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Zum Auftakt der Berliner Modewoche: Die ZEITmagazin KONFERENZ Mode & Stil

Nadine Baier (links) und Stefanie Kämmerle von Mercedes-Benz und ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend
Nadine Baier (links) und Stefanie Kämmerle von Mercedes-Benz mit ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend

 

Tillmann Prüfer, Style Director und Mitglied der Chefredaktion des ZEITmagazins
Tillmann Prüfer, Style Director und Mitglied der Chefredaktion des ZEITmagazins

 

Illustrator Christoph Niemann (links) und ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend
Illustrator Christoph Niemann (links) und ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend

 

Die Fotografinnen Frederike Helwig, Heji Shin und Hanna Putz im Gespräch mit ZEITmagazin-Redakteurin Elisabeth Raether (von links nach rechts)
Die Fotografinnen Frederike Helwig, Heji Shin und Hanna Putz im Gespräch mit ZEITmagazin-Redakteurin Elisabeth Raether (von links nach rechts)

 

Cyprien Gallaird (links) und Moritz von Uslar
Cyprien Gaillard (links) und Moritz von Uslar

 

Maria Exner, Redakteurin ZEIT Online, Thomas Bentz und Oliver Lühr von Achtland, Marie-Christine Statz, Gauchère, Vladimir Karaleev und Tillmann Prüfer (von links nach rechts)
Maria Exner, Redakteurin ZEIT Online, Thomas Bentz und Oliver Lühr von Achtland, Marie-Christine Statz von Gauchère, Vladimir Karaleev und Tillmann Prüfer (von links nach rechts)

 

Die Grafikdesigner Johannes Erler, Mirko Borsche, Mario Lombardo und Lars Harmsen (von links nach rechts)
Die Grafikdesigner Johannes Erler, Mirko Borsche, Mario Lombardo und Lars Harmsen (von links nach rechts)

 

Der me Collectors Room in der Auguststraße in Berlin-Mitte
Der me Collectors Room in der Auguststraße in Berlin-Mitte

 

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MN3B3852In Berlin beginnt morgen, am 2. Juli, die Mercedes-Benz Fashion Week, und zum Auftakt fand die erste ZEITmagazin-Konferenz Mode & Stil statt: Es waren Künstler, Fotografen, Illustratoren und Designer eingeladen, um im me Collectors Room in der Auguststraße in Berlin-Mitte vor rund 250 Teilnehmern über ihre Arbeit zu sprechen.

Der Zeichner Christoph Niemann erzählte mit viel Selbstironie und zur großen Begeisterung des Publikums davon, wie es ist, als Kreativer jeden Tag irgendwo eine gute Idee hernehmen zu müssen. Die Modefotografinnen Frederike Helwig, Hanna Putz und Heji Shin sprachen über Schönheit und Nacktheit mit und ohne Photoshop. Der in Berlin lebende französische Künstler Cyprien Gaillard stellte sich Moritz von Uslars 99 Fragen. Mirko Borsche, der die Gestaltung des ZEITmagazins verantwortet, lieferte sich mit seinen Kollegen, den Grafikdesignern Lars Harmsen und Mario Lombardo, einen Designer-Battle, über dessen Sieger am Ende das Publikum abstimmte (Mario Lombardo).

Die Hauptfiguren dieser Woche, die jungen Designer und Gründer, die in Berlin ihre Kollektionen zeigen werden, kamen natürlich auch zu Wort: Thomas Benz und Oliver Lühr von Achtland, Vladimir Karaleev, Gründer und Designer des gleichnamigen Labels, und Marie-Christine Statz von Gauchère Paris.

So viel Spaß hat es uns und dem Publikum gemacht, dass wir uns ermutigt fühlen, bei der nächsten Berliner Modewoche gleich wieder zu einer Konferenz einzuladen.

(Die ZEITmagazin KONFERENZ fand in Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz statt.)

