?
Robert Lebeck: Ich war noch nie in Bhutan und Nepal.

ZEITmagazin: Das Motto dieser Ausstellung ist „Neugierig auf Welt“. Worauf sind Sie heute noch neugierig?
Lebeck: Auf die beiden Länder Usbekistan und Kashmir. In Usbekistan wurden alle meine Filme beschlagnahmt, deswegen zieht es mich immer noch dorthin.

ZEITmagazin: In der Galerie Lumas präsentieren Sie Tableaus, auf denen von Ihnen beschriftete Dias zu sehen sind. Was erzählen diese Notizen über den Fotografen Robert Lebeck?
Lebeck: Über den Fotografen erzählen sie weniger. Es sind rein sachliche Notizen, die mir die Zuordnung der Bilder retrospektiv erleichtert. Leider habe ich aber nur einen Teil meiner Dias beschriftet.

ZEITmagazin: Eines der großformatigen Bilder zeigt Jugendliche, die in New York in einem Baum klettern an einem Ufer. Warum haben Sie dieses Motiv der Serie „Unverschämtes Glück“ zugeordnet?
Lebeck: Ich war ab 1966 der erste Stern-Reporter mit festem Sitz außerhalb von Europa. Es war ein großes Privileg, in New York zu arbeiten. Jeden Tag bin ich zum Büro auf die andere Seite des Parks gegangen. So entstand dieses Bild 1967  an einem heißen Sommertag. Das Buch, das wir zu meinem 75. Geburtstag gemacht haben trägt übrigens den selben Titel.

ZEITmagazin: Wären Sie nachdem Sie das Bild aufgenommen hatten auch gerne in den Baum geklettert?
Lebeck: Ich bin tatsächlich mit der Kamera in der Hand auf den Baum geklettert  – und runtergefallen…. Die Kamera habe ich beim Sturz in die Luft gehalten und sie ist zum Glück nicht nass geworden.

ZEITmagazin: Ein weiteres Tableau in der Ausstellung zeigt Portrait-aufnahmen berühmter Persönlichkeiten und Politiker. Wem würden Sie in diesen Tagen mit der Kamera auflauern, wenn Sie noch als Fotoreporter arbeiten würden?
Lebeck: Ich habe nie Prominenten aufgelauert und würde das auch jetzt nicht tun. Ich hatte meistens einfach unverschämtes Glück. Persönlichkeiten die ich heute noch gerne fotografieren würde, wären zum Beispiel Andreas Gursky, Jonathan Meese oder Neo Rauch. Vor allem auch Künstler in China faszinieren mich, die immer noch stark unter der Zensur leiden

Die Fragen stellte Undine Zimmer

 

Proust-Fragebogen für Blogger (4)

(c) Juergen Teller für ZEITmagazin

Die Italienerin Anna dello Russo, 48, ist Stylistin und besitzt 4000 Paar Schuhe. Sie arbeitet als Beraterin der japanischen Vogue und großer Modehäuser. Seit einem Jahr teilt sie auf ihrem Blog ihr Modewissen mit ihren zahlreichen Fans, denen sie Tipps gibt wie: Trage nur Schmuck, der von sehr, sehr weit weg sichtbar ist.

Was ist für Sie das vollkommene Blog? Blog-Aggregatoren, zum Beispiel bloglovin.com (Ein Blog-Aggregator ist eine Website, die zu einem bestimmten Thema Informationen aus verschiedenen Blogs zusammen-stellt)

Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten? Jak&Jil

Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? Neues erfahren

Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? Yoga

Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit? Ich versuche, nicht zu lügen.

Ihr Lieblingsheld im Netz? Mark Zuckerberg

Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit? Lady Gaga

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? Modernes Denken

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? Unangepasstheit

Was mögen Sie im Netz am wenigsten? Alles verbraucht sich zu schnell.

Was stört Sie an Bloggern am meisten? Sie sind sich zu ähnlich.

Was stört Sie an sich selbst am meisten? Mein Muskelkater

Ihr glücklichster Moment als Blogger? Der Adventskalender, den ich für meine Leser im Dezember gemacht habe.

Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger? Dass ich mein eigenes Parfüm herausgebracht habe.

Über welches Talent würden Sie gern verfügen? Singen und Tanzen

Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden? Scott Schuman, The Sartorialist

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Fokussiert

Ihr Motto? Mode ist eine Muse, man muss sie verführen!

