Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Der „III. Weg“: Konkurrenz für die NPD in Thüringen

 

Symbolbild "III. Weg" © Störungsmelder
Symbolbild „III. Weg“ © Störungsmelder

2013 in Heidelberg gegründet, etablierte sich die Neonazi-Partei „Der III. Weg vor allem in Bayern als Nachfolger des verbotenen „Freien Netzes Süd“. Inzwischen tritt die braune Partei aber auch immer öfter in Thüringen auf und tritt damit in offene Konkurrenz zur schwächelnden NPD.

Ende September 2013 wurde im baden-württembergischen Heidelberg unter konspirativen Bedingungen die neue extrem rechte Partei „Der III. Weg“ aus der Taufe gehoben. Gegründet von dem ehemaligen rheinland-pfälzischen NPD-Funktionär Klaus Armstroff sollte sie insbesondere eine Konkurrenz zur NPD bilden, die unter den extrem rechten Parteien nach wie vor eine dominierende Rolle innehat. Im Gegensatz zu den „Nationaldemokraten“, die nach außen hin großen Wert auf ein seriöses Image legen, verfolgt „Der III. Weg“ deshalb in bewusster Abgrenzung einen deutlich radikaleren Kurs. So definiert sich die Partei beispielsweise selbst als „national-revolutionäre“ Gruppierung und bezeichnete ihr „Ziele“ in Anlehnung an das „25-Punkte-Programm“ der NSDAP als „Zehn-Punkte-Programm“. Inhaltlich fordert die Kleinstpartei in nationalsozialistischer Tradition außerdem die „Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen“, die „Erhaltung […] der biologischen Substanz des Volkes“, „die Pflicht zur Arbeit“ sowie „die Schaffung eines Deutschen Sozialismus“.

Parteichef Klaus Armstroff am 1. Mai 2014 in Plauen
Parteichef Klaus Armstroff (links) am 1. Mai 2014 in Plauen © Störungsmelder

Mit dieser Programmatik wurde die Partei vor allem für die militante Neonazi-Szene, die sich bislang überwiegend parteifrei organisiert hat, attraktiv. Besonders der bayerische Kameradschaftsdachverband „Freies Netz Süd“ (FNS), der seit einer Razzia im Juli desselben Jahres auf sein Verbot warten konnte, zeigte bald großes Interesse für den „III. Weg“. Bereits unmittelbar nach der Entstehung äußerte sich das FNS auf seiner Website wohlwollend über die Gründung und lobte die Partei als „eine neue Chance mehr“ für „den Nationalen Widerstand“, mit der „fernab der Abzockermentalität der Nationaldemokraten gemeinsam entschlossen für die Freiheit Deutschlands“ gekämpft werden könne. Später verteidigte das militante Neonazi-Netzwerk die Partei dann sogar gegen Kritiker aus der parteigebundenen extremen Rechten, die eine unnötige Konkurrenz durch die neuerliche Gründung bemängelten.

Doch es sollte nicht alleine bei einer sympathisierend-werbenden Begleitung bleiben. Schon kurz nach dieser positiven Berichterstattung begann das FNS mit der Übernahme von Texten, die originär bei der Partei erschienen sind. Stammten die Artikel des FNS in der Vergangenheit beinahe ausschließlich aus der Feder eigener Aktivisten, summierte sich Zahl der Texte, die vom „III. Weg“ übernommen wurden, ab Oktober 2013 schlagartig. Selbst Themen, die ursprünglich im geografischen Aktionsraum des FNS lagen, wurden in dieser Zeit immer öfter durch die Partei mit Sitz in Rheinland-Pfalz behandelt.

Vor diesem Hintergrund keimte bei Beobachtern der bayerischen Neonazi-Szene schnell der Verdacht auf, dass das „Freie Netz Süd“ mit dem „III. Weg“ eine mögliche Nachfolgeorganisation für den Fall eines Verbotsverfahrens anvisiert haben könnte. Tatsächlich schien sich dieser Eindruck zu bestätigten, als im Zuge des alljährlichen „Heldengedenkens“ in Wunsiedel, einem der wichtigsten Veranstaltungen des FNS, erste personelle Kooperationen offensichtlich wurden. So beteiligte sich die noch junge Partei am 16. November 2013 mit zwei eigenen Bannern an dem Aufmarsch in Oberfranken, nachdem der Vorsitzende des „III. Weg“, Klaus Armstroff, zuvor online zur Teilnahme mobilisiert hatte. Eine Woche später reiste der führende FNS-Kader Tony Gentsch, der erst im Mai 2013 aus der Haft entlassen wurde, zudem mit „mehreren Mitgliedern“ der Partei aus „Hochfranken“ zu einer rassistischen Demonstration gegen eine Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Greiz, wo er laut einer Mitteilung offiziell als „Vertreter der Parteialternative ‚Der III. Weg’“ zu den anwesenden Neonazis sprach. Organisator der Proteste in Greiz war David Köckert, der nach eigenen Angaben zunächst AfD-Mitglied war und nun Landesorganisationsleiter der Thüringer NPD ist.