Fotos: Sina Preikschat

 

Gallery Weekend Berlin 2013

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(c) Valie Export, Courtesy Charim Galerie Wien, Galerie ZAK | BRANICKA, Berlin

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(c) Paul McDevitt, Courtesy Sommer & Kohl, Berlin

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(c) Maria Lassnig, Courtesy Capitain Petzel, Berlin

Es ist wieder soweit: Von 26. – 28. April öffnen 51 Berliner Gallerien ihre Pforten für alle Kunstliebhaber. In 66 Ausstellungen wird ein umfassender Überblick der aktuellen Strömungen des Kunstmarkts gezeigt. Von der Moderne bis zur jüngsten Gegenwart ist für jeden etwas dabei. Um nichts zu verpassen, empfiehlt es sich eine Route zu planen. Auf der Webseite des Gallery Weekends kann man sich einen übersichtlichen Plan aller teilnehmenden Gallerien herunterladen. Für alle, die es lieber neumodisch wollen: Es gibt sogar eine Gallery-Weekend-App.

Hier ein paar empfehlenswerte Auszüge aus dem Programm:

Zak | Branicka – VALIE EXPORT: Das besondere Augenmerk der Ausstellung „Bilder der Berührung“ liegt auf den Arbeiten der Künstlerin, in denen Berührung und Implikationen von Berührung in verschiedenen Medien, darunter Installation, Zeichnung, Fotografie, Video und archiviertes Material, Ausdruck finden. Als eine Schlüsselfigur der zeitgenössischen Kunst seit den sechziger Jahren hat VALIE EXPORT eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Performance-Kunst, Feminismus und Aktionskunst sowie konzeptueller Fotografie und Film gespielt.

Johnen Galerie – Hans-Peter Feldmann: In „Kunstausstellung“ stellen Bilder und Objekte aus verschiedensten Quellen, vor allem aus der Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Schwerpunkt dar. Feldmann knüpft immer wieder an die Geschichte der Bildproduktion in ihrer ganzen kulturellen Breite an, von der Hochkunst über handwerkliche Massenproduktion, von Kinderbüchern bis hin zu Fotografie und Postkarten. Mit oftmals humorvollen Eingriffen gelingt es ihm, das Bildmaterial in einen aktuellen Kontext zu stellen.

Capitain Petzel – Maria Lassnig: Die Österreicherin befasst sich in Malerei und Zeichnung seit dem Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit in den 1940er Jahren fast ausschließlich mit dem Thema der Visualisierung von inneren Körperempfindungen. Maria Lassnig, 1919 geboren, hat mit ihrem Werk große internationale Aufmerksamkeit erlangt, insbesondere durch ihre Teilnahmen an der Biennnale von Venedig 1980, der documenta 1982 und der documenta 1997. Bei Capitain Petzel werden überwiegend direkt aus dem Atelier der Künstlerin stammende Malereien und Zeichnungen gezeigt.

Carlier | Gebauer – Michel François: In der Einzelausstellung von Michel François „Proof of Evidence“ werden neue Objekte wie in einer Asservatenkammer inszeniert und der Ausstellungraum wird zum Schauplatz. Unabhängig vom Medium oder Material werden bei François Objekte zu Skulpturen, aus denen er Inspiration für seine Fotografien, Videos, Installationen, Performances und kuratorischen Projekte zieht. Kirsi Mikkola / Jessica Rankin: Neben den Arbeiten von Michel François sind im Projektraum Arbeiten von Jessica Rankin und im Showroom Werke von Kirsi Mikkola zu sehen.

Sommer & Kohl – Paul McDevitt: Der Ausstellungstitel „A Life Without Shame“ bezieht sich auf Adam Smiths wegweisenden Text über den globalen Kapitalismus, der in der schottischen Stadt Kirkcaldy entstand. In den letzten Jahren von der Rezession stark betroffen, fotografierte McDevitt dort unter anderem die Schaufenster der leerstehenden Geschäfte. Aus diesen Fotografien entstand eine neue Gruppe von Gemälden, die in der Ausstellung zu sehen sind. Zu sehen ist auch eine zweite Werkgruppe bestehend aus Zeichnungen der fortlaufenden Serie „Notes to Self“.

