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Google Insights „Interesse Index“ sagt Abstimmungsbeteiligung korrekt voraus

Die Volksabstimmung zu „Stuttgart 21“ ist gelaufen. Die Nein-Sager haben gewonnen – mit oder ohne Quorum. Während die Nein-Sager feiern, lecken die unterlegenen Ja-Sager ihre Wunden.
Die Abstimmungsbeteiligung bei der Volksabstimmung lag landesweit bei 48,3 Prozent. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg bietet eine schöne Karte der Beteiligungsergebnisse der Volksabstimmung vom 27. November 2011 an. Unmittelbar ersichtlich ist in der Tat, dass die Beteiligung an der Volksabstimmung in Württemberg höher ist als in Baden.
Im Nachhinein sind viele Sachen ja nicht mehr ganz so überraschend. Allerdings bin ich schon überrascht, wie gut sich die Prognose, die gestern auf diesem Blog veröffentlicht wurde, tatsächlich bewährt hat.

Mithilfe des „Interesse-Index“ von Google Insights hinsichtlich Suchanfragen, die den Begriff „Stuttgart 21“ beinhalten, konnten regionale Unterschiede im Interesse gemessen werden, die sich später tatsächlich in unterschiedlich hohen Beteiligungsraten auswirkten. Zumindest für 16 Orte in Baden-Württemberg kann man Werte für diesen „Interesse-Index“ von Google Insights herunterladen. Die offiziellen Beteiligungsraten sind auf der Vertikalen abgetragen.

Der Zusammenhang zwischen dem Index aus den Suchanfragen und den tatsächlichen Beteiligungsraten beim Volksentscheid ist sehr stark. Die 16 Punkte weichen in der obigen Graphik nicht auffällig weit von der Vorhersage ab, die durch die rote Linie gekennzeichnet ist. Für jeden um 10 erhöhten Wert des „Interesse-Index“ erhöht sich die erwartete Beteiligungrate um 3,7 Prozentpunkte.
Ich würde nicht so weit gehen wollen, diese Methode in den Himmel zu loben, da sie u.a. nur relative Vorhersagen ermöglicht hat („Mehr Württemberger als Badener werden teilnehmen“) statt einer präzisen Punktschätzung. Allerdings erlauben die einsehbaren Suchstatistiken via Google Insights zumindest für jede und jeden jederzeit eine erste Einschätzung – und das ganz ohne den Geldbeutel zu strapazieren. Wenn das nicht was für Schwaben ist…..

 

Insights aus Google Insights: Mehr Württemberger als Badener werden am Volksentscheid teilnehmen

Am 27. November kommt es zum Volksentscheid über „Stuttgart 21“. Wäre Stuttgart in Bayern, Hessen oder Sachsen würde eine einfache Mehrheit der Ja-Stimmen am Sonntag genügen, um das sogenannte „S 21-Kündigungsgesetz“ in Kraft treten zu lassen. Nun ist Stuttgart aber in Baden-Württemberg. Im Artikel 60 Absatz 5 der entsprechenden Landesverfassung heißt es aber:

„Bei der Volksabstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Das Gesetz ist beschlossen, wenn mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten zustimmt.“

Eine einfache Mehrheit der Ja-Stimmen reicht demnach noch nicht aus. Unabhängig davon wie viele sich den an dem Volksentscheid beteiligen, die Mehrheit der Ja-Stimmen muss mindestens ein Drittel aller Stimmberechtigten sein. Andernfalls ist das Gesetz gescheitert – Mehrheit hin oder her. Obwohl es bei normalen Landtags- und Bundestagswahlen in Deutschland keine solche Quoren gibt, hätte die derzeitige Landesregierung in Baden-Württemberg ein solches Quorum bei der Wahl 2011 selbst nicht erreicht, wenn der Regierungsauftrag der Volksgesetzgebung unterliegen würde. Das Beispiel zeigt, dass es am 27. November nicht nur um die Frage nach der Mehrheit sondern auch um die Beteiligungsrate geht.
Absolute Zahlen bzw. neuere Umfragen zur Beteiligung an diesem Volksentscheid liegen mir nicht vor. Aber ein Blick auf Google Insights gibt zumindest Aufschluss darüber, wie sich die zu erwartenden Beteiligungsraten im Ländle sein könnten.
Der Begriff „Stuttgart 21“ wird kurz vor dem Abstimmungstermin in Baden-Württemberg weniger oft gesucht – etwa im Verhältnis 3:5 – wie zum Ende der Schlichtung vor etwa einem Jahr. Allerdings wird dieser Suchbegriff in den letzten Tagen vermehrt nachgefragt. Die Mobilisierung scheint generell zu greifen.

