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NS-Kriegsverbrecher Priebke: Bestattung in Hennigsdorf?

 

NS-Verherrlichung mit Masken und Fackeln (Screenshot)
2012 „feierte“ die militante Nazi-Szene den Geburtstag des Kriegsverbrechers mit einem nicht-angemeldeten Fackelmarsch (Screenshot)

Die Beisetzung des verstorbenen NS-Kriegsverbrechers Erich Priebke wird zum Problem: Die jüdische Gemeinde in Rom, Priebkes letztem Wohnort, will ihn in seine Heimatstadt überführt sehen – ins brandenburgische Hennigsdorf (Oberhavel). Dann könnte die Stadt zum Wallfahrtsort für Neonazis werden.

Von Alexander Fröhlich

Italien will seine Leiche nicht, größere Trauerfeiern für den früheren SS-Offizier Erich Priebke sollen verhindert werden. Nun gibt es erste Bestrebungen den Leichnam des NS-Kriegsverbrechers in dessen Geburtstadt bestatten zu lassen – im brandenburgischen Hennigsdorf (Oberhavel).

Sollte es dazu kommen, dürfte die 25 000 Einwohner zählenden Industriestadt im Nordwesten Berlins einige Probleme bekommen. Denn Neonazis könnten die Grabstätte als neuen Wallfahrtsort nutzen wollen. Ihnen kommen immer mehr Pilgerstätten abhanden, wie etwa das bayerische Wunsiedel, wo das Grab von Hilter-Stellvertreter Rudolf Heß eingeebnet wurde.

Obwohl auf einer anderen Stufe als Heß, so wird auch der frühere SS-Offizier Priebke in der rechtsextremistischen Szene als Kultfigur verehrt. Der ehemalige SS-Offizier blieb der Nazi-Ideologie bis zuletzt treu. In einer Erklärung, die sein Anwalt nach Priebkes Tod veröffentlichte, heißt es: Gaskammern seien nie in (NS-) Konzentrationslagern gefunden worden. Die Holocaust-Leugnung von einem früheren SS-Mann, also von einem aus Hitlers Elitetruppen, dürfte auch in der hiesigen Neonazi-Szene gut ankommen. Aber Hennigsdorf hat ohnehin schon schlechte Erfahrungen mit der braunen Priebke-Verehrung gemacht.

Bereits 2012 hatte der Veltener Robert Wolinski (25), der Mitglied im Kreisvorstand der NPD in Oberhavel ist, eine Geburtstagsanzeige für Priebke in der Lokalzeitung geschalten. Erst im Nachhinein machte die Polizei die Verantwortlichen bei der Zeitung darauf aufmerksam, was für eine Anzeige sie sich haben unterjubeln lassen. Einen Tag später hatten maskierte Neonazis einen nächtlichen und unangemeldeten Fackelmarsch in Hennigsdorf zum 99. Geburtstag des SS-Mannes abgehalten.

30 bis 50 schwarz gekleidete und maskierte Neonazis aus Berlin und Oberhavel waren mit Fackeln durch die Stadt gezogen, Die Polizei konnte nur von einigen Neonazis die Personalien feststellen. Die Ermittler fahndeten ohne Erfolg nach Organisatoren und weiteren Teilnehmern. Die Staatsanwaltschaft ermittelte seither wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Sogar eine Belohnung von 1000 Euro wurde für Hinweise zu den Drahtziehern des Aufmarsches ausgesetzt – ohne Erfolg.

Und ausgerechnet in dieser Situation könnte Hennigsdorf zum Verhängnis werden, dass es die Geburtsstadt des NS-Kriegsverbrechers ist. Denn in Italien, wo Priebke zuletzt lebte und wo er am vergangenen Freitag im Alter von 100 Jahren nach jahrelangem Hausarrest in Rom starb, wächst der Widerstand gegen eine Trauerfeier sowie eine Besetzung dort. Die jüdische Gemeinde in Rom schlug eine Beisetzung in Hennigsdorf vor. „Es gibt nur eine Lösung. Nach aller Logik sollte er in das Land zurückkehren, in dem er geboren wurde. Und das ist Deutschland. Er sollte dann in seinem Geburtsort beigesetzt werden“, sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Riccardo Pacifici, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Argentinien hatte bereits eine Beisetzung in Priebkes langjährigem Wohnort Bariloche abgelehnt. Sollten Angehörige Priebkes seine Beisetzung in Brandenburg wollen, wäre dies Morsch kaum zu verhindern. „In Europa hat jeder ein Recht auf eine Grabstätte – egal welche Verbrechen er begangen hat“, sagte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch. Maßgeblich sei der Wille der Angehörigen.

Wie groß der Unwillen in Italien inzwischen gegen eine Trauerfeier für den SS-Mann Priebke ist, zeigen die Vorgänge am vergangenen Wochenende. Priebkes Anwalt Paolo Giachini pries „den Mut, die Konsequenz und die Loyalität“ seines Mandanten. Zunächst kündigte der Jurist eine Trauerfeier für Dienstag in einer Kirche im Zentrum Roms und eine Besetzung ebenfalls in Rom an. Die Reaktionen kamen prompt. Der Chef der römischen Polizei, Fulvio della Rocca, erklärte, er werde jede Form einer öffentlichen und feierlichen Zeremonie verbieten. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa zitierte die Diözese von Rom, wonach es keinerlei Pläne für einen Trauergottesdienst in irgendeiner römischen Kirche gebe. Auch Roms Bürgermeister Ignazio Marino schloss eine öffentliche Zeremonie, „für jemanden, dieser Stadt soviel Schmerz bereitet hat“, strikt aus. Er werde vermutlich nur einen Trauergottesdienst in privatem Rahmen für Priebke in dessen langjähriger Kirche geben. Der Bürgermeister will sogar prüfen, ob er eine Beisetzung des SS-Mannes in Rom gesetzlich verhindern kann. Auch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Roms haben die Sorge, Priebkes Grab könnte zu einer Pilgerstätte für Neonazis werden.

Priebke lebte in Rom unter Hausarrest. Er war im März 1944 an Erschießungen von 335 Zivilisten in der Nähe von Rom beteiligt. Die Hinrichtungen waren eines der schwersten Nazi-Massaker während des Zweiten Weltkriegs in Italien. Unter den Opfern waren 75 Juden. Nach seiner Kriegsgefangenschaft floh Priebke mit einem falschen Pass nach Argentinien. Er wurde 1995 ausgeliefert. Für seine Beteiligung an dem Massaker wurde Priebke erst 1998 zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese wurde wegen seines hohen Alters in einen zeitweise gelockerten Hausarrest umgewandelt.