Gallery Weekend Berlin
Freitag, 26. April, von 18-21 Uhr
Samstag, 27. und Sonntag, 28. April 2013, von 11-19 Uhr
http://www.gallery-weekend-berlin.de

 

Modeschmuck

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Modeschmuck, einst verpönt, wird heute im Museum ausgestellt. „Luxury for Fashion“ zeigt in der Lipperheideschen Kostümbibliothek in Berlin Stücke der letzten Jahrzehnte (bis 6. Oktober).

(c) Martin Gosewisch / Staatliche Museen zu Berlin

 

 

Here She Comes Now

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David Bowie, gemalt von Elizabeth Peyton: Ein Highlight für alle Hipster. Die Ausstellung findet deshalb in Baden-Baden statt (bis 23. Juni).
(c) Elizabeth Peyton 2013, Sammlung von Steven F. Roth

 

Kunstschatz

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Dieses Schiff ist eine Tischdeko von 1585. Es fährt, die Musikanten musizieren. Zu bewundern in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien.
(c) Kunsthistorisches Museum Wien

 

Talisman

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Die Künstlerin Loukia Richards weiß, wie man aus alten Textilien, die sie auf der Straße einsammelt, reizende Dinge wie diesen Talisman macht.

(c) Christoph Ziegler / ZLR

 

Anahita Razmi – Automatic Assembly Actions

Bildschirmfoto 2013-02-26 um 14.50.11

Wer fährt schon freiwillig in den Iran, das ist doch viel zu gefährlich. Oder etwa nicht? Anahita Razmi spielt mit diesen Bildern und Klischees, die sich in unseren Köpfen festgesetzt haben. Sie versucht sie auf eine andere Ebene zu bringen und zwingt die Betrachter ihrer Werke dazu sie zu überdenken, gerne auch lässt sie sich dabei von anderen Künstlerinnen helfen. Die 31-Jährige ist Video- und Installationskünstlerin und wurde in Hamburg geboren. Ihr Mutter ist Deutsche, ihr Vater Iraner.

ZEITmagazin: Sie sind im Jahr 2010 mit einem alten Auto aus dem Iran nach Deutschland gefahren. Wie kommt man denn auf so eine Idee?
Anahita Razmi: Das ist eine gute Frage. Ich muss im Nachhinein sagen, es war auch nicht die allerbeste Idee, rein rational gesehen. Ich bin mit einem Paykan gefahren, das ist das iranische Nationalauto. Etwa 40 Jahre lang ist im Iran jeder damit gefahren. Auch heute noch ist es das Auto, das man in Teheran am häufigsten auf der Straße sieht. Ich wollte wissen, welche neuen Assoziationen entstehen, wenn ich das Land damit verlasse. Außerhalb des Irans – schon in der Türkei – sieht man dieses Auto sonst nicht. Der Paykan hat eine Geschichte, die sehr viel mit der Geschichte des Iran zu tun hat. Er war ursprünglich ein britisches Auto und wurde von Chrysler hergestellt, die britische Version des Wagens hieß Hillman Hunter und wurde in den Iran exportiert, als die Länder noch eine gute Beziehung zueinander hatten. Mit der islamischen Revolution änderte sich das. Die Rechte wurden in den Iran verkauft und der Paykan vor Ort hergestellt. Ich fand diesen Transfer zurück nach Europa interessant – ich bin mit dem Auto den Weg zurück gegangen, den es schon einmal genommen hatte. Das war natürlich nicht ganz so einfach und wäre auf legalem Weg nicht machbar gewesen.

ZEITmagazin: Wie haben Sie es dann geschafft?
Razmi: Über einen Strohmann im Iran, der den Paykan gekauft und ihn mir überschrieben hat. Mit gutem Willen einiger Behörden, denen ich ein bisschen mehr Geld gegeben habe, konnte ich dann auch einen Stempel bekommen und das Land verlassen. Sobald ich aus dem Iran raus war, hatte ich dann offizielle Papiere und alles war legal.