Damit hatte die extreme Rechte einen ersten Grundstein für eine Kooperation gelegt, die sich in den nächsten Monaten rapide intensivierte. Während sich die Aktivisten des FNS im Zeitraum von September 2013 bis Ende 2014 noch überwiegend im Namen ihres Netzwerks im Umfeld der Partei bewegte, begannen die Kader des Kameradschaftsdachverbands spätestens ab Januar 2014 mit Aufbau von lokalen Niederlassungen des „III. Weg“. Angekündigt hat diese Entwicklung am 3. Januar Tony Gentsch bei einer Demonstration der Partei im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen, als er bei einer Rede unter anderem „die Aktivitäten der Partei ‚Der III. Weg’ in seiner Region“ vorstellte. Kurz darauf, am 25. Januar, wurde schließlich im oberfränkischen Hof, Gentsch’ maßgeblichem Aktionsraum, ein erster „Stützpunkt“ der Partei gegründet, auf den schon bald weitere folgen sollten. Bereits im März 2014 hatte das Neonazi-Netzwerk seine Strukturen neben Oberfranken auch in der Landeshauptstadt München sowie in der Region Nürnberg/Fürth durch einen Stützpunkt der Partei ersetzt. Gerade die Transformation in Mittelfranken, dem hauptsächlichen geografischen Aktionsraum der militanten bayerischen Neonazi-Szene, war ein deutlicher Hinweis auf die Bildung einer möglichen Nachfolgeorganisation.

Als das FNS im April 2014, drei Monate vor seinem Verbot, seine Website eingestellt hat, hatte „Der III. Weg“ in Bayern schon fast vollständig dessen Funktionen übernommen. Zu diesem Zeitpunkt bot die rechtsextreme Partei nicht nur führenden Kadern des militanten Neonazi-Netzwerks ein organisatorisches Dach, sondern hatte mit ihrer Website auch die Funktion als Mitteilungsplattform der parteifreien bayerischen Neonazi-Szene übernommen. Aktionen, die von vormaligen FNS-Aktivisten ausgerichtet wurden, fanden seitdem nahezu ausnahmslos im Namen des „III. Weg“ statt; der Kameradschaftsdachverband tauchte namentlich lange vor dem Verbot in der Szene praktisch gar nicht mehr auf. So richtete die Partei beispielsweise die alljährliche 1.-Mai-Demonstration, eine traditionelle Veranstaltung des FNS, im sächsischen Plauen aus, führte Ende Mai eine Kundgebungen in Deggendorf durch oder fiel in den verschiedensten Teilen Bayerns mit Flugblattverteilungen auf. Personell deckten sich die Teilnehmer aller Veranstaltung, die im Freistaat durchgeführt wurde, beinahe eins zu eins mit den Personen, die zuvor immer bei den Aktionen des Kameradschaftsdachverbands präsent waren.

Neonazistischer "Trauermarsch" 2014 in Wunsidel Sören Kohlhuber
Neonazistischer „Trauermarsch“ 2014 in Wunsidel © Sören Kohlhuber

Zum Zeitpunkt des Verbots, das am 23. Juli 2014 durch Bayerns Innenministerium erlassen wurde, verfügte „Der III. Weg“ bayernweit bereits über fünf Stützpunkte, die dem gesamten Aktionsraum des FNS entsprachen. Die Kader des Neonazi-Netzwerks, das rund sechs Jahre aktiv war, konnten ihre Aktivitäten somit auch nach dem Verbot ungestört weiterführen, die mehr als einjährige Dauer zwischen Razzia und Auflösung hatte ihnen die bequeme Etablierung von Stützpunkten ermöglicht. Selbst auf die obligatorischen Events des FNS wie etwa das „Heldengedenken“ in Wunsiedel mussten dessen Aktivisten nach der staatlichen Maßnahme nicht verzichten. Nahtlos hat „Der III. Weg“ die Veranstaltungen  nach dem Verbot als Anmelder fortgeführt – zum Teil sogar unter dem gleichen Motto.

