Flyer für die Filmvorführung des verhinderten Films
Man stelle sich vor: da soll in einem alternativen Stadtteilkino auf St. Pauli ein Film des jüdischen Antifaschisten Claude Lanzmann „Warum Israel“ (von 1972) gezeigt werden, in dem der Frage nachgegangen wird, was es bedeutet, in einem jüdischen Staat zu leben, der vor allem ein sicherer Hafen für Verfolgte und Überlebende der Shoah war und noch heute eine Zufluchtsstätte vor dem weltweit grassierenden Antisemitismus ist.
Die Aufführung dieses Films wird unter massiver Gewaltandrohung verhindert. Was war da passiert? Es handelte sich hier nicht um das Werk von militanten Nazis, was der wohl naheliegendste Gedanke wäre. Nein, eine Gruppe sich selbst als „links“ bezeichender Aktivisten aus dem „Internationalistischen Zentrum – B 5“ ist verantwortlich für diesen antisemitischen Übergriff mitten im Hamburger Stadtteil St. Pauli…
Die antifaschistische Recherche-Seite „redok“ schreibt hierzu unter dem Titel „Seht nicht beim Juden“:
„Eine Gruppe linker Antisemiten hat am vergangenen Sonntag gewaltsam die Vorführung eines Filmes über Israel verhindert. Bei der Blockade des Kinos sollen Beschimpfungen wie „Judenschweine“ gefallen sein. Der Hamburger Verband der Partei „Die Linke“ veröffentlichte eine Rechtfertigung der Aktion, mit der die Vorführung eines „zionistischen Propaganda-Films“ verhindert worden sei.
Gezeigt werden sollte der 1972 entstandene Film „Warum Israel“ des französischen Filmemachers Claude Lanzmann, der vor allem durch seinen neunstündigen Dokumentarfilm „Shoah“ bekannt ist. Nach Angaben des Kinos im Stadtteil St. Pauli und der Veranstalter der geplanten Vorführung hatten etwa 15 Personen aus dem Umfeld einer antiimperialistischen Gruppe, dem internationalistischen Zentrum B5, den Zugang blockiert und die eintreffenden Besucher der Vorführung gefilmt und fotografiert.
Die Blockierer hätten sich überdies mit Handschuhen, einem Fahrradschloss und einem Gürtel auf ein gewaltsames Vorgehen vorbereitet. Tatsächlich sei es zu einer Rangelei gekommen, wobei einige Besucher durch Schläge ins Gesicht verletzt worden seien. Die Vorführung wurde aufgrund der Boykott-Aktion schließlich abgesagt.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Pinneberg, Wolfgang Seibert, verurteilte die Aktion und nannte sie „das Vorgehen einiger wild gewordener Kleinbürger“, die sich zwar als links verstünden, aber „in ihrem Vorgehen aber durchaus als Mitläufer und Handlanger der Neonazis bezeichnet werden können“. Mit Beschimpfungen wie „Judenschweine“ und „Schwuchteln“ hätten sich die Blockierer selbst diskreditiert: „Wer solche antisemitischen und schwulenfeindlichen Worte benutzt, hat jedes Recht verloren sich ‚internationalistisch‘ zu nennen.“ Dass mit Gewalt bestimmt werde, „was gesehen werden darf und was nicht“, sei absolut nicht hinnehmbar, so Seibert: „Wir haben von dieser Art der Zensur die Schnauze voll“.
Christiane Schneider, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linken, verurteilte in einer Stellungnahme mittlerweile den antisemitischen Übergriff deutlich als „inakzeptable Aktion“, dessen politischer Zweck es sei , „das Existenzrecht Israels als Zufluchtsort jüdischen Lebens demonstrativ zu bestreiten. Zugleich wurde damit das Recht bestritten, dass sich die Erfahrung jüdischer Menschen, eben diesen Zufluchtsort zu benötigen, in der [deutschen!] Öffentlichkeit artikulieren.“ Zudem wurde die Rechtfertigung der Aktion von der Homepage genommen und eine kritische Aufarbeitung der Vorkommnisse angekündigt.
Weitere ausführliche Berichte zu den antisemitischen Übergriffen findet ihr u.a. bei NPD-Blog.Info hier und hier und einen treffenden Kommentar in der taz.
Es ist schockierend, dass einige sich selbst als links bezeichnende Gruppen beim Wort „Israel“ reflexartig alles über den Haufen rennen und nicht mal davor zurückschrecken, einen Film von Claude Lanzmann zu verhindern. Bleibt zu hoffen, dass sich andere, der politischen Linken zugehörige Zusammenhänge, deutlich von diesen Gruppen distanzieren.