ZEITmagazin: Es hört sich nicht an, als wäre ein Paykan das zuverlässigste Gefährt für so eine Reise. Wie lange waren Sie unterwegs?
Razmi: Wir sind oft liegen geblieben. Mein Auto war aus dem Jahr 1999 – eine noch ältere Version wäre gar nicht in Deutschland angekommen. Ich habe gehört, man kann es in fünf Tage schaffen, mit dem Paykan hat es einen Monat gedauert. In der Türkei mussten wir auf Papiere warten, da war aber gerade Opferfest und keine Behörde hatte offen. Es musste auch immer wieder etwas repariert werden und über 90 km/h fährt man damit sowieso nicht. Es ist wirklich nicht die schnellste Art zu reisen. Wir hatten zwar einige Ersatzteile dabei, aber der Paykan ist ja kein Standardwagen. Je weiter wir gefahren sind, desto mehr Herzklopfen hatte ich, ob das Ding auch wirklich ankommt. In Deutschland hatte ich dann eher Angst, dass der Wagen gestohlen wird, den aufzubrechen ist nicht schwer. Man fällt auch überall auf mit diesem Exoten und dem Kennzeichen. Das Auto ist außerhalb des Irans eine Rarität, die Behörden im Iran wussten von keinem Paykan, der auf diese Art das Land verlassen hat. Ich weiß nur von einem Belgier, der einen Paykan per Schiff geholt hat. Aber das war’s.

ZEITmagazin: Wo ist der Paykan heute?
Razmi: Der wird gerade in Stuttgart ausgestellt, ich darf ihn auch nicht fahren, denn meine Exportpapiere sind nach vier Monaten abgelaufen. Das Auto würde ja auch nie durch den TÜV kommen. Für mich ist es inzwischen zu einer Skulptur geworden, weil es ein mit Bedeutung aufgeladenes Objekt ist und nicht mehr fahren darf. Im Museum sind auch die 38 Formulare zu sehen, man kann also auch den bürokratischen Weg des Autos nach verfolgen.

G F C

ZEITmagazin: Ein Jahr später haben Sie für ihr Projekt „Roof Piece Tehran“ zwölf Tänzer auf den Dächern Teherans gefilmt. Das Vorbild dafür war Trisha Browns „Roof Piece“. Im Iran ist moderner Tanz verboten – das klingt etwas gefährlich, war es das auch?
Razmi: 
Wir haben mit zwölf Kameras gefilmt, die ich vor Ort ausgeliehen habe – ohne entsprechende Kontakte wäre das gar nicht möglich gewesen. Über einen Freund, der in Teheran beim Fernsehen arbeitet, haben wir unter einem Vorwand eine Genehmigung für einen Dreh bekommen. Ich hatte nur drei Monate Zeit für die Planung, über Kontakte habe ich zwölf Tänzer gefunden – also eigentlich waren es Theaterleute. Im Iran nach Tänzern zu suchen ist sinnlos, weil es keinen Tanz gibt. Wir hatten natürlich Diskussionen darüber, was passieren könnte. Meine Erfahrung ist aber auch, dass die Menschen im Iran sehr geübt darin sind sich rauszureden, sie sind es auch gewohnt, irgendwelche halbillegalen Sachen zu machen, die meisten denken, das wäre die Ausnahme, aber im Gegenteil. Ich fand spannend, dass es eigentlich ein unpolitisches Projekt war, wir standen ja nur auf dem Dach und machten ein paar Bewegungen – das muss man ja nicht einmal Tanz nennen. Im Zusammenspiel mit dem World Press Photo 2009, wo Iranerinnen auf den Dächern stehen und protestieren, hat das Projekt aber wieder eine andere Bedeutung. Wir rufen zwar nicht, aber eine körperliche Bewegung wird von Dach zu Dach weitergeleitet. Es ist einfach eine Assoziationssache. In Teheran versteht das jeder.