Im aktuellen ZEITmagazin wird Anna dello Russo ausführlich von Ilka Piepgras portraitiert

 

Hyde´s Sonnenbrille

(c) Andreas Kock

Mathias Modica hat für uns ein Selbstportrait gemacht: Mit Sonnenbrille und ohne Schnürsenkel am Hafen von Marseille, seiner neuen Wahlheimat

„Nichts ist schlimmer, als in einem Gespräch die Sonnenbrille nicht abzunehmen.“ Wir geben Mathias Modica alias Munk da völlig Recht. Aber trifft das auch auf ganz besonders schöne Exemplare zu? Für das schwedische Label Hyde’s hat der DJ und Musikproduzent ein Modell designt, bei dem wir eine Ausnahme machen würden.

ZEITmagazin: Herr Modica, wie kamen Sie darauf, eine Sonnenbrille zu entwerfen?
Mathias Modica: Vielleicht liegt es in meiner Natur. Ich bin Halbitaliener und die haben bekanntlich eine überausgeprägte Beziehung zu Sonnenbrillen. Außerdem mache ich mir viele Gedanken über Äußerlichkeiten und Ästhetik. David Niessen, der Geschäftsführer von Hyde’s, wusste davon und fragte mich vor zwei Jahren, ob ich eine Idee für ein Modell hätte.

ZEITmagazin: Wovon haben Sie sich inspirieren lassen?
Modica: Für mich geht es nicht darum, irgendetwas zu tragen, weil es dem Zeitgeist entspricht. Ich finde es viel interessanter, wenn man über einen individuellen Charakter nachdenkt. Als die Idee mit der Sonnenbrille aufkam, haben gerade alle die klassische „Wayfarer“ kopiert…

ZEITmagazin: … ein quadratisches Modell von Ray-Ban.
Modica: Wenn ich schon eine Brille entwerfe, dachte ich mir, dann muss es ein Gegenprodukt dazu sein. Ich habe mich am amerikanischen Label Moscot Miltzen orientiert. In den 40er, 50er und 60er Jahren hat es sehr schöne, runde Brillen hergestellt. Andy Warhol hat zum Beispiel ein Modell getragen und auch Truman Capote.

ZEITmagazin: Wie viele Sonnenbrillen besitzen Sie?
Modica: Sehr viele. Ich hatte mal eine Phase, in der ich allen möglichen Kram gesammelt habe, unter anderem auch Sonnenbrillen. Zu Hause habe ich eine kleine Kollektion von Flohmarkt- und Vintage-Brillen mit obskuren Formen und Geschichten.

ZEITmagazin: Ihr letzter Kauf?
Modica: Eine Fliegerbrille, die angeblich noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammt. Ein Taucher hat sie in einer alten Kiste im Tegernsee gefunden. Ich versuche gerade zu verifizieren, ob das stimmt. Aber der Mann, der sie mir verkauft hat, soll sehr vertrauenswürdig sein. Ich glaube ihm.

ZEITmagazin: Gibt es ein Stilvorbild in Ihrem Leben?
Modica: Francesco Clemente, ein italienischer Maler. Er ist Mitte der 70er Jahre nach New York gegangen und ein großer Individualist. Sein Spleen ist es, Schuhe ohne Schnürsenkel zu tragen. Eine lustige Idee, fand ich. Jetzt trage ich auch keine Schnürsenkel mehr

Am 25.2. erscheint übrigens unter dem Titel „The Bird and the Beat“ das dritte Album von Munk. Die erste Single daraus kann man bereits hier hören

Die Fragen stellte Lisa Strunz

 

Proust-Fragebogen für Blogger (3)

(c) Silvia Bandini Glaser

Peter Glaser ist Schriftsteller und Autor des Blogs Glaserei, das Kuriosa und Phänomene der digitalen Welt beschreibt und bei den Lead Awards 2010 als Weblog des Jahres gewürdigt wurde. Glaser selbst fasst sein Leben so zusammen: „1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hoch-wertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin.“

Was ist für Sie das vollkommene Blog? Frage verfehlt. Blogs sind work in progress. Vollkommenheit ist etwas Furchtbares. Das Ende jeder Entwicklung. Stillstand, erfrorene Schönheit.

Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten? Ich identifiziere mich nicht mit Bloggern. Ich hab schon so genug zu tun.

Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? Als kulturelles Trüffelschwein zu fungieren.

Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? Schreiben.

Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit? Ständig, ich bin ja Schriftsteller.

Ihr Lieblingsheld im Netz? Nachgedacht, keine Idee.

Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit? Donald Duck. Diese durch keine noch so widrigen Umstände erschütterbare Zuversicht.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? Dass sie geruchlos sind und trotzdem Geschmack besitzen können.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? Freundlichkeit, Sinn für’s Lakonische und eine gewisse Freude, am Leben zu sein.

Was mögen Sie im Netz am wenigsten? Idioten.

Was stört Sie an Bloggern am meisten? Wenn sie nachlässig schreiben und nichts daran ändern.

Was stört Sie an sich selbst am meisten? Ich rede zu viel.

Ihr glücklichster Moment als Blogger? Als ich begriffen habe, dass die Leute meine Beiträge nicht ab Freitagnachmittag komplett uninteressant finden, sondern dass sie aus dem Büro ins Wochenende gehen und andere Dinge tun als Blogs zu lesen.

Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger? Einen beträchtlichen Gewinn an Inspiration, Unterhaltung und Kenntnissen aus der regelmäßigen Durchsicht von etwa 600 handgepflückten Blogs ziehen zu können.

Über welches Talent würden Sie gern verfügen? Frei zu sprechen.

Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden? Als Katze (aber bei mir); es gibt etliche Katzen, die bloggen.

Ihre größte Extravaganz? Niemals Parmesan auf die Spaghetti. Und gelegentlich abends eine Tasse Tee auf der Terrasse des Old Cataract Hotels.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Klar.

Ihr Motto? Als Mann den Ernst wiederfinden, den man als Kind beim Spielen hatte

 

Der Weber

(c) Jamie Ige

(c) Travis Meinolf

Travis Joseph Meinolf hat sich in Berlin eine Webstube eingerichtet

ZEITmagazin: Wie sind Sie zum Weben gekommen?
Travis Joseph Meinolf: Ich habe vor elf Jahren einen Bachelor in Grafik- und Industriedesign an der San Francisco State University gemacht. Die ruhige und produktive Atmosphäre des Webraumes, mein Interesse für die Mechanik des Webstuhls und das Vergnügen mit den weichen, nachgiebigen Materialien zu arbeiten, hat mich nicht mehr losgelassen. Danach habe ich einen Master in Textilverarbeitung in Kalifornien gemacht.

ZEITmagazin: Welche Gefühle sind für Sie mit dem Weben verbunden?
Meinolf: Das wiederholende rhythmische Moment des Webens wird wie eine Trance. Während des Webens fühlt man sich mit den Menschen verbunden, die überall auf der Welt und durch die Geschichte hindurch die gleichen Bewegungen ausgeführt haben, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Die simple Herstellung von Gewebe.

ZEITmagazin: Für Sie ist das Weben mehr als Kunst und Hobby. Es wird auch zur sozialen Aktivität. Warum weben Sie Ihre Decken an öffentlichen Orten?
Meinolf: Erstens macht es meine Arbeit unterhaltsamer. Da ich nicht wie ein „typischer Weber“ aussehe, muss ich den Webstuhl mit nach draußen nehmen, um Kontakt mit den Menschen außerhalb der Galerien und Museen aufzubauen. Ich sammle dabei viele Geschichten über textile Traditionen aus verschiedensten Familien. Die halte ich in meinem Notizbuch fest.

ZEITmagazin: Was verbirgt sich hinter dem Begriff „social fabric“?
Meinolf: Social Fabric ist der Titel, den ich für ein laufendes Projekt benutze. Ich webe Stoffe, die beeinflusst werden von der Interaktion mit den Zuschauern. Meistens lasse ich sie die Farben auswählen. Die Stücke werden mit einer Dokumentation versehen; einem Foto des Entstehungsortes und meinen Notizen der verschiedenen Geschichten, die mir erzählt wurden. Die erste Version dieses Projektes fand in San Francisco statt und ist nun Teil der Skulpturen-Sammlung des SFMOMA.