Die Prognose von absoluten Beteiligungsraten für den morgigen Tag erlauben diese Statistiken natürlich nicht. Interessant wäre aber zu sehen, ob sich die messbaren regionale Unterschiede in der Häufigkeit von Suchanfragen, die „Stuttgart 21“ beinhalten, tatsächlich auch in unterschiedliche Beteiligungsraten auswirken.
Die top-10 Orte sind fast ausschließlich in Württemberg zu finden:

In Baden sind die vergleichbaren Werte viel geringer. Karlsruhe kommt zwar noch auf einen Wert von 34, Freiburg aber nur noch auf 26 und Mannheim sogar nur auf 22. Wenn solche Suchabfragen tatsächliches aussagekräftig sind, dann sollten man auch eine erheblich niedrige Beteiligungsraten in den Kommunen an der an der Rheinschiene erwarten.
Wenn Sie heute abstimmungsberechtigt sind, achten sie darauf, dass es ihnen vor lauter „Google Insight“ insights nicht so geht wie dem Mann in diesem Clip der Ja-Sager Kampagne

 

Ja oder Nein? Das ist hier die Frage – Die Plakate zur S21-Volksabstimmung im Vergleichstest

Am kommenden Sonntag sind die Bürger in Baden-Württemberg dazu aufgerufen, über die Finanzierung des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ abzustimmen. Soll das Land seine Finanzierungsanteile zu „Stuttgart 21“ kündigen oder nicht? Ja oder nein? Das ist hier die Frage. Leider ist diese Frage im Stimmzettel zur Volksabstimmung nicht ganz so klar formuliert. Dort steht: „Stimmen Sie der Gesetzesvorlage ‚Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21‘ (S21-Kündigungsgesetz) zu?“ Ein zentrales Ziel der Plakat-Kampagnen beider Seiten zur Volksabstimmung war und ist es deshalb, den eigenen Anhängern zu erklären, ob sie nun mit „Ja“ oder mit „Nein“ stimmen müssen, um alles richtig zu machen. Nebenbei sollen die Kampagnen natürlich auch das eigene Lager mobilisieren und den ein oder anderen noch immer Unentschiedenen auf die eigene Seite ziehen. Doch: Wie gut können die Plakate diese Ziele umsetzen? Das hat nun eine Studie der Universität Hohenheim untersucht.
Für ihre Studie haben die Hohenheimer Forscher insgesamt 348 Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger aus einem Online Access Panel zu ihren Einstellungen zu Stuttgart 21 und ihrer Bewertung und Erinnerung der Plakate zur Volksabstimmung befragt. Ihre Bewertung von „Stuttgart 21“ und ihre Abstimmungspräferenz mussten die Teilnehmer zweimal angeben: Das erste Mal vor Studienbeginn. Das zweite Mal, nachdem sie die Plakate betrachtet und bewertet hatten. Aufgrund der Art der Stichprobenziehung ist die Untersuchung nicht repräsentativ, absolute Aussagen oder Vorhersagen über Einflüsse der Plakat-Kampagnen in der Gesamtbevölkerung sind deshalb nicht möglich. Allerdings ist dies bei Experimentaluntersuchungen auch nicht das Ziel. Hier geht es um relative Aussagen und den Einfluss bestimmter Merkmale (z.B. Einstellungen zu „Stuttgart 21“) auf das Verhalten der Befragten. Solche relativen Aussagen über das Verhalten von S21-Gegnern, -Befürwortern und Neutralen können durchaus getroffen werden. Denn alle drei Gruppen waren ausreichend und zu etwa gleichen Teilen in der Stichprobe vertreten.
Wie sich anhand der Ergebnisse leicht zeigen lässt, kommt es bei der Bewertung der Plakate – kaum überraschend – zu großen Unterschieden zwischen Befürwortern und Gegnern des Bahnprojekts. Beide Seiten bewerten jeweils „ihre“ Plakate besonders positiv und die Plakate der gegnerischen Seite besonders negativ. Interessanter sind deshalb die Bewertungen der neutralen und unentschiedenen Probanden. Hier zeigte sich ein deutliches Ergebnis: Die drei untersuchten Plakate der bunten Ja-Kampagne des Gegner-Bündnisses „Ja zum Ausstieg“ belegten die ersten drei Plätze. Die roten Nein-Plakate der Befürworter-Initiative „IG Bürger für Baden-Württemberg“ hingegen die letzten drei Plätze. Die Erklärung hierfür dürfte zum einen im aggressiven Slogan der Befürworter-Plakate („Wir sind doch nicht blöd!“), zum anderen in der sehr unterschiedlichen Plakatgestaltung liegen. Trotz oder gerade wegen dieser Störfaktoren wurden die Plakate der „Wir sind doch nicht blöd!“-Kampagne jedoch mit am besten erinnert.
Noch interessanter als diese deskriptiven Befunde der Studie sind jedoch die Ergebnisse zum Einfluss der Plakatbetrachtung auf die Einstellungen der Probanden. Denn hier zeigte sich, dass – anders als vielleicht von Vielen vermutet – durchaus noch ein gewisses Beeinflussungspotenzial vorhanden ist. Trotz des nun schon jahrelang andauernden Bahnhof-Streits und der mittlerweile – auch nach dem Schlichterspruch von Heiner Geißler – eisern verhärteten Fronten. So änderten immerhin 55 der 348 Befragten (15,8 Prozent) ihre Meinung über „Stuttgart 21“ (auf einer 7er-Skala von „sehr positiv“ bis „sehr negativ“). Bei etwa einem Drittel dieser Probanden (18 Personen), fielen diese Änderungen auch recht deutlich aus (mindestens zwei Skalenpunkte). Eine weitere Folge der Plakatbetrachtung: Auch das geplante Abstimmungsverhalten änderte sich bei 23 Befragten (6,7 Prozent). Hierbei kam es nicht nur zu Verschiebungen zwischen dem Lager der ursprünglich noch Unentschiedenen und dem Ja- und Nein-Lager, sondern durchaus auch zu Verschiebungen zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager. Angesichts der intensiven Berichterstattung zu „Stuttgart 21“ und dem überdurchschnittlichen politischen Interesse der Befragten liegt es nahe, diese Verschiebungen insbesondere als eine Folge des „Erklär-Effektes“ der Plakate zu interpretieren. Offensichtlich wurde einem beträchtlichen Teil der Befragten erst durch die Plakat-Betrachtung klar, wie sie abstimmen mussten, um ihrer jeweiligen Einstellung zu „Stuttgart 21“ Ausdruck zu verleihen. Offen bleibt allerdings die Frage, bei wie vielen Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg dieser „Erklär-Effekt“ der Kampagnen noch rechtzeitig vor dem 27. November eintritt.

