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Mögen die Spiele beginnen!

 

Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA sieht seinem ersten offiziellen Akt entgegen: Heute findet die erste einer Serie von Vorwahlen statt. In diesen sogenannten „Primaries“ werden die Gremien der Republikanischen Partei in jedem Staat bestimmen, welche Kandidaten auf dem nationalen Nominierungsparteitag unterstützt werden sollen. Der Sieger, die Siegerin wird gegen Präsident Barack Obama antreten.

Soweit die nüchterne Theorie. In der Praxis jedoch ist für die kommenden Monate einmal mehr ein großes Wahlkampfspektakel zu erwarten, das für viele Beobachter sinnbildlich für die politischen Verhältnisse in den USA steht: Einige der entscheidenden Zutaten sind Geld, Emotionen und viel Show. Schon seit Sommer letzten Jahres stehen die republikanischen Präsidentschaftskandidaten in einem kontinuierlichen Schlagabtausch. Intensive Medienberichterstattung und zahlreiche TV-Duelle haben schnelle Aufstiege in den Umfragen ebenso ermöglicht wie jähe Abstürze.

Derzeit erlebt die Kampagnenarbeit einen Höhepunkt: Täglich sind die sieben Kandidaten medial präsent, zugleich absolvieren sie einen Marathon an Veranstaltungen in den als wichtig herausgedeuteten Vorwahlstaaten – und es geht beileibe nicht nur darum, sich und seine politischen Überzeugungen vorzustellen. Oft bestimmt „negative campaigning“ das Geschehen, beispielsweise setzen sich TV-Spots mit dem Privatleben eines Kandidaten auseinander; dazu kommen Konkurrenzkämpfe zwischen den Teams, etwa in Form von gegenseitigen Abwerbungen von Kampagnenmanagern. Auch die politischen Inhalte der Kandidaten müssen der Medienlogik gehorchen und insbesondere klar, einfach und erkennbar sein.

Man kann diese Art des Wahlkampfes skeptisch sehen und argumentieren, dass sie den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit primär auf Personen lenkt. Diesen wiederum wird dadurch nahe gelegt, exponierte und wenig ausbalancierte politischen Positionen zu vertreten. Dies, so könnte man ergänzen, ist derzeit besonders ungünstig, da in den USA in Zeiten von Finanzkrise und gesellschaftlichen Konflikten politische Kompromisse und Handlungsfähigkeit dringend gebraucht würden. Allerdings scheint der polarisierende Dauerwahlkampf nahezu alternativlos zu sein. Und die Ursachen dafür liegen nicht allein bei den beteiligten Politikern, sondern sind auch systemischer Natur: Eine wichtige Rolle spielen die Konzeption der Primaries selbst und die Regelungen zur Wahlkampffinanzierung.

Die Primaries in ihrer Gänze zu erklären, ist kaum möglich. In manchen Staaten finden Vorwahlen statt, die im Prinzip einer gewöhnlichen geheimen Wahl entsprechen; in anderen Staaten hingegen werden „Caucuses“ abgehalten: Diskussionsforen, in denen Bürger zusammenkommen und gemeinsam entscheiden, wen sie unterstützen wollen. Innerhalb dieser Formate gibt es weitere Unterscheidungen: Manchmal darf jeder Bürger abstimmen, manchmal nur jene, die als Wähler der Republikaner registriert sind; die Stimmen des jeweiligen Staates werden dann entweder alle dem erstplatzierten Kandidaten zugeschlagen, oder entsprechend des genauen Ergebnisses proportional verteilt; auf den Wahlzetteln stehen entweder die Präsidentschaftskandidaten selbst oder die Wahlmänner, die zum Nominierungsparteitag entsandt werden sollen; und diese Wahlmänner sind in manchen Fällen frei in ihrer Entscheidung, manchmal jedoch an das Votum der Wähler gebunden.

Klar ist bei aller Unübersichtlichkeit jedoch eines: Es ist eine kurz getaktete Serie von Vorwahlentscheidungen, bei der es auf jeder Etappe Gewinner und Verlierer geben wird. Dass diese klar benannt werden, ist im Interesse der Wähler, der Medien und der Geldgeber. Es führt jedoch auch dazu, dass der gesamte politische Diskurs stark auf kurzfristige Effekte ausgelegt sein wird.

Und diese Effekte werden insbesondere mit Blick auf die finanzielle Unterstützung durch Geldgeber dringend gebraucht – womit die zweite systemische Komponente angesprochen ist. Kampagnen in den USA waren schon immer stark von den Ressourcen bestimmt, welche die Kandidaten aufbringen konnten. Wer seine Botschaft breit streuen kann, sichert sich einen Platz im Hinterkopf der Wähler; wer sich Medienpräsenz kaufen kann, hat damit eine gewisse Deutungsmacht für aktuelle Ereignisse. Diese Logik hat sich weiter verschärft, seit das oberste Gericht, der Supreme Court, jüngst entschieden hat, dass bestimmte politische Gruppierungen (die sogenannten „Super PACs“, wobei PAC für „political action committees“ steht) unbegrenzt Spendengelder sammeln und dafür einsetzen können, ihre Positionen deutlich zu machen. Die entspreche dem Recht auf Meinungsfreiheit.

Der Supreme Court hat zwar einschränkend hinzugefügt, dass solche Gruppen eigenständig operieren und sich daher nicht mit den Kandidaten, welche sie unterstützen möchten, abstimmen dürfen. Aber diese Vorschrift zu umgehen ist ein Leichtes. Beispielsweise sind mittlerweile ehemalige Berater der Kandidaten als Direktoren solcher Gruppierungen installiert worden – und diese Leute müssen sich nicht offiziell mit den Wahlkampfteams der Kandidaten beraten, um zu wissen, wie sie diese unterstützen können.

Wenn man diese kuriose Regelung der Wahlkampffinanzierung mit dem System der Vorwahlen kombiniert, werden die Dimensionen deutlich, die der Wahlkampf 2012 annehmen kann. Dass den Bürgern eine große Menge an Informationen vermittelt wird, ist zunächst einmal natürlich begrüßenswert. Durch die Unterschiede in den verfügbaren finanziellen Mitteln sind aber gewisse Schieflagen zu erwarten: Manche Kandidaten haben schlichtweg größere Kapazitäten als andere und die Serie der Primaries gibt ihnen immer wieder die Möglichkeit, diese Vorteile auszuspielen.

Das kann man den handelnden Personen kaum verdenken. Für die demokratische Qualität und für die politische Handlungsfähigkeit des Landes im Wahljahr ist dieser Zustand des polarisierenden, ressourcenintensiven Dauerwahlkampfes jedoch alles andere als optimal. Angebracht wäre es, in einer stillen Minute einmal über das System selbst nachzudenken und möglicherweise einige der bestehenden Regelungen zu überprüfen. Dies würde allerdings nicht zuletzt dem Willen einflussreicher Geldgeber widersprechen.