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Aufmarschverbot nach Sprengstoff-Funden

 

Jung und gewaltbereit – "Autonome Nationalisten" 2007 bei einem Aufmarsch in Dortmund © Getty

Aus Angst vor einem Anschlag mit „lebensbedrohlichen Sprengsätzen“ hat die Polizei einen Naziaufmarsch am Samstag in Dortmund verboten. Ein führendes Mitglied der regionalen Naziszene wurde am Mittwoch verhaftet, weil es mit Glasscherben umwickelte Sprengsätze gebaut hatte. Jetzt befürchten die Sicherheitsbehörden, dass der Täter nahe der Route weitere Splitterbomben versteckt hat, die seine „Kameraden“ während des Aufmarsches zünden könnten.

Nach Informationen der Polizei hatte der Mann geplant am Samstag an dem Aufmarsch teilzunehmen. „Die Demonstration wäre ein nicht kalkulierbares Risiko“, begründete Polizeipräsident Hans Schulze am Donnerstag auf einer Pressekonferenz das Verbot. „Bei der Durchführung kann nicht ausgeschlossen werden, dass Menschen zu Tode kommen.“ Ein für Freitagabend angemeldetes Nazikonzert vor dem Dortmunder Hauptbahnhof bleibt jedoch vorerst erlaubt. Die Sicherheitsbehörden hatten mit rund 1500 Neonazis bei dem Aufmarsch gerechnet, vor allem aus dem Spektrum der äußerst gewaltbereiten „Autonomen Nationalisten“.

Bei dem 19-jährigen Sprengsatzbauer handelt es sich um ein führendes Mitglied der „Kameradschaft Aachener Land“, die als besonders gewaltbereit bekannt ist und enge Verbindungen mit der Dortmunder Szene pflegt. Aufmerksam wurden die Ermittler auf den Mann bereits am 1.Mai bei einem Naziaufmarsch in Berlin. Kurz vor einer Polizeikontrolle, warf er plötzlich mehrere Gegenstände weg und flüchtete. Die Einsatzkräfte entdeckten in den Büschen Tränengas und neun selbst gebastelte Sprengsätze, die zum Teil mit Scherben versetzt waren. Nach Ansicht von Experten, hätte die Zündung der Sprengkörper schwerste Verletzungen der Umstehenden zur Folge gehabt. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen des Verdachts auf „Vorbereitung eines Explosionsverbrechens“ ein und begann intensive Ermittlungen, um die Identität des Bombenbauers zu klären. Am Mittwoch wurden schließlich die Wohnung des Rechtsextremisten in Aachen sowie zwei weitere Objekte in Nordrhein-Westfalen durchsucht. In Aachen wurden bei den Durchsuchungen „diverse Munitionsbestandteile“ sichergestellt. In einer anderen Wohnung beschlagnahmten die Ermittler diverse Pyrotechnik , die dazu geeignet wäre, Sprengvorrichtungen herzustellen. Der 19-jährige sitzt inzwischen in Berlin in Untersuchungshaft.

Der jährlich Aufmarsch zum Antikriegstag in Dortmund gilt als die wichtigste Veranstaltung für die „Autonomen Nationalisten“. Diese Bezeichnung nutzen junge, erlebnisorientierte und äußerst gewaltbereite Neonazis seit einigen Jahren als identitätsstiftenden Sammelbegriff. In Nordrhein-Westfalen hat dieser Teil der Szene einen besonders starken Zulauf. Dortmund gilt als Hochburg der Gruppierung. Erst vor einer Woche griffen 20 vermummten „Autonome Nationalisten“ in der Dortmunder Innenstadt mit Flaschen und Steinen Besucher einer alternativen Kneipe in der Innenstadt an – mit dabei war auch der jetzt Festgenommene. Als am 1. Mai 2009 ein rechter Aufzug in Hannover verboten wurde, griffen mehrere hundert Neonazis in Dortmund mit Steinen, Holzlatten und Feuerwerkskörpern eine DGB-Kundgebung an. Die Polizei wurde von dem Gewaltausbruch damals völlig überrascht.

Die Gegner des Naziaufmarsches halten trotz des Verbots an ihren Protesten am Samstag fest. Sie befürchten, dass das Verbot durch ein Gericht im letzten Moment gekippt werden könnte. Ein breites Bündnis aus Bürgerinitiativen, Parteien und Antifagruppen mobilisiert seit Monaten zu friedlichen Blockaden des Aufmarsches. Die Anmelder des Naziaufmarsches haben angekündigt, gegen das Verbot zu klagen.