Wenige Wochen vor Europas größtem Naziaufmarsch in Dresden häufen sich Attacken auf die Berliner Organisatoren der Gegenproteste. Am Dienstagabend hätte es beinahe Verletzte geben. Gegen 21.30 Uhr warf ein Vermummter die Scheiben des Parteibüros der Neuköllner Grünen in der Berthelsdorfer Straße mit einem Pflasterstein ein. In den Räumen saßen zu diesem Zeitpunkt sieben junge Parteimitglieder bei einer Vorstandssitzung. Für sie steht fest, dass es sich um einen Angriff von Neonazis handelt, da für Mittwochabend eine Mobilisierungsveranstaltung gegen den rechten Aufmarsch im Büro angekündigt ist. Die Rechtsextremisten fühlen sich in Neukölln offenbar sicher. Noch in der gleichen Nacht kamen sie erneut und verklebten die Türschlösser mit Sekundenkleber. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Wenige Stunden vor dem Steinwurf waren in der ganzen Stadt Aktivisten begleitet von Bundestagsabgeordneten unterwegs, um für die Blockadeaktionen Plakate zu kleben. Schon mehrfach war das Grünen-Büro Ziel von nächtlichen Attacken. Zuletzt wurde „Rache für Rudolf Heß“ und ein verbotenes Keltenkreuz an die Hauswand geschmiert. Auch bei anderen Kultureinrichtungen und alternativen Kneipen in Neukölln wurden in den letzten Monaten immer wieder Scheiben eingeworfen und rechtsextreme Parolen hinterlassen. Ein junger Gewerkschafter, der in einem Prozess gegen Neonazis ausgesagt hatte, fand Morddrohungen an seiner Hauswand.
„Wir haben einen dumpfen Knall gehört und dann einen jungen Mann im schwarzen Kapuzenpullover wegrennen sehen“ sagte André Schulze, der an Dienstag mit seinen Parteikollegen mit dem Rücken zur Glasfront in der Geschäftsstelle saß. „Zum Glück hat der Stein die Scheibe nicht durchschlagen.“ Die Veranstaltung wollen sie jetzt erst recht durchführen. In eine Pressemitteilung heißt es: „Wer uns kennt, sollte wissen, dass Einschüchterungsversuche keinerlei Erfolge erzielen. Wir werden weiterhin mit demokratischen und friedlichen Mitteln gegen Rechtsextremismus kämpfen.“
Es ist bereits der zweite Anschlag mit Dresden-Bezug innerhalb weniger Tage. Erst in der Nacht zu Samstag hatten vermutlich rechtsextreme Täter das Geschäft „Red Stuff“ in der Waldemarstraße in Kreuzberg mit gelber Farbe beschmiert. In dem Laden können Plakate und Flyer für die Proteste abgeholt werden und auch Busfahrkarten für den 19. Februar werden dort verkauft. Im vergangenen Jahr fuhren mehr als 200 Reisebusse mit Gegendemonstranten aus ganz Deutschland in die sächsische Landeshauptstadt, davon rund 30 aus Berlin. Erstmals wurde seit vielen Jahren wurde der Aufmarsch von knapp 6000 Neonazis durch Sitzblockaden verhindert. Anschließend erhielten einige Berliner Politiker, die die Proteste unterstützt haben, Drohbriefe aus der Naziszene.
„Die Neonaziszene ist durch die erfolgreichen Massenblockaden im letzten Jahr offensichtlich so verunsichert, dass sie jetzt mit Gewalt reagiert“, sagte Judith Förster vom Bündnis Dresden-Nazifrei. Sie ist zuversichtlich, dass es auch dieses Jahr gelingt, den rechten Marsch zu stoppen. „Wir rechnen allein aus Berlin wieder mit weit über tausend Aktivisten.“ Am Dienstag rief neben Grünen und der Linken auch die Berliner SPD offiziell dazu auf sich am 19. Februar an den Protesten in Dresden zu beteiligen. Am Donnerstag wollen sich die Nazi-Gegner um 16.30 Uhr vor der sächsischen Landesvertretung in Mitte zu einem „Probesitzen“ treffen, um für die Sitzblockaden bei Minusgraden zu üben. Um 20 Uhr soll anschließend in der Humboldt-Universität eine Veranstaltung zum Thema „Dresden 2011 – Warum blockieren?“ stattfinden.
Alle aktuellen Termine finden sich unter: www.dresden-nazifrei.com