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Ausstellung „Die schönsten deutschen Bücher 2010!“

(c) Do you read me?!

Die Idee zu einer Neuauflage des Buchladens hatte Mark Kiessling schon länger. 2008 gründete er dann zusammen mit Jessica Reitz do you read me?! in der Auguststraße in Berlin-Mitte – eine Print-Oase, in der außergewöhnlich gestaltete Magazine und kleinere Publikationen Zuflucht finden. Eine Fundgrube für bis dato unbekannte Titel und Autoren, die ihre Lebendigkeit und ihren Charme aus der Mischung unzähliger nationaler und internationaler Titel bezieht. Im Herbst letzten Jahres eröffneten sie in der Potsdamer Straße in Berlin- Tiergarten den dazugehörigen Reading Room – eine Neuinterpretation des klassischen Lesesaals, ausgestattet mit Möbeln von Artek, und eine Bereicherung des dort wachsenden kulturellen Angebots. Heute startet dort die erste Veranstaltungsreihe und Ausstellung diesen Jahres in Zusammenarbeit mit der Stiftung Buchkunst. Die Stiftung kürt jährlich die schönsten deutschen Bücher vom Fotoband bis zum Schulbuch nach den Kriterien: Konzeption, grafische Gestaltung, Typografie, Qualität der Bilder/Illustrationen, Ausstattung, Papier, Druck und buchbinderische Verarbeitung. An vier Abenden wird erkundet, wie aus Ideen, Konzepten und der Zusammenarbeit von Autoren, Gestaltern und Verlegern ein wirklich schönes Buch wird. Heute zur Ausstellungseröffnung von „Die schönsten deutschen Bücher 2010“ werden Uta Schneider (Stiftung Buchkunst) und Prof. Heike Grebin (Jury-Mitglied) in die Reihe einführen. In den folgenden Veranstaltungen werden einige der ausgezeichneten Bücher von ihren Autoren und Gestaltern vorgestellt sowie Fragen rund ums Büchermachen diskutiert.

ZEITmagazin: Das Programm geht der Entstehungsgeschichte eines schönen Buches auf den Grund. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Mark Kiessling: Wir werden jeden Abend der Veranstaltungsreihe den Prozess des Büchermachens aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Es geht um die Idee zu einem Buch, den Weg der Entstehung und um die Entscheidungen, die von den verschiedenen Beteiligten getroffen werden. Wie arbeiten sie zusammen? Wer nimmt wie auf wen Einfluss? Am 1. März wird es mit Oswald Egger, Nina Knapitsch und Jan Wenzel verstärkt um Autorenschaft gehen – darum, ob bei den heutigen beschleunigten und simultanen Arbeitsprozessen nicht der Begriff des Autors, als einzelne Person, durch den einer kollektiven Autorenschaft ersetzt werden müsste. Die Veranstaltung Autor = Gestalter (8. März) widmet sich den Arbeiten von Jenna Gesse und Juli Gudehus, die ihre Werke von der Idee bis zum fertigen Buch komplett in Eigenregie umgesetzt haben. Hier wird interessant werden, mit wem die beiden ihre Kompromisse schließen mussten und womit man allgemein am meisten hadert, wenn von der Idee bis zur Umsetzung alles aus der eigenen Hand kommt.

ZEITmagazin: Wie sind die Paare oder Kombinationen der Gäste für die verschiedenen Abende zusammengekommen?

Mark Kiessling: Alle die eingeladen sind haben bei dem Wettbewerb eine Auszeichnung erhalten oder eine Rolle gespielt, zum Beispiel als Jury-Mitglied. Aus thematischen Zusammenhängen oder Übereinstimmungen haben sich dann die Themen und Gäste der Abende ergeben – so werden zum Beispiel Gaston Isoz und Helmut Völter, beide solide Typografen und Buchgestalter, am 23. Februar über die Zusammenhänge von Idee, Konzept und Form diskutieren.

ZEITmagazin: Was ist das Besondere an dem Lyrik- Buch „Die ganze Zeit“ von Oswald Egger und Nina Knapitsch, die damit im Jahr 2010 den ersten Preis der Stiftung Buchkunst errungen hat?

Mark Kiessling: Die Gestaltung des Buches bezieht sich voll und ganz darauf, wie Oswald Egger in seinem lyrischen Text das fortlaufende Nachdenken über das Denken beschreibt. Der eigenwillige Satz unterstreicht seine sprachlichen Experimente nicht nur, sondern macht sie teilweise erst möglich. „Die ganze Zeit“ ist also nicht nur mit Bedacht gesetzt, sonder wirklich Zeile für Zeile typografisch erarbeitet. Ein wunderbares Beispiel für die bereits oben erwähnte kollektive Autorenschaft.

