Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) versuchte bei Günther Jauch zu rechtfertigen, was nicht mehr zu rechtfertigen ist. Am Ende zeigte sich, dass der Minister aus der rassistischen Terrorserie gleich null gelernt hat. Weiter werden die Behörden in Schutz genommen und ein kollektives Versagen vehement dementiert. Ein Kommentar.
„Deutscher Hass – Wie tief ist der Neonazi-Sumpf“ lautete das Thema der Günter-Jauch-Sendung vom Sonntag. Eine interessante Frage, die der Moderator mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, dem Grünen-Politiker Cem Özdemir, der Journalistin Mely Kiyak und dem Journalisten Thomas Kuban sowie dem Jenaer Sozialarbeiter Thomas Grund diskutieren wollte.
Und die Diskussion wurde tatsächlich sehr spannend. Denn Friedrich gab sich alle Mühe, um die Sicherheitsbehörden in Schutz zu nehmen und ihr Versagen zu relativieren. Ohnehin hätte es kein kollektives Versagen gegeben, sondern lediglich ein „individuelles“, wie der Minister zu erläutern versuchte.
Durchgekommen ist er damit freilich nicht. Sowohl Cem Özdemir als auch Mely Kiyak gaben Friedrich ordentlich kontra und brachten ihn schnell in eine Defensivposition, aus der er sich den Rest der Sendung über nicht mehr befreien konnte. Aber wie hätte er das auch tun sollen? Immerhin versuchte der CSUler die ganze Zeit über verzweifelt zu relativieren, was unmöglich zu relativieren ist. 13 Jahre lang leben Rechtsterroristen im Untergrund, überfallen 14 Banken, verüben zwei Sprengstoffanschläge und töten 10 Menschen, ohne dass der Verfassungsschutz etwas davon mitbekommt. Und nachdem alles aufgeflogen ist, werden erst mal Akten geschreddert, was gemäß der rechtlichen First ja eigentlich in Ordnung wäre, im konkreten Fall aber ungünstig gewesen ist, so der Tenor von Friedrichs Aussage. Na wunderbar, das sind schon interessante Zufälle – insbesondere dann, wenn man bedenkt, dass die Akten eigentlich längst hätten vernichtet sein müssen, tatsächlich aber erst dann zerstört wurden, als des Terror-Trio aufgeflogen war. Man kann dies zumindest bemerkenswert finden.
Friedrich hält jedoch daran fest, dass kein systematisches Versagen vorliege. Auch die unzähligen anderen „Pannen“, die vorgefallen sind, ändern an seiner Sicht der Dinge offenbar nichts. Vielmehr seien einzelne Fehler gemacht worden, mehr aber nicht. Und auch die Polizei nahm Friedrich in Schutz, denn diese hätte ergebnisoffen und in alle Richtungen ermittelt. Zudem habe man ja aus den Fehlern von früher gelernt und dementsprechend vieles getan. Als Beleg hierfür nannte Friedrich beispielsweise seine „Rechtsextremismus-Datei“, die er gerne als sagenumwobene Wunderwaffe im Kampf gegen gewaltbereite Neonazi anpreist. Dass diese Datei aber im Falle des NSU völlig nutzlos geblieben wäre, da man nicht einmal nach Neonazis als Täter gesucht hat, vergisst Friedrich hingegen völlig. Und auf die Frage der Journalistin Mely Kiyak, warum es diese Datei nicht schon viel früher gegeben hat, antwortete der Minister mehr oder minder trotzig, dass er zu diesem Zeitpunkt ja überhaupt noch kein Innenminister gewesen ist. Das ist zwar richtig – aber trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob es eine solche Verbunddatei denn unter Friedrich schon viel fürher gegeben hätte, ohne dass ein rechtsextremes Terror-Trio aufgeflogen wäre? Wohl kaum, denn wenn man die Gefahr, die von dem Rechtsextremismus ausgeht, nicht sehen will, wird man sich auch nicht zum Handeln gezwungen sehen. So einfach ist das.
Zusammenfassend war der Auftritt von Hans-Peter-Friedrich bei Günther Jauch beschämend. Anstatt sich bei den Opfern der rassistischen Terrorserie und deren Hinterbliebenen für die menschenunwürdige Behandlung durch die Ermittlungsbehörden zu entschuldigen, log er den Zuschauern ins Gesicht. Anstatt Fehler einzugestehen und Konsequenzen zu ziehen, preist Friedrich Wunderwaffen an, die in Wahrheit allerdings keine sind. Und von einer kontinuierlichen Verharmlosung des Rechtsextremismus will der CSUler schon gleich gar nichts wissen – und verpasst damit allen Opfern rechter Gewalt einen regelrechten Schlag ins Gesicht. Denn Cem Özdemir hat Recht, wenn er sagt: „Die Verharmlosung von Rechtsextremismus zieht sich wie ein roter Faden bis heute durch.“ Was in vielen Teilen der Bundesrepublik gnadenlose Realität ist, ist für Friedrich jedoch Polemik. So sieht ein Minister aus, der dieses „Staatsversagen“ (Zitat: der NSU-Untersuchungsausschussvorsitzende im Bayerischen Landtag, Franz Schindler) unbedingt rechtfertigen will, selbst aber nicht mehr weiß, wie das gehen soll. Einmal mehr wurde deutlich: Friedrich und sein Ministerium haben aus dem NSU nichts gelernt, ganz im Gegenteil. Am deutlichsten wurde das, als Friedrich das Versagen des Verfassungsschutzes in Thüringen als eine „Phase“ verharmloste, „in der das ein oder andere schiefgegangen ist“. Aber scheinbar wollen die Behörden unter der Leitung des Innenministers weitermachen wie vor der Terrorserie. Zumindest vermittelte Friedrich dieses Bild gestern.
Dieser Kommentar soll deshalb mit einer Aussage der Journalistin Mely Kiyak geschlossen werden: „Wenn sie nicht in den Rechtsextremismus hinein ermitteln wollen, dann nützen ihnen auch die besten Behörden und das beste Personal nichts.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Punkt.