ZEITmagazin: Momentan geben Sie auch Kurse am Webstuhl in Berlin. Aus welchen Gründen wollen Leute das Weben lernen?
Meinolf: Manche arbeiten an speziellen Projekten, die sie beenden möchten oder wollen neue Techniken ausprobieren. Ich baue für jeden Schüler einen Webstuhl, den er nach dem Kurs behalten kann. Manche kommen zu mir, weil sie gerne ein echtes Produktionsmittel in ihrer Wohnung stehen haben möchten! Außerdem ist es eine gute Gelegenheit Englisch zu reden, ohne zu viel darüber nachzudenken, denn jeder ist mit seinem Handwerk beschäftigt: dem Weben

Die Fragen stellte Undine Zimmer

 

Proust-Fragebogen für Blogger (2)

Marcel Proust machte den Fragebogen, wie man ihn sich Ende des 19. Jahrhunderts in den Pariser Salons zum geistreichen Zeitvertreib herumreichte, zum so genannten “Proust-Fragebogen” – seine Antworten gehören quasi zum Kanon der Weltliteratur. Was zu Prousts Zeiten die Salons waren, sind heute die Blogs. Deshalb haben wir unsere Lieblingsblogger gebeten, den Prousts Fragebogen für uns auszufüllen – wobei wir die Fragen natürlich dem digitalen Zeitalter angepasst haben.

In unserer zweiten Folge widmet sich Frederik Frede dem Fragebogen. Er ist der Macher des Blogs „Freunde von Freunden“: ein Interviewmagazin, das kreative Menschen vorstellt. Was die Gespräche mit Fotografen, Modedesignern oder Galeristen so lesenswert macht, ist ihre Offenherzigkeit und Ehrlichkeit. Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Interviewpartner an ihrer Wirkungsstätte plaudern, in ihren Studios und Ateliers. Illustriert werden diese Besuche mit großformatigen Fotos. Im vergangenen Jahr hat „Freunde von Freunden“ in der Kategorie „Webmagazin des Jahres“ den Lead Award in Silber gewonnen.

Was ist für Sie der vollkommene Blog? Einen vollkommenen Blog gibt es meiner Meinung nach nicht. Ein vollkommener Blog würde im Umkehrschluss ja bedeuten, dass sich das Internet nicht mehr weiterentwickelt, und das wäre gleichbedeutend mit einer Katastrophe.

Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten? Ich identifiziere mich eigentlich nicht mit Bloggern im Speziellen, sondern eher mit den Inhalten, Themen und Ideen eines Blogs.

Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? Ideen per Skype direkt auszutauschen und zu realisieren, wie schnell man online Dinge umsetzen kann.

Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? Reisen, die Welt erkunden und das Leben genießen.

Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit? Beim Ausfüllen von Stundenzetteln (Nachweise über erbrachte Arbeitsleistungen, Red.) ist es manchmal doch recht schwer, einen ganzen Monat zu rekonstruieren – womit wir auch direkt bei der Sinnhaftigkeit dieser Praxis wären.

Ihr Lieblingsheld im Netz? Oliver Reichenstein von „Information Architects“, weil er beweist, wie man Benutzerfreundlichkeit und gute Gestaltung miteinander verbindet.

Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit? Der Zeitschriftenerfinder Tyler Brûlé, weil er mithilfe seines internationalen Netzwerks auch ohne Internet allen Verlagen zeigt, wie man mit Qualität Erfolg haben kann.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? Ehrlichkeit und Authentizität.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? Das entspricht den Eigenschaften, die ich auch im Netz schätze.

Was mögen Sie im Netz am wenigsten? Alles, was zu lange lädt oder sinnlos versteckt ist, und ganz besonders den Satz „Dieses Video ist in ihrem Land nicht verfügbar“.

Was stört Sie an Bloggern am meisten? Der Unterschied zwischen realer Person und digital aufgebautem Image.

Was stört Sie an sich selbst am meisten? Das würde hier den Rahmen sprengen.

Ihr glücklichster Moment als Blogger? Wenn wir spontane E-mails von Leuten aus weit entfernten Ländern bekommen, die unsere Seite gerade erst entdeckt und den ganzen Sonntag damit verbracht haben.

Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger? Das Veröffentlichen von Inhalten ohne Verlags, Kunden- , Werbe- oder PR-Abhängigkeit.

Über welches Talent würden Sie gern verfügen? Fliegen, Atmen unter Wasser und Reiten.

Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden? Nur als Blogger wiedergeboren zu werden, wäre mir ein bisschen zu einseitig.

Ihre größte Extravaganz? Keinen Kühlschrank, kein Auto und kein TV zu besitzen.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Entspannt.