 

Die programmatischen Ausrichtungen der Berliner Parteien zur Abgeordnetenhauswahl 2011: Deutliche Verschiebungen

Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus findet seit Monaten eine hohe Beachtung in den Medien wie auch in der politischen Öffentlichkeit. Dies hing zunächst maßgeblich damit zusammen, dass in Folge der Reaktorkatastrophe von Fukushima den Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Renate Künast gute Chancen eingeräumt wurden, stärkste parlamentarische Kraft zu werden. Mit dem Abflauen der Stärke von Bündnis 90/Die Grünen in den Umfragen und dem nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die amtierende Regierungskoalition aus SPD und der Linken keine Mehrheit im künftigen Berliner Abgeordnetenhaus erreicht, rückt verstärkt die Frage in den Vordergrund, welche Parteien nach der Wahl eine gemeinsame Regierungskoalition bilden können.

In diesem Zusammenhang kommt den Politikzielen der Parteien eine entscheidende Rolle zu. Eine Grundlage zur Evaluierung der inhaltlichen Schnittmengen von Parteien, denen eine zentrale Funktion im Regierungsbildungsprozess zukommt, stellen die Wahlprogramme dar, die im Vorfeld von Wahlen verfasst werden und das Ziel haben, Wählern als auch den parteipolitischen Konkurrenten die eigenen Politikpositionen zu signalisieren. Eine quantitative Inhaltsanalyse der Wahlprogramme der Berliner Parteien zu den Abgeordnetenhauswahlen 2006 und 2011 macht deutlich, dass eine vergleichsweise große programmatische Dynamik vorherrscht (siehe Abbildung 1). So haben insbesondere CDU und FDP ihre wirtschaftspolitischen Positionen deutlich verändert: Während die Berliner Freidemokraten nunmehr moderate statt explizit marktliberale Positionen zur Abgeordnetenhauswahl 2011 vertreten, so hat die Union beinahe eine linke, der Haltung der SPD in sozioökonomischen Fragen sehr ähnliche Position in diesem Politikfeld eingenommen. Die Berliner CDU veränderte – im Vergleich zu 2006 – auch ihre gesellschaftspolitische Position und formuliert nunmehr eher progressive Politikziele. Insgesamt betrachtet haben sich die Christdemokraten in der Bundeshauptstadt derart auf die SPD zu bewegt, so dass sich die Positionen der beiden Parteien in den beiden Politikbereichen Wirtschaft und Gesellschaft kaum voneinander unterscheiden. Das programmatische Verhalten der Union kann dahingehend gedeutet werden, dass sie – aufgrund der Distanzverringerung zu SPD als auch Grünen – die inhaltlichen Hürden für ein rot-schwarzes oder schwarz-grünes Bündnis verringern wollte. Auch die Berliner Grünen haben sich ins Zentrum der gesellschaftspolitischen Dimension und damit in Richtung der Position des SPD-Wahlprogramms 2011 zu bewegt. Der nunmehr progressivste parteipolitische Akteur in Fragen der Innen-, Rechts und Gesellschaftspolitik ist – neben der Linken, die ihre Position im Politikraum nicht in signifikanter Form verschoben hat – die Piratenpartei.

Es wird also spannend werden, inwiefern sich die in den 2011er Wahlprogrammen der Berliner Parteien formulierten Politikziele im Regierungsbildungsprozess bemerkbar machen werden. Sollte es für eine rot-rote Neuauflage nicht reichen, dann erscheint eine große Koalition, ein rot-grünes wie schwarz-grünes Bündnis oder auch eine Dreier-Koalition unter Einbeziehung der Piratenpartei – etwa in Form einer Koalition aus SPD, Linken und Piraten – durchaus möglich. Dies hängt aber vor allem davon ab, wie viele Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten sein werden und damit von der Frage, ob die Piratenpartei und die Liberalen den (Wieder-)Einzug in das Parlament überhaupt erreichen. Es bleibt also nicht nur bis zum 18. September, sondern auch in der Zeit nach der Wahl im Land Berlin politisch mehr als spannend.

Abbildung 1: Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Positionen der Berliner Landesparteien 2006 und 2011

 

Wieder Rot-Schwarz in Mecklenburg-Vorpommern?

Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern spielt nur eine geringe Rolle in der politischen Tagesberichterstattung. Lediglich die Auswirkungen der innerhalb der Linken im nordöstlichsten deutschen Bundesland geführten Debatte um den Mauerbau von 1961 auf das Wahlergebnis wurden in den letzten Wochen ausführlicher thematisiert. Eine offene Frage ist zudem, ob die FDP aufgrund der für sie schlechten bundespolitischen Rahmenbedingungen den Wiedereinzug in den Landtag von Schwerin schafft. Die Umfragen sehen die Liberalen – ähnlich wie die rechtsextreme NPD – knapp unter der 5%-Hürde.

Sollten nur vier Parteien – SPD, CDU, die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen – in das Landesparlament einziehen, wie es die letzten Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen sowie von Infratest dimap andeuten, aus welchen Parteien wird sich dann die nächste Regierung zusammensetzen? Bleibt die Koalition aus Sozial- und Christdemokraten im Amt oder kommt es zu einer Koalition aus SPD und Linken, die in Mecklenburg-Vorpommern bereits zwischen 1998 und 2006 amtierte? Eine Inhaltsanalyse der Wahlprogramme der Landesparteien von 2006 und 2011 macht zunächst deutlich, dass die beiden Regierungsparteien SPD und CDU in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen ihre programmatische Position signifikant nach links verschoben haben (siehe Abbildung 1). Linke, Grüne und FDP änderten ihre inhaltlichen Standpunkte weder in wirtschafts- noch in gesellschaftspolitischen Fragen in entscheidendem Ausmaß ab. Die inhaltliche Distanz zwischen Sozialdemokraten und Union hat sich insgesamt betrachtet leicht verringert und entspricht ungefähr dem Abstand zwischen den Positionen von SPD und Linken. Aus dieser Perspektive könnte die SPD auch ein Bündnis mit den Sozialisten eingehen und die Koalition mit der Union beenden.

Abbildung 1: Programmatische Positionen der Parteien in Mecklenburg-Vorpommern

Allerdings spielen bei der Regierungsbildung allgemein und in den deutschen Bundesländern insbesondere noch weitere Faktoren eine Rolle, die in Betracht gezogen werden müssen. Dazu zählen etwa das Ziel der Parteien, möglichst viele Regierungsämter zu besetzen, der Amtsinhaberbonus, der der amtierenden Regierungskoalition einen gewissen Vorteil zugesteht, die vor einer Wahl getätigten Koalitionsaussagen der Parteien und die Mehrheitssituation im Bundesrat. Werden alle diese Faktoren inklusive der programmatischen Distanzen zwischen den parlamentarisch vertretenen Parteien berücksichtigt, dann lassen sich – mit Hilfe multivariater statistischer Analyseverfahren – die Wahrscheinlichkeiten für alle theoretisch möglichen Koalitionsvarianten berechnen (für eine genauere Beschreibung siehe Bräuninger & Debus 2011). Eine solche Analyse liefert folgendes Ergebnis: Von allen 15 theoretisch möglichen Koalitionen, die in dem aus vier Parteien bestehenden Parlament (SPD, CDU, Linke und Grüne) möglich sind, dominieren erwartungsgemäß zwei Parteikombinationen das Bild. Dies sind die amtierende Regierungskoalition aus Sozial- und Christdemokraten mit einer Wahrscheinlichkeit von 56,9% und ein Bündnis aus SPD und Linken mit einer Chance von 41,6%. Die restlichen 1,5% verteilen sich auf die verbleibenden 13 anderen theoretisch möglichen Parteienkombinationen. Diesem Ergebnis zufolge stehen die Chancen für eine Neuauflage der Koalition aus SPD und Union – wie auch schon in Sachsen-Anhalt wenige Monate zuvor – in Mecklenburg-Vorpommern nicht schlecht.

Literatur:

Bräuninger, Thomas und Marc Debus (2011): Parteienwettbewerb in den deutschen Bundesländern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

 

Politikwechsel in Baden-Württemberg?

Das 1952 gegründete Land Baden-Württemberg bekommt in Folge der Landtagswahlen vom März 2011 zum ersten Mal eine Regierung, an der die Christdemokraten nicht beteiligt sind. Die grün-rote Koalition plant Reformvorhaben insbesondere in den Bereichen Bildung und Wissenschaft sowie Umwelt, Verkehr und Infrastruktur. Inwiefern spiegelt sich diese neue Politik auch im neuen Koalitionsabkommen wieder? Zeigen sich Unterschiede zwischen der alten und der neuen Regierung, wenn das grün-rote Programm von 2011 mit demjenigen der schwarz-gelben Koalitionsregierung von 2006 verglichen wird?