ZEITmagazin: Wann empfinden Sie persönlich ein Buch als schön?

Mark Kiessling: Da ich selbst Gestalter, also ein eher visueller Mensch bin, beurteile ich ein Buch zugegebener Maßen als erstes nach dem Äußeren. Aber ich habe auf diese Art sicherlich schon vieles in die Hand genommen, was mich rein thematisch sonst nicht erreicht hätte. Umgekehrt, habe ich mit schlecht gemachten Titeln so meine Probleme, denn eigentlich gibt es keinen guten Grund für schlechte Gestaltung. Kurz: Inhalt und Form müssen miteinander können, dann ist es mir egal ob es sich um einen Groschenroman oder hohe Buchkunst handelt.

ZEITmagazin: Immer wenn ich auf den Straßen Berlins einen „do you read me?!“- Beutel sehe, stimme ich automatisch das gleichnamige Lied von Ghinzu an. Andere haben sofort den Song von Rory Gallagher im Ohr – Absicht?

Mark Kiessling: Da könnte ich jetzt noch weniger mitsingen, als an Weihnachten die dritte Strophe von Stille Nacht… Nein, die Namenswahl ist ganz und gar nicht musikalischen Ursprungs.

Die Fragen stelle Marisa Schulz

 

 

 

Der Künstler Guy Laramee

(c) Guy Laramee

(c) Guy Laramee

ZEITmagazin: Wie kommt man auf die Idee, Landschaften aus Büchern zu schneiden?

Guy Laramee: Während meines Masters in Anthropologie habe ich gleichzeitig in einer Metallwerkstatt gearbeitet. Auf einmal kam mir die Idee, ein Buch in einen Sandstrahler zu legen und BOOM – da war die Idee!

ZEITmagazin: Woher bekommen Sie die Bücher, die Sie für Ihre Werke benutzen?

Guy Laramee: Von Antiquariaten. Neuerdings bieten Leute mir ihre alten Bücher an. Bitte lasst das! Mein Lagerraum quillt über!

ZEITmagazin: Welche Art von Büchern nehmen Sie für Ihre Arbeit? Müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen?

Guy Laramee: Unterschiedlich… Ich kaufe welche, ich finde Dinge, die mich beeinflussen und inspirieren. Früher habe ich nur Enzyklopädien und Wörterbücher benutzt – ich mochte Jorge Luis Borges , der nicht nur Schriftsteller, sondern auch Bibliothekar war, und die Landschaften Gerhard Richters, beide haben mich sehr beeinflusst. Jetzt bin ich offener. Für mein Werk „The Great Wall“ habe ich chinesische und japanische Bücher  benutzt.

ZEITmagazin: Viele Menschen erachten Bücher als etwas Heiliges und Unantastbares. Sie offenbar nicht.

Guy Laramee: Aus anthropologischer Sicht ist das, was ich mache, eine Opferung. Während des Rituals wird das Opfer heilig, gerade weil es geopfert wird. Manche Menschen würden das Opfer gern vor seinem Schicksal retten. Aber in diesem Denken zeigt sich, dass ihnen der Gedanke an die Vergänglichkeit aller Dinge nicht bewusst ist. Damit meine ich, dass Dinge und Menschen nicht für immer leben, und wir uns um sie kümmern müssen. In meiner Arbeit möchte ich zeigen, dass nichts endgültig ist, nicht unsere Gewissheiten über Welt, in der wir leben.

ZEITmagazin: Hatten Sie ein schlechtes Gewissen, als Sie Ihr erstes Buch zerschnitten haben? Wie fühlt es sich an, ein Buch zu zerstören?

Guy Laramee: Manchmal fühle ich mich schlecht. Es gibt heilige Texte, und ich habe es bis heute nicht übers Herz gebracht, diese Bücher kaputt zu machen. Die Bibel zum Beispiel. Ich würde niemals einen Koran zerschneiden, weil ich weiß, dass ich damit Menschen verletzten würde. Aber staubige Enzyklopädien sind okay. Die landen früher oder später sowieso auf dem Müll.

Die Fragen stellte Marisa Schulz

 

Espace Surplus

Diana Sirianni, Caramel Escape, 2011 (c) Heinrich Hermes

 

(c) Espace Surplus

Nicht jeder ist glücklich mit dem Berliner Galeriebetrieb. Was avantgardistisch und abstrakt aussieht, es vielleicht auch ist, ist für viele gedanklich unzugänglich. Was aber nützt die Kunst, wenn sie den Menschen nicht erreicht? Bettina Springer und Barbara Krijanovsky schaffen dem Abhilfe: „Espace Surplus“, ihre „Schule für Sinn und Sammeln“, bringt Interessierten die Kunst und den Kunstkauf nahe. Mehr Informationen gibt es hier.