Ihr Motto? Live a Little

 

Proust-Fragebogen für Blogger (1)

Jessica Weiß © Les Mads

© Silke Werzinger / Berlin Verlag

Marcel Proust machte den Fragebogen, wie man ihn sich Ende des 19. Jahrhunderts in den Pariser Salons zum geistreichen Zeitvertreib herumreichte, zum so genannten „Proust-Fragebogen“ – seine Antworten gehören quasi zum Kanon der Weltliteratur. Was zu Prousts Zeiten die Salons waren, sind heute die Blogs. Deshalb haben wir unsere Lieblingsblogger gebeten, den Fragebogen für uns auszufüllen. Wobei wir die Fragen etwas abgewandelt haben und die Blogger zum Beispiel nicht danach fragen, welche militärische Leistung sie am meisten bewundern. Den Anfang macht Jessica Weiß, die gemeinsam mit Julia Knolle 2006 das inzwischen erfolgreichste deutsche Modeblog Les Mads gründete. Gerade ist im Berliner Taschenbuch Verlag das Buch zum Blog erschienen: „Modestrecke – Unterwegs mit Les Mads“. „Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag?“ fragt darin Julia Knolles 83-jährige Oma. Die Antwort: „Rund um die Uhr online gehen, informiert bleiben, andere Blogs lesen und versuchen, eine ausgewogene Mischung aus Informationen und subjektiver Berichterstattung hinzukriegen.“ Diese Woche wird es besonders stressig: Morgen beginnt in Berlin die Fashion Week

Was ist für Sie das vollkommene Blog? Aktualität, Inspiration und Neuartigkeit in einem

Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten? Mit all den Bloggern, die genauso wie ich bis spät in die Nacht an ihrer Seite arbeiten

Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung? Stöbern und sich von Seite zu Seite hangeln

Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung? Städte bereisen

Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit? Lieber schreibe ich gar nichts, als auf Unwahrheiten ausweichen zu müssen

Ihr Lieblingsheld im Netz? Natalie Massenet von net-a-porter.com. Ich liebe diese Seite nicht nur zum Shoppen, sondern auch wegen all den gelungenen technischen Umsetzungen

Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit? Meine kleine Schwester

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen? Ich schätze einen eigenen Stil verbunden mit Aktualität und Durchhaltevermögen

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen? Der erste Eindruck zählt ja bekanntlich, und da gefallen mir Offenheit, Humor und Aufrichtigkeit

Welches Blog hätten Sie selbst gern erfunden? Ich muss gestehen, sehr zufrieden mit dem zu sein, das wir selbst gegründet haben

Was mögen Sie im Netz am wenigsten? Anonymität

Was stört Sie an Bloggern am meisten? Dass sie gern Quellenangaben vergessen

Was stört Sie an sich selbst am meisten? Ich nehme vieles zu persönlich

Ihr glücklichster Moment als Blogger? Der Lead Award

Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger? Meine Multitaskingfähigkeit und die daraus resultierende Schnelligkeit

Über welches Talent würden Sie gern verfügen? Ich würde gern singen können. Um meine Lieblingslieder alle lauthals mitbrüllen zu können, ohne meine Umgebung damit zu belästigen

Ihre größte Extravaganz? Alle zwei Monate zum Frisör zu gehen

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Zufrieden

Ihr Motto? Augen zu und durch

 

Ghettoblaster für 2011

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

(c) Thomas Mulsow

Ja, es stimmt, diese hochmodernen, zigarettenschachtelgroßen Boxen bekannter Premiummarken klingen super und stehen nicht im Weg herum. Aber eins können sie nicht: So lustig, cool und liebenswert auszusehen wie die guten alten Ghettoblaster. Thomas Mulsow, der 40 solcher Stücke besitzt, hat das Dilemma zumindest für ein Jahr gelöst – mit einem Ghettoblasterkalender.

ZEITmagazin: Bevor du zum Kalendermacher wurdest, warst du ja Sammler. Woher kam diese Leidenschaft?

Thomas Mulsow: Ich wollte vor zwei Jahren mit einem Freund auf ein Musikfestival fahren und brauchte noch ein Radio. Die neuen Geräte in den Elektronikmärkten sahen irgendwie billig und langweilig aus. Durch Glück bin ich dann an meinen ersten klassischen Ghettoblaster gekommen. Ich bin dann auf ein Sammlerforum im Internet gestoßen, von da an gab es kein Halten mehr.