Eine Antwort auf diese Frage kann eine Inhaltsanalyse der Wahlprogramme und Koalitionsabkommen der baden-württembergischen Parteien von 2006 und 2011 liefern. Das Ergebnis dieser computergestützten und auf den Volltexten der jeweiligen Dokumente beruhenden Inhaltsanalyse macht mit Hinblick auf die Positionen der Parteien in den beiden, den deutschen Parteienwettbewerb maßgeblich strukturierenden Politikfeldern Wirtschaft und Gesellschaft und unter Berücksichtigung des statistischen Fehlerbereichs deutlich, dass die bislang regierenden Parteien CDU und FDP nur unwesentlich ihre programmatische Position zwischen 2006 und 2011 geändert haben. Die Union nimmt nach wie vor gesellschaftspolitisch konservative und wirtschaftspolitisch moderat-liberale Positionen ein, während die Freien Demokraten in Fragen der Innen-, Rechts- und Gesellschaftspolitik eindeutig progressiv und wirtschaftspolitisch explizit liberal ausgerichtet sind. Leichte Verschiebungen zeigen sich hingegen bei der SPD, die zur Wahl 2011 im Vergleich zu ihrem Wahlprogramm 2006 deutlich progressivere Positionen in gesellschaftspolitischen Aspekten vertritt. Bündnis 90/Die Grünen nehmen in ökonomischen Fragen eine den Sozialdemokraten nahezu identische Haltung ein, sind jedoch gesellschaftspolitisch noch progressiver als ihr künftiger Koalitionspartner ausgerichtet.

Wo befinden sich die Koalitionsabkommen in diesem aus den Politikfeldern Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik aufgespannten Politikraum? Zu erwarten wäre, dass die inhaltlichen Positionen des schwarz-gelben bzw. grün-roten Regierungsprogramms zwischen denjenigen der jeweiligen Koalitionsparteien und zudem näher an dem Standpunkt der jeweils stärkeren Regierungspartei liegen. Die inhaltlichen Positionen der beiden Koalitionsabkommen zeigen, dass das schwarz-gelbe Regierungsprogramm von 2006 ziemlich genau den Mittelwert aus den Positionen von CDU und FDP widerspiegelt. Offenbar konnten sich die Liberalen überdurchschnittlich stark in den damaligen Verhandlungen mit der Union durchsetzen. Auch der grün-rote Koalitionsvertrag lässt sich zwischen den Positionen von Sozialdemokraten und Grünen verorten, jedoch mit einem leichten Vorteil für die SPD: das im April 2011 formulierte Koalitionsabkommen liegt näher an der Position des kleineren Koalitionspartners als an der Position der Bündnisgrünen. Zieht man die Koalitionsabkommen als Indikator für die künftige Politik der baden-württembergischen Landesregierung heran, so lässt sich eindeutig mit Veränderungen in den Politikinhalten rechnen: einigten sich CDU und FDP noch auf einen wirtschaftsliberale und gesellschaftspolitisch moderat-konservative Positionen beinhaltenden Koalitionsvertrag, so spiegelt das Abkommen von Grünen und SPD moderat-linke Positionen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik wider und formuliert wesentlich progressivere gesellschaftspolitische Politikziele als das christlich-liberale Regierungsprogramm von 2006. Baden-Württemberg darf sich diesen Ergebnissen zu Folge in der Tat auf zahlreiche Reformen und Neuerungen in den kommen Jahren einstellen.

 

Gegen jede Regel

Der Koalitionsvertrag der ersten grün-roten Landesregierung steht. Er spricht sensible Themen an und formuliert Vorschläge, die so nicht zu erwarten waren. Das ist mutig, wenn man bedenkt, dass Grün-Rot schon für sich genommen ein Experiment ist – gerade in Baden-Württemberg. Die neue Regierung wird von allen Seiten besonders aufmerksam beobachtet und ihre Kritiker werden jede sich bietende Angriffsfläche nutzen. Genau genommen haben sie bereits damit begonnen.

Man hätte demnach vermuten können, dass sich die Koalitionäre in besonderer Weise darum bemühen würden, den Eindruck eines Übergangs zu vermitteln und den eines Umbruchs zu vermeiden. Dafür könnte man sich an den Lektionen orientieren, die sich aus den vergangenen Regierungswechseln im Bund und in den Ländern ableiten lassen. Schließlich bieten diese einen großen Fundus an Beispielen für gelungene und missglückte Starts von neuen Koalitionen. Auch wenn die inhaltlichen Fragen dabei sehr unterschiedlich gewesen sein mögen, scheinen sich doch ein paar Grundregeln für neue Regierungen abzuzeichnen.

Ein Katalog an Geboten für das „Regieren nach dem Wechsel“ könnte ungefähr so aussehen:

1. Macht Euch die Erfolge der Vorgängerregierung zu Eigen

Politische Maßnahmen wirken nur in den seltensten Fällen umgehend, oft liegen Monate oder Jahre zwischen dem Beschluss und messbaren Effekten. Das sogenannte „decision lag“ ist von Politikfeld zu Politikfeld unterschiedlich groß, beispielsweise wirken finanzpolitische Maßnahmen oft schneller als sozialpolitische. Die Vereinnahmung positiver Leitungen der Vorgängerregierung ist somit in vielen Fällen möglich und erfreut sich dementsprechend großer Beliebtheit.

2. Setzt Euch für die Startphase ein klares Programm und zieht es durch

Handlungsfähigkeit zu beweisen ist gerade für Parteien, die bisher nicht an der Regierung beteiligt waren, immens wichtig. Die Frage „Können die auch regieren?“ scheint allgegenwärtig. Entscheidend ist also nicht (nur), ob die zentralen Wahlkampfversprechen im Koalitionsvertrag auftauchen, sondern auch, ob sie umgesetzt werden.

