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Sicherheitsbehörden sammelten Daten von Journalist, weil er über Demonstrationen gegen Rechts berichtete

 

Aggressive Neonazis nach verordneter "Trauer", Foto: Kai Budler
Wie hier in Bielefeld, fotografiert und berichtet unser Autor Kai Budler regelmäßigen unter gefährlichen Bedingungen von rechtsextremen Aufmärschen © Kai Budler

Wer als Journalist regelmäßig über das Thema Rechtsextremismus berichtet, läuft offensichtlich in Gefahr in den Datenbanken des Verfassungsschutzes gespeichert zu werden. Gewerkschaften und Initiativen gegen Rechts protestieren gegen die das fragwürdige Vorgehen der Göttinger Polizei und des Verfassungsschutzes.

Bekannt wurde die Überwachung, nachdem der Göttinger Radioredakteur Kai Budler, der auch regelmäßig für den Störungsmelder schreibt, ein Auskunftsersuchen bei verschiedenen Behörden gestellt hatte. Anlass war der Abhörskandal der Staatsanwaltschaft Dresden und des sächsischen Landeskriminalamtes im Februar 2011. Damals hatten die Staatsanwaltschaft und das LKA bei einer Demonstration gegen eine Neonazi-Veranstaltung die Daten von rund einer Million Mobiltelefonaten erfasst. Angesichts dieses „Handygate“ sprach der sächsische Datenschutzbeauftragte von einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte.

Auf das Auskunftsersuchen teilte der niedersächsische Verfassungsschutz dem Anwalt des Journalisten mit, dass der Verfassungsschutz die „Erkenntnis“ hätte, dass der 43-jährige seit dem Jahr 2000 bei dem Lokalradio arbeite und an drei Demonstrationen in Göttingen teilgenommen habe. Tatsächlich hatte der Redakteur lediglich als Mitarbeiter des Stadtradios über die Demonstrationen für den Lokalsender berichtet.

Für Budlers Rechtsanwalt Sven Adam ein alarmierendes Signal: „Die Behörde macht aus der journalistischen Begleitung eine offenbar staatsgefährdende Teilnahme an legalen und angemeldeten Demonstrationen. Dies führt dazu, dass die angeblichen ‚Erkenntnisse‘ über meinen Mandanten jedes Mal erweitert werden, wenn er seiner beruflichen Pflicht nachgeht und über Demonstrationen berichtet“.

Adam spricht von einem „zweifelhaften Verständnis der Göttinger Polizei, wenn es um den Beruf des Journalisten geht.“ Der schützenswerte Beruf, als den der Bundestag den Journalismus vor rund 30 Jahren eingestuft hat, sei „hier offenbar ein Fremdwort“. Der Anwalt kritisiert außerdem die unvollständige Antwort des Verfassungsschutzes, in der die Behörde eine weitere Einsicht in die personenbezogenen Daten seines Mandanten verweigert. Aus diesem Grund ist jetzt der Niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz
eingeschaltet worden. „Mit einer Verpflichtungsklage habe ich zusätzlich rechtliche Schritte eingeleitet, damit mein Mandant endlich erfährt, welche angeblichen ‚Erkenntnisse‘ der VS noch für ihn bereithält“, sagte Adam.

Auch die Gewerkschaft Verdi kritisierte das Verhalten die Sicherheitsbehörden scharf:

„Die Beschäftigung unseres Kollegen beim Lokalradio als „polizeiliche Erkenntnis“ zu präsentieren ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Dass der Journalismus vom Bundestag als ein besonders „schützenswerter Beruf“ eingestuft wurde, ist bei der Göttingen Polizei offenbar unbekannt“, sagte Patrick von Brandt, Gewerkschaftssekretär bei Verdi-Göttingen.

„Dass nun die Ausübung seines Berufs für den Kollegen zu ständig erweiterten Einträgen in einer Verfassungsschutzakte führt, weckt ungute Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Solch eine Überwachung eines Journalisten bei der Arbeit bedroht die Pressefreiheit und ist absolut inakzeptabel.“

Die Störungsmelder-Redaktion fordert vom Verfassungsschutz die Löschung aller Daten unseres Autoren Kai Budler. Es kann nicht sein, dass ein professioneller Journalist, der seit Jahren zum Thema Rechtsextremismus arbeitet, durch seinen Job zur Zielscheibe der Sicherheitsbehörden wird.