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ZEITmagazin: Eines Ihrer Werke heißt „White Wall Tehran“, es ist ein Video in dem man 27 Sekunden lang eine weiße Wand sieht. Was hat es damit auf sich?
Razmi: Ich war damals in der Teheraner Innenstadt – ich muss dazu sagen, das war fast ein Unfall – ich bin durch die Straßen gegangen und habe gefilmt, ganz ohne den Vorsatz Revolutionsgarden oder offiziellen Gebäude zu filmen, aber es ist passiert. Das ist ja in Deutschland auch nicht anders, Botschaften etwa darf man nicht filmen. Man hat mich gleich mitgenommen und gefragt, was ich mache – ich muss sagen, die Männer waren eigentlich nett. Sie haben mir dann nicht die Kamera oder die Kassette – ich hatte damals noch so Mini-TV-Bänder – weggenommen, sondern das Band wurde zurückgespult und der Teil, den sie für unangebracht hielten, wurde mit der Aufnahme eine weißen Wand überspielt. 27 Sekunden lang sieht man eine weiße Wand. Klingt langweilig, aber die Hörebene ist sehr interessant, man hört ein Funkgerät, Leute sprechen Farsi und rühren ihren Kaffee um. Man hat also wieder eine Assoziation dazu, wo man sein könnte, auch wenn sie abstrakt bleibt. Die weiße Wand ist eine perfekte Assoziations- und Projektionsfläche – sie zeigt nichts, aber dann doch wieder sehr viel.

ZEITmagazin: Ihre Werke haben oft eine indirekte gesellschaftspolitische Botschaft. Erreicht Sie die Menschen oder ist das zu subtil?
Razmi: Ich finde, gerade wenn wir über den Iran sprechen, gibt es sehr viel Bilder oder Medien, die stark in eine Richtung lenken. Aber sobald man mit diesen Bildern in den Iran fährt, sieht man, dass etwas nicht stimmt. Ich versuche einen Abgleich dieser Bilder zu machen, man sieht dann, ob das irgendwie passt, ob es irgendwo Überschneidungen gibt oder ob sie miteinander kollidieren. Ich arbeite mit Projekten und Situationen, die bestehende Bilder hinterfragen. Oder ich stelle Bilder in Beziehungen und sehe was passiert. Wenn dann Leute den Weg ein bisschen verfolgen und vielleicht auch ihre eigenen Bilder ein bisschen hinterfragen, bin ich zufrieden. Viele meiner Werke haben auch einen gewissen Humor – also es ist nicht alles schrecklich, gefährlich und politisch aufgeladen. Es geht nicht direkt um eine politische Botschaft, sondern eher darum, von diesem Kulturkitsch, der in Deutschland vorherrscht, etwas wegzukommen.

ZEITmagazin: Für ein Projekt haben Sie sich gefilmt, während Sie in 45 Minuten eine Flasche Wodka leeren und auf Stöckelschuhen auf und ab laufen – das war weniger subtil. Trotzdem fragt man sich ein wenig, was der Sinn der Sache ist?
Razmi:
Ja, das war ein sehr direktes Projekt. Zu dem Video gibt es aber auch eine Fotografie als Referenz, die mit ausgestellt wird. Das Projekt bezieht sich auf einen Monoprint von Tracey Emin „Walking Drunk in High Shoes“. Sie trägt Highheels und hält sich an einem Stuhl fest. Für mich ist es eine Relation zu einer anderen Künstlerin, wie bei meiner „Roof Piece Tehran“-Arbeit nach Trisha Brown. Ich finde, sobald man diese Relation hat, wird aus dem Betrinken wieder etwas anderes. Ich nehme dieses Bild und ändere das Medium, ich ändere also eine kleine Sache und sehe dann, was passiert. Die Direktheit des Videos bleibt, aber für mich ist das fast wie ein Testlauf, um zu verstehen, was mit dem bestehenden Bild durch diesen Transfer passiert. Tracey Emin ist eine Künstlerpersönlichkeit, die ihr eigenes Leben und ihre eigenen Erfahrungen sehr stark thematisiert. Wenn ich mich dann darauf beziehe, ist es nicht mehr persönlich.

ZEITmagazin: Wie ging es Ihnen am nächsten Tag?
Razmi: Oh, fragen Sie lieber nicht.

