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Das Ende der Nazi-Masken-Show

 

Fackelmarsch nach NS-Vorbild - Szenen aus einem Video-Clip der "Unsterblichen"

Es ist ein harter Schlag für die militante Neonazi-Szene. Das rechtsextreme Netzwerk „Spreelichter“ wurde am Dienstag von Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) verboten. Zeitgleich durchsuchten rund 260 Polizisten die Wohnungen von 27 Beschuldigten in Brandenburg und Sachsen.

Die Verbotsverfügung gegen die „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“, die als organisatorischer Rahmen der Spreelichter diente, umfasst ganze 60 Seiten. Die Gruppe wurde vor allem aufgrund ihrer bizarren, nächtlichen Aufmärsche bundesweit bekannt. Mit weißen Masken vermummt, zogen bis zu 200 Neonazis mit Fackeln durch kleine Ortschaften. Die Polizei kam meist zu spät und konnte die Täter nicht mehr fassen. Später tauchten dann jedes Mal unter dem Label „Die Unsterblichen“ professionell produzierte Videos der Aufzüge im Internet auf, die tausendfach geklickt wurden. Bald nutzten auch erlebnisorientierte Rechtsextremisten in anderen Bundesländern die an die Fackelmärsche der NSDAP angelehnte Aktionsform. Rund 50 Auftritte der „Unsterblichen“ registrierten die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Monaten. „Demokraten bringen uns den Volkstod“, lautete die Parole der Masken-Nazis.

„Die Vereinigung weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf und zeichnet sich durch ein aktiv-kämpferisches Vorgehen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung aus“, begründete Innenminister Woidke das Verbot. Viele Mitglieder hätten zahlreiche Straftaten begangen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien zentrale Motive der Gruppe gewesen. Auf der Webseite der Spreelichter fanden sich seitenlange Theorietexte zu „germanischer Abstammung“ und der Erhaltung eines „reinrassigen deutschen Volkes“. Unter anderem organisierten die Rechtsextremisten „Nationale Kampfsport-Turniere“, bei denen Neonazis vor Zuschauern im Ring ihre Kickbox-Künste trainierten. Die Gruppe soll auch mitverantwortlich sein für die jüngsten Anschläge auf die Redaktionsräume der Lausitzer Rundschau. Beim ersten Angriff wurde die Glasfassade mit einer Parole besprüht und mit Aufklebern versehen. Eine Nacht später beschmierten die Täter die Scheiben mit Tierblut und hängten die Innereien eines Tierkadavers auf den Briefkasten der Redaktion. Grund für die Bedrohungen war ein kritisch Bericht über die lokale Neonazi-Szene in der Zeitung.

Als Kopf der Spreelichter nennt der Verfassungsschutz den 30-jährigen Marcel Forstmeier aus Lübbenau. Auch seine Wohnung wurde am Dienstag durchsucht. Die Ermittler stellten im Laufe des Tages kistenweise Propagandamaterial, Computer und die Vereinskasse sicher. Auch Transparente mit Aufschriften wie „Nationaler Widerstand Spremberg“ und „Freiheit statt Demokratie“ wurden beschlagnahmt. Die beiden Webseiten der Gruppe sollten laut Woidke sobald wie möglich abgeschaltet werden. Am späten Nachmittag waren sie jedoch noch immer erreichbar. Das brandenburgische Innenministerium hat seit 1995 acht rechtsextreme Organisationen verboten, zuletzt die „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ im April 2011.

In Teilen der Neonazi-Szene löste die Spreelichter-Razzia Panik aus. „Jeder, der mit Spreelichtern etc. zu tun hatte, sollte sofort aufräumen!!!“, hieß es auf einschlägigen Webseiten. Andere Rechtsextremisten übten sich am Abend in Durchhalteparolen. „Das Verbrechersystem kann wild um sich schlagen wie es will. Der Widerstand geht weiter!“