ZEITmagazin: Frau Springer, Frau Krijanovsky, Sie nennen sich „Espace Surplus – Schule für Sinn und Sammeln“. Wieso braucht die Welt Espace Surplus?
Espace Surplus: Espace Surplus gibt es schon seit 2006, die „Schule für Sinn und Sammeln“ seit September. Unser Konzept hat sich aus der vorigen Arbeit entwickelt, in der wir nur Ausstellungen gemacht haben, die uns gefallen haben – jetzt finden wir, dass das zu wenig ist. Hinzu kommt die Einsicht, dass viele Menschen ein großes Interesse an Kunst entwickeln, es aber immer noch eine Hemmschwelle gibt, sich Kunst anzueignen – aus mangelndem Wissen etwa, oder aus Respekt vor den großen Galerien. Wir wollten zeigen, dass Menschen Kunst aus Erkenntnis kaufen. Es gibt ein großes Bedürfnis, zeitgenössische Kunst zu verstehen, aber das Angebot an Vermittlung ist sehr gering – und ohne Vermittlung oder Hilfestellung ist zeitgenössische Kunst kaum lesbar. Wir wollen Kunst nicht nur zeigen, sondern mit ihr arbeiten.

ZEITmagazin: Wie erklären Sie jemandem, der nichts von Kunst weiß, was Espace Surplus ist?
Espace Surplus: Es geht uns darum, einen Zugang zur Kunst zu entwickeln. Es ist wichtig, Kunst nicht von oben, didaktisch zu erklären, sondern eher „bottom-up“. Dabei ist es beispielsweise von Bedeutung, Entstehungsprozesse aufzuzeigen – wir setzen uns immer mit dem Künstler zusammen und entwickeln eine Ausstellung zu einem bestimmten Thema gemeinsam. Wir wollen das Netzwerk durchsichtig machen, eine Entmythisierung betreiben. Kunst muss aus dem Betrachter heraus verstanden werden.

ZEITmagazin: Sie waren offenbar mit dem aktuellen Kunstbetrieb in Berliner Galerien unzufrieden. Was unterscheidet Espace Surplus von anderen Galerien?
Espace Surplus: Der Punkt ist: wir sind keine Galerie. Wir verkaufen zwar auch Kunst, aber das ist eher ein kleiner Aspekt. Wir haben ein System entwickelt, dass man bei uns eine Art Mitglied innerhalb eines Abosystems wird. Wer Mitglied ist, hat die Möglichkeit, zusätzlich zu denAusstellungen Veranstaltungen zu bestimmten Themen zu besuchen, gleichzeitig sammelt man monatlich Geld an, mit dem man nach einer gewissen Zeit Kunst bei Espace Surplus direkt kaufen kann. Wir machen immer nur eine Ausstellung mit einem Künstler – und binden die Künstler nicht an uns.

ZEITmagazin: Sie schaffen etwas Neues und gestalten sowohl einen thematischen als auch einen reellen Raum. Sehen Sie sich selbst denn als Künstler?
Espace Surplus: Nein. Wir sind keine Künstler, wir stehen an der Schnittstelle, werden sowohl theoretisch als auch ästhetisch zum Bindeglied werden zwischen Künstler und Interessierten.

ZEITmagazin: Nach welchen Kriterien suchen Sie Künstler für Espace Surplus aus?
Espace Surplus: Komplett intuitiv, beruhend auf unserer Urteilskraft, Wissen und Erfahrung. Wir gehen zu Rundgängen, in Diplomausstellungen. Es ist das, was uns gefällt, etwas, womit wir arbeiten können. Nicht mehr und nicht weniger.

ZEITmagazin: Espace Surplus ist auch Forum für Sammler. Würde es Kunst auch ohne Kunstsammler geben?
Espace Surplus: Natürlich. Man muss unterscheiden zwischen Kunstsammlern und Kunstrezipienten. Die Künstler müssen natürlich von etwas leben, aber das Wichtigste ist, dass Kunst wahrgenommen wird. Dass das Ganze dann gegen Geld „eingetauscht“ wird, ist der nächste Schritt, aber Kunst würde es auch ohne ihre Käufer geben, ganz sicher.