Carbon12Dubai-Anahita Razmi,'Walking drunk in high shoes',video loop,47minutes 23seconds,2010

ZEITmagazin: Eine der vier Ausstellungen, in denen Ihre Werke gerade zu sehen sind, findet in Dubai statt. Diese Stadt ist sehr international und eher losgelöst vom arabischen Raum, trotzdem gibt es Zensur. Können Sie da ohne Probleme ausstellen?
Razmi: Meine Ausstellung findet in der Galerie Carbon 12 statt, dort ist das möglich. In öffentlicheren Räumen oder auf der „Art Dubai“ wäre zum Beispiel „Walking Drunk in High Shoes“ eher ein Problem, weil es um Alkohol geht. Ich habe auch einige Stücke, bei denen es um den weiblichen Körper geht, aber ich habe das Gefühl, solange nicht pure Nacktheit gezeigt wird, ist es nicht so schlimm. Ich finde es spannend zu sehen, wie das dort aufgenommen wird, Dubai hat einen speziellen Standpunkt in dieser Region. Wenn ich in Deutschland ein Video zeige, in dem eine Frau Wodka trinkt – der Alkohol an sich tangiert hier ja keinen. Es ist interessant, wie ein Projekt in einem anderen Kontext an Bedeutung gewinnt. Vielleicht spielt das gut in meine Arbeit hinein, dass ich da ausstellen kann. In vielen meiner Projekte geht es genau um diese unterschiedlichen Wahrnehmungen.

Die Fragen stellte Saskia Hödl

(c) Anahita Razmi / Courtesy of Carbon12

Automatic Assembly Actions
Carbon 12 Dubai
14.01. – 14.03. 2013

Frischzelle_ 17: Anahita Razmi
Kunstmuseum Stuttgart
15.12. – 03.03. 2013

Present Tense Future Perfect
FELDBUSCHWIESNER Berlin
12.01. – 09.03. 2013

Kunstverein Hannover
16.02. – 31.03. 2013

 

Die Traumfabrik

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Guild Cinema, Albuquerque, New Mexico, USA

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Lux Theater, Grants, New Mexico, USA

Der Berliner Richard Thieler fotografiert Kinos – wobei man sie in diesem Fall wohl eher Lichtspielhäuser nennen müsste, denn mit den Multiplex-Kinos von heute haben sie nur noch wenig zu tun. Der Künstler ist ein Sammler von Kinofassaden, die ihre Glanzzeiten schon lange hinter sich gelassen haben. Seine Werke wurden unter anderem in England, Deutschland und Amerika aufgenommen und sind ab 21. Februar 2013 erstmals in einer Einzelausstellung zu sehen.

Galerie der Kunststiftung Poll
Gipsstraße 3, 10119 Berlin

21. Februar – 13. April 2013

Fotos: Richard Thieler

 

sehr gut⎪very good

03_Kippenberger_OhneTitel
Ohne Titel, 1981

02_Kippenberger_ParisBar
Paris Bar, 1993

01_EinervonEuch_PortraitMartinKippenberger
Einer von Euch, Unter Euch, Mit Euch; 1977

Der Künstler Martin Kippenberger wäre dieses Jahr 60 Jahre alt geworden. 1997 verstarb der leidenschaftliche Exzentriker in Wien an Leberkrebs. Anfang der achtziger Jahre hat Kippenberger in Kreuzberg gelebt, mit Achim Schächtele das „SO 36“ und mit Gisela Capitain, seiner späteren Nachlassverwalterin und Galeristin,  „Kippenbergers Büro“ betrieben.

Als Künstler und Mensch war er rastlos und exzessiv, das war nicht jedem sympathisch. Einen Krankenhausaufenthalt nach einer Prügelei, dokumentierte er als „Dialog mit der Jugend“ in einem Selbstporträt mit bandagiertem Kopf. Er liebte es Aufsehen zu erregen und sich selbst zu inszenieren, eigentlich war er selbst sein größtes Kunstwerk. Zwei Tage vor seinem 60. Geburtstag startet nun die erste retrospektive Ausstellung in Berlin und lässt einen differenzierten Blick auf den Mythos Kippenberger zu.

sehr gut ⎪ very good
23. Februar – 18. August 2013
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin
Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin

© Estate Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Köln