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Ditib, KRM, ZMD, VIKZ, IGMG – und die DIK

 

Ich habe gestern eine Veranstaltung der Katholischen Akademie in Berlin über den Dialog mit dem Islam moderiert. Ich konnte also nicht selber mitdiskutieren, wie ich es an mancher Stelle allerdings gerne getan hätte. Und entsprechend werde ich auch die Redebeiträge der Teilnehmer nicht kommentieren. Zwei Dinge aber konnte ich loswerden.

An Stelle des angekündigten Bekir Alboga nahm Rafet Öztürk teil, auch er für die Ditib tätig, und zwar als „Koordinator für den interreligiösen Dialog“. Alboga konnte nicht kommen, weil in den Islamverbänden immer noch um eine gemeinsame Haltung zur Deutschen Islamkonferenz gerungen wird. Am Mittwoch dieser Woche soll eine erste Arbeitssitzung stattfinden.

Folgendes habe ich an die Adresse von Herrn Öztürk gesagt: „Ich will Ihnen gerne mal erläutern, wie sich der derzeitige Streit unter den Verbänden für einen Medienvertreter darstellt. Ich muss meinen Kollegen in der Redaktion klarmachen, warum wir eventuell noch einen Kommentar zum Thema der Islamkonferenz brauchen. Ich fange also an zu erklären: Die Ditib hat den ZMD dafür kritisiert, die DIK durch eine Boykottdrohung zu gefährden, weil ja bekanntlich der Islamrat, der eigentlich IGMG ist, als Mitglied des KRM nicht mehr an der DIK teilnehmen soll. Der VIKZ verhält sich neutral…. Zu diesem Zeitpunkt sind alle meine Kollegen in Sekundenschlaf verfallen. Und ich kann ihnen nicht einmal übel nehmen, dass sie sich für dieses Akronym-Chaos nicht mehr interessieren. Zwischen den genannten Organisationen gibt es keine nennenswerten theologischen oder politischen Unterschiede, die für ein deutsches Publikum interessant wären. Diese Unterscheidungen, lieber Herr Öztürk, haben mehr mit ihrer Herkunft als mit der Zukunft der Muslime in diesem Land zu tun. Wenn Sie sie nicht überwinden können, werden sie sich selbst marginalisieren, und dies vielleicht ganz zu Recht.“

Zweitens war es mir am Ende der Diskussion ein Bedürfnis herauszustreichen, dass Deutschland – anders als die Debatte manchmal suggeriert – ein Land mit ungeheurer Dynamik und Veränderungsbereitschaft ist. In wenigen Jahrzehnten sind hierzulande fast 2.700 Moscheegemeinden entstanden und mehrere Millionen Muslime (bis zu 4, je nachdem wie man rechnet) wurden aufgenommen. Viele der aktiven Muslime konnten hier erstmals erfahren, was Religionsfreiheit heißt: Der Imam wird eben nicht vom Staat geschickt (es sei denn, man geht in eine Ditib-Moschee). Die Gemeinden sind frei, ihre Dinge nach eigenem Gusto selbst zu verwalten. Und vom Geheimdienst wird man auch nur beobachtet, wenn es gute Gründe dafür gibt (anders als in vielen Heimatländern). Es ist auch ohne negative Folgen (jedenfalls seitens der staatlichen  Stellen) möglich, „Kulturmuslim“ oder Atheist zu sein. In anderen Worten: Deutschland ist ein besseres Land für Muslime als viele der Herkunftsländer.

Nach den Morden an den christlichen Missionaren in Malatya vor drei Jahren brachte der Hürriyet-Chef Ertugrul Özkök es auf den Punkt: „Wo ist die muslimische Toleranz für den anderen Glauben?“, fragte der Chefredakteur. „Türken haben in Deutschland mehr als 3000 Moscheen, und wir halten ein paar Kirchen und ein Dutzend Missionare nicht aus?“ Auch wenn 3.000 Moscheen wohl eher die Zahl der (türkisch geprägten) Moscheen in ganz Europa ist, hat er absolut den Punkt getroffen.

Und dazu sollte man als Muslim in Deutschland auch gelegentlich mal was sagen, statt sich bloß über „Islamophobie“ zu beklagen. Wie islamophob kann ein Land sein, dass ohne große Aufwallungen (wenn man mal von den schändlichen Mordtaten wenige Jahre nach der deutschen Einheit absieht, die aber nicht explizit antimuslimisch waren, sondern ‚bloß‘ xenophob, und sie hatten die „Lichterketten“ zur Folge) die Bildung von 2.700 Moscheegemeinden in wenigen Jahrzehnten verträgt?

Bei allen Problemen ist das ein Grund zum Stolz auf dieses Land, und den sollten die Muslime, die davon profitieren, offensiv vertreten. Sie tun das aber nicht, sondern flüchten sich allzu oft eine unpolitische Opferhaltung.

Nach der Veranstaltung wurde ich von mehreren Verbandsvertretern aus dem Publikum auf diese Aussage angesprochen. Zu meinem eigenen Erstaunen stimmten sie mir zu.