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Gedenken zum 8. Mai in Hamburg

 

Anlässlich des 65. Jahrestages der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands ist in Hamburg eine interessante Form des Gedenkens geplant: durch temporär markierte Orte (siehe Foto) in Hamburg, die als Ergänzung und Kommentierung zur städtischen Gedenklandschaft zu verstehen sind, sollen die „vielschichtigen Dimensionen und Verknüpfungen von Täterschaft, Beteiligten, Institutionen, Alltäglichkeit von Gewalt und Ausgrenzung und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz des Nationalsozialismus vergegenwärtigt und sichtbar“ gemacht werden.

So wird beispielsweise thematisiert, dass sich an die 100.000 Hamburger Haushalte von 1941 – 45 bei nahezu täglichen Versteigerungen an geraubtem jüdischen Besitz bereicherten, ebenso wie die Tatsache, dass KZ-Häftlinge zur Beseitigung von Trümmern eingesetzt wurden, aber bei Bombenangriffen selbst nicht in die Schutzbunker durften und den Angriffen schutzlos ausgeliefert waren.

Den Hintergrund dieser spannenden und unterstützenswerten Aktion beschreiben die Macher des Projektes „Fußnote*“ wie folgt:

Fußnote*
Die Geschichte des Nationalsozialismus ist im öffentlichen Raum Hamburgs durchaus präsent – durch Gedenkstätten, Gedenktafeln und nicht zuletzt über 2.500 »Stolpersteine«. Meist werden diese Orte allerdings übersehen und übergangen. Denk- und Mahnmale verschwinden aus der öffentlichen Wahrnehmung, wenn sie nicht immer wieder für verschiedenen Generationen oder Gesellschaftsgruppen »les- und verstehbar« gemacht werden. Darüber hinaus sind die verschiedenen Aspekte und Verknüpfungen von Alltag, Verfolgung und Volksgemeinschaft in der Hamburger Gedenklandschaft kaum sichtbar.

Anlässlich des 65. Jahrestages der Niederlage des Nationalsozialistischen Deutschlands am 8. Mai 2010 will das Projekt Fußnote* diese vielschichtigen Dimensionen vergegenwärtigen und im öffentlichen Raum sichtbar machen. Dies geschieht durch temporäre Fußnoten (siehe Foto) an 33 Orten in Hamburg, die mit Nationalsozialismus im Alltag und Militarisierung der Gesellschaft, Denunziation, Verfolgung und Zwangsarbeit sowie Kriegsgeschehen und Kriegsende in Zusammenhang stehen.
Die markierten Orte führen die Verwobenheit von politischer Machtausübung, staatlichem und individuellem Terror, aber auch von Handlungsspielräumen vor Augen. Durch die Konkretisierung historischer Orte bildet das Projekt einen Gegensatz zu einem medialen Mainstream, der historische Ereignisse verwischt, die nationalsozialistischen Verbrechen unter die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges subsumiert und die Geschichte des Nationalsozialismus durch das Narrativ einer Erfolgsgeschichte Deutschlands überschreibt. In Anlehnung an das Projekt IN SITU. Zeitgeschichte findet Stadt: Linz im Nationalsozialismus, ist auch das Projekt Fußnote* dabei dem »Prinzip der leisen Wirksamkeit« verbunden.

Unter den markierten Orten ist das Haus »Grüner Jäger« am Neuen Pferdemarkt, wo heute der gleichnamige Musikclub seine Räume hat. Das Haus wurde 1936 als Freizeitheim für die Hitlerjugend gebaut. Solche Versammlungsorte der HJ gab es in vielen Hamburger Stadtteilen. Am Großneumarkt wird an den Arbeiter Max Schlichting erinnert, der bei einer Unterhaltung auf dem dortigen Pissoir den „Endsieg“ anzweifelte und denunziert wurde. Der „Wehrkraftzersetzung“ beschuldigt wurde er zum Tode verurteilt und am 23. März 1945, in den letzten Wochen des Krieges, exekutiert.
Auf dem Rathausmarkt wird neben der kampflosen Übergabe der Stadt auch die Entnazifizierung thematisiert, bei der laut Bürgermeister Max Brauer in Hamburg „nicht nur ein, sondern zwei Augen zugedrückt“ wurden.

Das Projekt Fußnote* wird durch eine Podiumsdiskussion zum Thema „Niederlage – Befreiung – Stunde Null. Erinnerung an eine Zäsur in Hamburg und der BRD“ am 29.04.2010 in der Aula der Schule Altonaer Strasse eingeleitet. Über verschiedene Aspekte der Erinnerung an Nationalsozialismus, Krieg und Kriegsende in Hamburg und der Bundesrepublik diskutieren die Politikwissenschaftlerin Maike Zimmermann, der Politikwissenschaftler Henning Obens, sowie die Historiker Prof. Dr. Axel Schildt, Prof. Dr. Frank Golczewski und Dr. Malte Thiessen. Zu dieser Veranstaltung laden wir alle Interessierten herzlich ein.