3. Macht Euch bewusst, dass Euer Handlungsspielraum begrenzt ist

Die These vom Politik-Erbe wurde in diesem Blog bereits angesprochen. Über ihr tatsächliches Ausmaß besteht keine Einigkeit, Schätzungen besagen aber, dass Regierungen nur über einen sehr kleinen Anteil des Gesamthaushaltes frei verfügen können (einige nennen einen Wert von ca. fünf Prozent). Alle anderen Ausgaben sind durch verschiedenste Verpflichtungen (Sozialleistungen, Schuldendienst, politische Langzeitprojekte etc.) bereits vorgegeben.

4. Widmet Euch zunächst populären Themen

In jedem Wahlkampf gibt es eine Art „Gewinnerthema“, das zumeist durch Nachwahlbefragungen deutlich ausgewiesen wird. Wer dieses politische Vorhaben umsetzt, kann sich Kredit in der Bevölkerung erarbeiten. Dies gilt umso mehr, da es sich oft um Themen handelt, welche den Bürgerinnen und Bürger auch auf einer emotionalen Ebene wichtig sind. Dies bietet den Parteien die Chance, die eher kurzfristige themenspezifische Unterstützung in „diffuse“, langfristige Unterstützung zu transformieren.

5. Erhöht nicht die Steuern

Steuererhöhungen mögen in Einzelfällen in der Bevölkerung auf Verständnis stoßen, etwa wenn es um die Gegenfinanzierung erwünschter Reformprojekte geht. Hierfür ist jedoch große Überzeugungsarbeit zu leisten, da es immer Bevölkerungsgruppen geben wird, die durch derartige Maßnahmen schlechter gestellt werden und dies auch artikulieren. Umfragen deuten darauf hin, dass in Zeiten leerer Kassen generell eher Sparmaßnahmen als Steuererhöhungen akzeptiert werden.

Diese Liste beansprucht weder Vollständigkeit noch Allgemeingültigkeit, insbesondere bezieht sie sich auf das strategisch-taktische Verhalten einer neuen Regierung („Wie regieren?“) und nicht auf konkrete Sachentscheidungen („Was tun?“). Dennoch vermittelt der Blick auf die Vorhaben der künftigen Landesregierung in Baden-Württemberg unter diesen Gesichtspunkten den Eindruck, Grün-Rot breche mit den Regeln.

Erfolge der Vorgängerregierung: Mit umfangreichen Reformen in der Bildungspolitik und der Ankündigung einer ökologischen Trendwende in der Automobilbranche wagt sich die neue Regierung gleich an zwei Langzeit-Erfolgsthemen heran und stellt die auch im internationalen Maßstab erfolgreichen Konzepte in Frage.

Handlungsfähigkeit: Anstelle eines zünftigen „Durchregierens“ setzt die Regierung gleich zu Beginn beim Thema Stuttgart 21 auf einen Volksentscheid, gibt also ihre Entscheidungshoheit an die Bevölkerung ab.

Grenzen: Mit der Entscheidung, die Studiengebühren wieder abzuschaffen, und dem gleichzeitigen Versprechen, die fehlender Gelder durch Landesmittel aufzubringen, wird ein Handlungsspielraum suggeriert, der noch nicht gegenfinanziert ist.

Populäre Themen: Das „Gewinnerthema“ der Wahl war die Energiepolitik. Neben eher zurückhaltenden Äußerungen zum Zeitpunkt des Atomausstiegs kündigt die Regierung nun an, die Suche nach einem Endlager für Atommüll aufnehmen zu wollen, und nimmt dafür Skepsis in der Bevölkerung in Kauf.

Steuern: Der erste konkrete Vorschlag zur Finanzierung der Reformprojekte ist eine Steuererhöhung: Der Steuersatz für Grunderwerb soll steigen.

Warum also tut Grün-Rot das? Möglicherweise liegen ihrer Vorgehensweise nicht primär strategische und taktische Erwägungen zugrunde, sondern Überzeugungen. Das ist einerseits nicht ungefährlich, da auf diese Weise schnell Grundsatzfragen ins Zentrum der Debatte rücken können, bei denen die Kompromissfindung schwerfällt. Dadurch könnte schon der Start der neuen Legislaturperiode auch für die Regierung zum „Stresstest“ werden.

Andererseits entspricht das Vorgehen von Grünen und SPD dem Versprechen des designierten Ministerpräsidenten, einen neuen Politikstil etablieren zu wollen. Man darf in diesem Sinne gespannt sein, ob diese Koalition tatsächlich stilprägend sein wird.

 

Stuttgart 21 und die Geschichte vom Politik-Erbe

Wenn eine neue Regierung ins Amt kommt, hat sie typischerweise zunächst einmal primär mit den Maßnahmen der Vorgängerregierung zu kämpfen: Deren politisches Erbe tritt sie an. Die künftige Landesregierung von Baden-Württemberg hat sich insbesondere die Entscheidung zu Stuttgart 21 nicht leicht gemacht. Das Projekt war eines der zentralen Themen im Wahlkampf und dementsprechend konkret und ausdifferenziert waren die Positionen aller Parteien. Also wurde in den Koalitionsverhandlungen nun auch ein detaillierter Kompromiss gesucht, der die Wahlkampfankündigungen von Grünen und SPD reflektiert und somit keinen der beiden Koalitionspartner vor das Problem stellt, Wahlversprechen brechen zu müssen.