ZEITmagazin: Erzähl uns mehr von Deiner Sammlung…

Mulsow: Ich habe im Moment etwa 40 Ghettoblaster. Ich mag die klassische Bauform, wie ich sie in meinem Kalender zeige. Also ein einzelnes Gehäuse mit großen Basslautsprechern vorn und dem Tapedeck dazwischen. Diese Form wurde Mitte der 80er von den dreiteiligen Modellen verdrängt, wo man die Boxen an den Seiten abnehmen konnte. Dadurch wurde zwar der Klang besser, aber sie sahen mehr und mehr aus wie Stereoanlagen.

ZEITmagazin: Wie kamst du auf die Idee, aus deiner Sammlung einen Kalender zu machen?

Mulsow: Das lag nahe. Ich hatte im Sommer angefangen, meine Sammlung zu fotografieren, und bekam viele positive Reaktionen auf meine Bilder. Ürsprünglich wollte ich nur ein paar Kalender für Freunde machen. Aber dann habe ich mich entschieden, in kleiner Auflage zu drucken und den Kalender in Berliner Läden zu verkaufen. Das hat erstaunlich gut funktioniert.

ZEITmagazin: Beruflich bist du ja Produktdesigner – hast du da auch mit Hifi-Anlagen zu tun?

Mulsow: Nein, die Verbindung ist eine andere: Ich bin seit über zehn Jahren DJ und quasi mit der HipHop-Kultur aufgewachsen. Von damals kannte ich Ghettoblaster nur von Plattencovern. Als Designer fasziniert mich die Wirkung, die diese Geräte noch heute auf die Menschen haben: Obwohl kaum jemand mehr Kassetten hört, finden sich Ghettoblaster in aktuellen Musikvideos, in Werbeclips oder auf T-Shirts. Sie sind noch immer Ikonen für Jugendkultur.

Die Fragen stellte Florian Bamberg

Der Kalender ist so schön, dass er leider bereits ausverkauft ist. Da die Vorfreude bekanntlich die schönste ist, können wir jetzt 11 Monate glücklich sein. Und die Bilder hier angucken

 

Produktdesign BPitch Control

(c) Danny Schmidt

(c) Danny Schmidt

Es ist nun nicht so, dass Ellen Allien sonst nichts zu tun hat. Aber seit einiger Zeit ist die Technoproduzentin, DJane und Inhaberin des Berliner Labels BPitch Control, bei dem unter anderem Paul Kalkbrenner berühmt wurde, auch Produktdesignerin. In ihrer Merchandise-Palette findet sich unter anderem…

ZEITmagazin: Ein Dominospiel – das wäre nun nicht gerade unser erster Tipp für ein Merchandiseprodukt eines hippen Berliner Technolabels gewesen.

Ellen Allien: Domino habe ich mit meiner Schwester immer gespielt… auch gerne mit einer Flasche Rotwein, als wir älter waren. Ich liebe dieses Spiel, es ist immer spannend und ich habe viele schöne Erinnerungen daran, deshalb wollte ich es ins BPC-Muster bringen.

ZEITmagazin: Die Merchandise-Palette beschränkt sich bei vielen anderen Independent-Labels auf das eine oder andere T-Shirt. Nicht so bei Dir. Wie kommt’s? Eher der Spaß am Entwerfen oder spielen auch Erwägungen eine Rolle, wie man heute als Label sein Geld verdient?

Allien: Es ist auf jeden Fall eine Spaß-Sache – es geht um die Freude am Entwickeln und Designen. Wir machen das, was wir selber lieben, und hoffen, dass es andere auch zu schätzen wissen. Es ist nicht immer einfach – viele Produkte kosten uns in der Herstellung eine Menge, dann ist auch der Preis für den Käufer hoch. Das mögen manche nicht, und beschweren sich bei Facebook.

ZEITmagazin: Wie kommst Du auf die Ideen?

Allien: Auf Reisen, im Flieger und Zug kommt die Muse am liebsten zu mir. Auch unsere Meetings sind oft eine gute Quelle. Unser Team hat zum Glück Lust auf Bewegung und Miteinander, außerdem haben wir kurze Wege – so können wir viel mehr Ideen umsetzen als große Firmen.

Die Fragen stellte Florian Bamberg