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Die NPD als Anti-Antifa

 

Ein Neonazi fotografiert Gegendemonstranten bei einem Neonazi-Aufmarsch im westfälischen Soest im Feburar 2011 © Roland Geisheimer/attenzione
Ein Neonazi fotografiert Gegendemonstranten bei einem Neonazi-Aufmarsch im westfälischen Soest im Feburar 2011 © Roland Geisheimer/attenzione

Immer wieder bedrohen Neonazis engagierte Menschen. Die Szene versucht so ein Klima der Angst zu etablieren, um Aktionen gegen Rechtsextremismus im Keim zu ersticken. Nun beteiligte sich auch ein NPD-Kreisverband an einem Outing – sogar mit Rückendeckung aus der Parteizentrale aus Berlin.

Seit dem Amtsantritt von Holger Apfel versucht man in der NPD gern sich als „seriöse Kümmererpartei“ darzustellen, eine „ganz normale Partei“ zu sein. Dass dies vor allem in den ländlichen Regionen, wo die NPD teils eng mit den gewalttätigen neonazistischen „Freien Kameradschaften“ kooperiert, nicht wirklich umgesetzt wird, zeigt sich nun wieder in Thüringen. Im thüringischen Nordhausen outete und diffamierte der NPD-Kreisverband nun gemeinsam mit den lokalen neonazistischen „freien Kräften“ einen vermeintlichen Gegendemonstranten. Ein zusätzliches Problem dabei – der junge Mann war nie an Protesten beteiligt. Besonders brisant ist auch, dass die Bundes-NPD offensichtlich versucht, das Vorgehen zu decken. Dies könnte auch für ein Verbotsverfahren ein interessanter Fall sein.

NPD als Anti-Antifa

Seit Jahren versuchen Neonazis in Nordhausen am städtischen Gedenken an die Bombardierungen der Stadt anzudocken. Nach einer deutlichen Erklärung des Nordhäuser Stadtrates

Roy Elbert (NPD-Kreisvorsitzender) als Redner in Nordhausen © Kai Budler
Roy Elbert (NPD-Kreisvorsitzender) als Redner in Nordhausen © Kai Budler

gegen diese Versuche meldeten die Neonazis Anfang April diesen Jahres nun erstmals eine eigene „Gedenk-Kundgebung“ an. Doch bevor die geschichtsrevisionistische Veranstaltung beginnen konnte, kletterten zwei Gegendemonstranten auf Bäume und befestigten ein Transparent gegen Geschichtsrevisionismus am Kundgebungsort. Während der Aktion fertigten auch die anwesenden Neonazis zahlreiche Bilder der Gegendemonstranten an. Nur einen Tag nach der Aktion veröffentlichten der NPD-Kreisverband-Nordhausen und die neonazistische „Aktionsgruppe Nordhausen“ einen Outing-Artikel, in dem der selbstständige Gastronom Lars J. als „Stadtaffe“ und „lächerlich“ diffamiert wurde. Auch der Arbeitsort des jungen Mannes wurde durch die Neonazis veröffentlicht, ein Zweifel an seiner Identität besteht somit nicht mehr. Auch J. kann sich nicht erklären, wie die Neonazis auf ihn kommen. Er wurde erst am Abend durch einen Freund auf den Artikel und die Aktion hingewiesen. Er war „sehr schockiert darüber“, sagt Lars J. über diese Entdeckung. Vor allem, weil er überhaupt nicht in Nordhausen war, als die Gegendemonstranten auf die Bäume kletterten. Dies bestätigt auch die Pressestelle der Landespolizeiinspektion Nordhausen gegenüber Zeit-Online-Störungsmelder: Lars J. war keiner der linken Baumkletterer. Presserechtlich verantwortlich für die Homepage des NPD-Kreisverbandes Nordhausen zeichnet Roy Elbert. Elbert ist Kreisvorsitzender und NPD-Landesvorstandsmitglied der Thüringer NPD. Er ist außerdem maßgeblich für die engen Kontakte zwischen „Freien Kameradschaften“ und der NPD in Nordhausen verantwortlich. Mittlerweile geht Lars J. mit seinem Rechtsanwalt Karl Ronald Neumann von der Rechtsanwaltskanzlei Fliegner & Keyser gegen den Artikel vor. Neumann sieht das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“ seines Mandanten verletzt. „Er muss es nicht hinnehmen, sich im Internet als ‚Krawallmacher‘ darstellen zu lassen und sich als ‚Stadtaffe‘ bezeichnen zu lassen.“, so Rechtsanwalt Neumann weiter. Für ihn ist es unverständlich, wie sich eine Partei ständig auf geltendes Recht beruft, aber im Gegenzug nicht ihren Pflichten nachkommt. „Genau zu diesen Pflichten gehört es, das durch die Verfassung  garantierte, allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bürgers zu respektieren und zu wahren“, so Neumann weiter.

Diffamierung mit Deckung der Bundes-NPD?

Banner gegen Geschichtsrevisionismus © Kai Budler
Banner gegen Geschichtsrevisionismus © Kai Budler

Auch die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) beobachtet seit vielen Jahren die Outingstrategie der rechtsextremen Szene. „Das Bloßstellen des politischen Gegners soll einschüchtern und so das Engagement gegen Rechtsextremismus verhindern.“, stellt Mikis Rieb von Mobit fest. Doch bisher waren die Outings eher im Repertoire der gewaltbereiten „Freien Kameradschaften“ zu finden. „Im Interesse einer sich harmlos gebenden Bundes-NPD dürfte dies allerdings nicht sein. Hier zeigt sich vielmehr, dass die von dort vorgegebene ‚seriöse Radikalität‘ nicht bis in alle Klein und Kleinst-Verbände der NPD durchgesetzt werden kann.“, so Rieb. Doch wie es scheint, ist das Vorgehen des Kreisverbandes doch im Interesse der Bundes-NPD. In einer ersten Reaktion auf eine anwaltliche Abmahnung zeigt sich, dass die Bundes-NPD den Rechtsverstoß ihres Kreisverbandes offensichtlich sogar deckt. Als Antwort auf die Abmahnung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Auskunft über die Verbreitung des Artikels mit Bild und zur Begleichung des entstandenen Gebührenschadens erhielt Rechtsanwalt Neumann ein Schreiben der NPD-Zentrale aus Berlin. „In dem Schreiben wurde uns mitgeteilt, dass der NPD Nordhausen empfohlen wurde, den Forderungen nicht nachzukommen.“, so Neumann. Am 2. Mai erlies das Landgericht Mühlhausen nun eine einstweilige Anordnung, die es der NPD verbietet Lars J. als „Stadtaffen“ zu bezeichnen und zu behaupten, er sei einer der beiden Kletterer gewesen. Bisher ist der verleumderische Artikel immer noch auf der Seite der NPD-Nordhausen zu finden. Lars J. hat Angst. Er befürchtet gewalttätige Anfeindungen der militanten Neonazis aus Nordhausen, die in den letzten Jahren immer wieder durch zahlreiche gewalttätige Angriffe aufgefallen sind und so ein Klima der Angst verbreiten. Der Artikel könnte die NPD und den Kreisvorsitzenden Roy Elbert nun teuer zu stehen kommen.