Dieser Drahtseilakt scheint gelungen zu sein: Der SPD-Forderung nach einer Volksabstimmung wurde entsprochen, zugleich haben die Grünen eine weitere Hürde eingezogen, die das Projekt nehmen muss: Wenn die Gesamtkosten 4,5 Mrd. Euro übersteigen, wird sich das Land an diesen Mehrkosten nicht beteiligen, wodurch das Projekt für die Bahn schnell deutlich an Rentabilität verliert. Hinzu kommt die Vereinbarung, dass das Quorum für Volksentscheide gesenkt werden soll.

Die Klausel, dass ein Drittel der Wahlberechtigten gegen das Projekt stimmen müsste, um es zu kippen, war ein Hauptgrund dafür, dass die Grünen zuletzt von der Idee einer Volksabstimmung Abstand genommen hatten. In der Tat scheint dies eine extrem hohe Hürde zu sein: Ein Drittel der Wahlberechtigten müsste beim Volksentscheid gegen das Projekt stimmen, um es zu stoppen, das wären ca. 2,54 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Die Grünen haben bei der Landtagswahl 1,21 Mio. Stimmen bekommen, die SPD 1,15 Mio. Das macht zusammen 2,36 Millionen – die Gegner von S21 müssten also mehr Stimmen bekommen, als Grüne und SPD bei der Landtagswahl zusammen (und diese 2,36 Mio. Stimmen haben immerhin für die Regierungsmehrheit gereicht).

Eine Absenkung des Quorums scheint also geboten. In Berlin liegt es beispielsweise bei 25 Prozent, was bereits als hoch empfunden wird; in Hamburg wurde die Schwarz-Grüne Schulreform erfolgreich verhindert, dafür war ein Quorum von 20 Prozent nötig. Ob sich die Opposition in Baden-Württemberg davon aber beeindrucken lassen wird, ist fraglich. Schließlich hatte Schwarz-Gelb noch vor Kurzem ebenfalls eine Absenkung des Quorums vorgeschlagen, war damit aber an der damaligen Opposition von SPD und Grünen gescheitert, die eine Abschaffung forderten.

Positiv aus Sicht der neuen Regierung ist bei alledem jedoch zumindest dies: Man hat einen Weg gefunden, die Entscheidung der Vorgängerregierung auf den Prüfstand zu stellen und die Bürger in diesen Prozess einzubeziehen. Damit befreit man sich von der Klammer des Politik-Erbes: Meistens sind Regierungen durch Entscheidungen ihrer Vorgänger so stark in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt, dass sie gar nicht die Möglichkeiten haben, substanzielle Änderungen vorzunehmen. Und wenn sie es doch tun, wie etwa die Bundesregierung mit dem Beschluss zur Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke, sind massive Widerstände und Einsprüche von allen Seiten vorprogrammiert.

Apropos Atomkraft: Umfragen zufolge war nicht S21, sondern der Atomausstieg das entscheidende Thema der Landtagswahl. Hier sieht sich die künftige Regierung vor der Herausforderung, Kraftwerke abschalten zu wollen und zugleich Anteilseignerin beim Kraftwerksbetreiber EnBW zu sein. Diese Situation beinhaltet Konfliktpotenzial. Über den Einstieg bei EnBW hat übrigens kurz vor der Wahl die alte Landesregierung entschieden: Also doch wieder die alte Geschichte vom Politik-Erbe …

 

Nichts dazu gelernt? Zur Verständlichkeit der Wahlprogramme in Baden-Württemberg

Am 27. März wird in Baden-Württemberg gewählt und mittlerweile haben alle Parteien mit einer realistischen Chance auf den Einzug in den neuen Landtag ihre Wahlprogramme vorgelegt. Wie schon bei früheren Wahlen stellen die Parteien hierbei äußerst unterschiedliche Ansprüche an ihre potenzielle Wählerschaft. Dies lässt sich schon allein anhand der unterschiedlichen Programmlängen belegen: Während z.B. die SPD mit 65 Seiten (etwa 20.000 Wörter) das kürzeste Programm vorlegt, präsentieren die Grünen zum wiederholten Mal das mit Abstand längste Programm (241 Seiten bzw. ca. 48.000 Wörter).

Ob die Öko-Partei tatsächlich glaubt, dass sich ihre Wähler vor der Wahl durch dieses Kompendium kämpfen werden, darf bezweifelt werden. Auch die FDP dürfte mit ihrem 136 Seiten umfassenden Werk kaum auf die breite Masse der Wähler hoffen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass die Parteien die Langfassungen ihrer Programme – auch wenn die Bezeichnung und der Inhalt anderes vermuten lassen – nicht für den „normalen“ Wähler und Politiklaien schreiben. Vielmehr richten sie sich an parteiinterne und -externe Experten, quasi als Leitlinie für die eigenen Mitglieder und als Grundlage für die Berichterstattung der Massenmedien. Das hat zwangsläufig auch Folgen für die Verständlichkeit, wie der gerade wieder veröffentlichte „Wahlprogramm-Check“ der Uni Hohenheim belegt.