ZEITmagazin: Berlin wird vor allem seit 1990 immer wichtiger für den internationalen Kunstbetrieb. Warum?
Espace Surplus: Die Kunstwelt unterliegt einfach bestimmten Zyklen. New York wurde von Paris abgelöst, dann kamen andere Städte dazwischen, in denen sich Avantgarden bildeten, auch beispielsweise in München. Jetzt gerade ist es eben Berlin. Nach dem Fall der Mauer gab es viele Freiräume, topographische und ästhetische Leerstellen– in anderen Städten sind Arbeitsräume für Künstler kaum bezahlbar. In Berlin ist es einfach noch möglich gewesen, nicht in die Peripherie gedrängt zu werden. Das war der einzige Grund.

ZEITmagazin: Gehört Kunst zum alltäglichen Leben?
Espace Surplus: Berlin ist natürlich was Kunst angeht nicht repräsentativ für den Rest Deutschlands oder die Welt. Aber es ist definitiv so, dass es das Bedürfnis gibt, Kunst zu integrieren, sich mit ihr auseinanderzusetzen, sich mit ihr zu umgeben. Den meisten Menschen fehlt das Wissen und der Zugang – auch ganz einfach die faktischen Möglichkeiten.

ZEITmagazin: Kunst kann kommentieren und analysieren, auch katalysieren. Aber kann sie Dinge wirklich ändern?
Espace Surplus: Wir haben uns davon entfernt, Antworten zu finden oder geben zu wollen. Stattdessen stellen wir Fragen. Es ist schwierig zu sagen, ob Kunst Lösungen finden kann. Es macht gute Kunst aus, dass man sie vielgestaltig lesen und mannigfaltig interpretieren kann. Kunst kann es schaffen, die Fragen, die wir stellen zu verändern, und gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten als fragwürdig darzustellen. Es geht um Bewusstmachung.

ZEITmagazin: Denken Sie philosophisch, visuell oder reell?
Espace Surplus:  Wir als Duo teilen uns da schon sehr gut auf: die eine philosophisch, die andere visuell.

Die Fragen stellte Hella Schneider

 

 

James Kim – Airframe

(c) James Kim/ designboom

(c) James Kim/ designboom

(c) James Kim/ designboom

Da einigen Menschen die eindrucksvollen Aussichten aus einem Passagierflugzeug durch eine handfeste Aviophobie vergönnt bleibt, bietet James Kim nun eine Alternative an. Er spielt mit der Innenoptik von Großraumflugzeugen und macht aus dem heimischen Wohnzimmer einen Jet im Tieflug über euer liebstes Foto. Die Bilderrahmen wurden Flugzeugfenstern nachempfunden und setzen jedes Luftbild in den richtigen Kontext

 

Irving Penn Ethnos

(c) The Irving Penn Foundation

(c) The Irving Penn Foundation

(c) Condé Nast Publications

Bekannt wurde Irving Penn als Mode- und Porträtfotograf, doch zog es ihn jahrzehntelang nach Afrika, Lateinamerika und Malaysien, wo er indigene Volksstämme fotografierte. Diese Arbeiten werden ab morgen, den 2. Dezember, erstmals unter dem Titel ETHNOS in der Bernheimer Fine Old Masters Galerie in München ausgestellt. Sehenswert!

 

 

Michel Majerus

Michel Majerus ist ein luxemburgischer installativ arbeitender Maler, der 2002 beim einem Flugzeugabsturz umkam. Seine Arbeiten sind eine Mischung aus Motiven der Werbung, Comics und der digitalen Welt. Seine Kreativität kannte keine Grenzen und ging durch durch alle Varianten der Pop und Minimal Art. Dadurch schuf er eine einzigartige Bildersprache, die ihm zu einem wichtigen Impulsgeber gemacht hat. Seine Werke sind bis 09. April 2012 im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen

 

Where is Japan

(c) Andri Pol

(c) Andri Pol

(c) Andri Pol

Wer seinen Japanhorizont erweitern möchte, sollte sich die Ausstellung von Andri Pol „Where is Japan“ anschauen. Der Schweizer Fotograf zeigt uns Bilder, die man so nicht kennt und vor allem nicht erwartet. Sumo-Ringer in der Telefonzelle? Sicher, wieso nicht. Solch skurrile Momente und andere erwarten einen in der vhs-photogalerie in Stuttgart bis zum 29.01.2012

 

Uli Westphal

(c) Uli Westphal

Der Künstler Uli Westphal fotografiert für sein Projekt MUTATOES auf Wochenmärkten Obst und Gemüse, das lustig aussieht. Für ihn sind es die „letzten Überlebenden biologischer Vielfalt“