Demnach lässt sich die Verständlichkeit des FDP-Wahlprogramms mit der von politikwissenschaftlicher Fachliteratur vergleichen (4,6 von maximal 20 Punkten auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex). Die anderen Programme schneiden zwar deutlich besser ab, für die breite Masse der Wähler dürfte jedoch – wenn überhaupt – nur das CDU-Programm verständlich sein (Index-Wert: 11,2). Doch auch in diesem finden sich sprachliche Ungetüme wie „Hochwasserrisikomanagementpläne“ oder „Landschaftserhaltungsverbände“. Und nicht nur die schiere Wortlänge lässt bei fast allen Wahlprogrammen zu wünschen übrig: So mancher Wähler dürfte auch mit vergleichsweise kurzen Begriffen wie „novellieren“, „konsekutiv“, „partizipativ“ oder „proporzgerecht“ seine liebe Mühe haben.

Abbildung 1: Länge der Wahlprogramme

Dass es auch anders geht, beweisen die Parteien mit den Kurzfassungen ihrer Programme, allen voran die Grünen, die auch das mit Abstand kürzeste Kurzprogramm vorlegen (ca. 700 Wörter). Offensichtlich ist die verständliche Formulierung der Wahlziele für diese Fassungen der Wahlprogramme reserviert: So erzielen die Grünen hier einen Index-Wert von 16,1 Punkten, was nahe an die Verständlichkeit des politischen Teils der Bild-Zeitung heranreicht. Und auch das am schlechtesten verständliche Kurzprogramm der Linken (11,7 Punkte) ist noch immer verständlicher formuliert als die verständlichste Langfassung der Wahlprogramme.

Abbildung 2: Verständlichkeit der Wahlprogramme

Insgesamt ergibt sich auf diese Weise ein sehr ähnliches Bild wie bei der letzten großen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Mit Ausnahme der CDU legen die Parteien Programme vor, die für den Großteil der Wähler nicht verständlich sein dürften. Nichts dazu gelernt also? Nicht unbedingt: Denn mit Ausnahme der SPD fallen die Kurzprogramme bei allen Parteien deutlich verständlicher aus als in Nordrhein-Westfalen. Anders als die Langfassungen, die ausnahmslos unverständlicher ausfallen. Ein Ergebnis, das möglicherweise für eine gezielte Fokussierung der politischen Verständlichkeitsbemühungen seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen spricht.

P.S.: Eines sollte nicht unerwähnt bleiben: Alle fünf untersuchten Parteien haben neben den Lang- und Kurzfassungen ihrer Programme auch Programme in „leichter Sprache“ vorgelegt, die sich an geistig behinderte Menschen richten und allesamt den Maximalwert von 20 Punkten auf der Hohenheimer Verständlichkeitsskala erreichen. In dieser Hinsicht können die Bemühungen der Parteien also durchaus als vorbildlich bezeichnet werden.

 

Drei Links, zwei Rechts: Der Wahl-o-mat in Baden-Württemberg

Nachdem der Wahl-o-mat kürzlich für Hamburg mit Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Parteien noch ein recht buntes (bis übersichtliches) Bild produziert hat, ist in Baden-Württemberg die politische Welt noch in Ordnung – fein und säuberlich. „Drei links, zwei rechts“, so könnte man das Ergebnis zusammenfassen.

Will heißen: 38 Thesen wurden den Parteien in Baden-Württemberg vorgelegt, zu denen sie sich positionieren sollten. Untersucht man die Antworten der Parteien auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin (*), ergibt sich ein übersichtliches, an politischen Lagern orientiertes Bild: Die Übereinstimmung zwischen Grünen und SPD ist mit 82 Prozent am höchsten, gefolgt von SPD und Linkspartei (75%), Grünen und Linken (72%) sowie CDU und FDP/DVP (70%). Die guten, alten Lager – sortiert auf einer einfachen Links-Rechts-Skala – zeigen sich. Danach dagegen tut sich eine deutlich sichtbare Lücke auf – im Mittelfeld tummeln sich die Paarungen SPD/FDP, CDU/SPD sowie Grüne/FDP. Dann folgt wieder eine Lücke und es beginnt der Bereich, in dem die Unterschiede gegenüber den Gemeinsamkeiten dominieren. Das gilt also auch für CDU und Grüne, denen ja immer wieder wechselseitige Avancen unterstellt werden.

Bemerkenswert ist dabei, dass sich dieses Muster über viele Politikbereiche hinweg zeigt – Wirtschaft, Soziales, Bildung, überall ähnliche Muster. Auch dies stützt die Interpretation im Lichte einer einzigen Links-Rechts-Skala. Zumindest aus dieser (Koalitions-)Warte betrachtet sind also nach dem 27. März kaum Überraschungen zu erwarten.

(*) Der Index berechnet sich wie folgt: Für jedes Paar von Parteien wird über alle 38 Thesen hinweg gezählt, wie oft die Parteien übereinstimmen. Jede Übereinstimmung gibt einen Punkt, jede Kombination von “stimme zu” oder “stimme nicht zu” mit “neutral” einen halben Punkt. Addiert man diese Punkte zusammen und teilt die Summe durch 38 (die Zahl der Thesen), erhält man den Index. Die Annahme ist dabei natürlich, dass alle Thesen gleich wichtig sind.