Verlagerung des Schwerpunktes

Doch die Betätigung als Nachfolgeorganisation scheint den bayerischen Kadern des „III. Weg“ offenbar nicht mehr zu genügen. Bereits seit längerer Zeit lassen sich Expansionsbestrebungen der Partei beobachten, die nach Recherchen des ZEIT ONLINE-Störungsmelders vor allem in Thüringen ihr Ziel haben. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei der oberfränkische Stützpunkt des „III. Weg“ ein. Im Januar 2014 als „Stützpunkt Hof/Saale“ gegründet, erweiterte die Niederlassung ihre Aktivitäten schon wenig später – auch namentlich – auf das angrenzende Vogtland. Zu Anfang betraf dies allen voran die sächsische Region, in der sich die Partei sowohl mit propagandistischen Aktionen als auch mit internen Veranstaltungen betätigte. So fanden im Anschluss an die 1.-Mai-Demonstration in Plauen, die das FNS offenbar in Kooperation mit dem „III. Weg“ organsiert hat, wiederholt Flugblattverteilungen oder interne Treffen der Partei in der Region statt. Beflügelt werden diese Betätigungen in Sachsen nach unseren Recherchen insbesondere von Tony Gentsch, der nach der Beschlagnahmung der FNS-Immobilie „Oberprex 47“, die zugleich auch sein Wohnsitz war, von Oberfranken nach Plauen verzogen ist. Entsprechende Erkenntnisse bestätigte uns Bayerns Verfassungsschutz auf Anfrage.

Mittlerweile hat sich der Stützpunkt um Gentsch und seinen Vorsitzenden Rico Döhler, zuletzt unter dem Namen „Hochfranken/Vogtland“ aktiv, allerdings wieder aufgespalten. Seitdem agiert die Niederlassungen separat – in den Regionen „Oberfranken“ und „Vogtland“. Ein besonderes Augenmerk des neuen Ablegers für das „Vogtland“, so teilte es der „III. Weg“ Mitte Februar auf seiner Homepage mit, werde neben dem sächsischen Vogtland diesmal speziell auch auf Thüringen liegen. Damit bestätigten sich Vermutungen, wonach die Partei das Bundesland als weiteren Aktionsraum anvisiert hat.

Schrittweise Ausbreitung in Thüringen

Auch in Plauen beteiligten sich schon Thüringer Neonazis am Aufmarsch
Auch in Plauen beteiligten sich schon Thüringer Neonazis am Aufmarsch © Störungsmelder

Beobachten lässt sich dieser Trend in struktureller und personeller Ausprägung seit Monaten. Bereits am 1. Mai 2014 marschierte ein Block mit Neonazis aus Thüringen mit in der Demonstration in Plauen, darunter auch NPD-Mitglieder. Wenige Monate später trat Tony Gentsch dann sogar als Redner auf einer NPD-Veranstaltung auf. Im Juli letzten Jahres gehörte er zu den Rednern beim „Rock für Deutschland“ in Gera und vertrat dort deutlich erkennbar auch den „III. Weg“. Schien der Aktionswille des „III. Weg“ damals noch kaum auf den Freistaat ausgedehnt zu sein, änderte sich dies Ende 2014. Zu dieser Zeit fanden erste propagandistische Aktionen in Thüringen statt. Ausgerechnet in Greiz, wo bisher der NPD-Funktionär David Köckert gegen Flüchtlinge mobilisierte, verteilten deren Aktivisten „hunderte von Anti-Asyl-Flugblättern“, wie es in einem Bericht heißt. Ohnehin scheint Greiz – zusammen mit Plauen – einer der zentralen Aktionsräume für den „III. Weg“ zu werden; die Partei selbst rühmte sich ihrer angeblich mehrfach durchgeführten „Flugblattverteilungen“, die sich gegen „die Asylpolitik der Stadtvertreter“ gerichtet hätten. Und am 10. Januar hat die Partei nach eigenen Angaben dann sogar ihr „Neujahrstreffen“ in Greiz abgehalten. Außerdem hat die Neugründung bereits im September 2014 ihren sogenannten „Gesamtparteitag“ im thüringischen Kirchheim, einem bundesweit bekannten Veranstaltungsort für extrem rechte Parteitage und Konzerte, durchgeführt.

Der "III. Weg" beim "Rock für Deutschland" © Störungsmelder
Der „III. Weg“ beim „Rock für Deutschland“ © Störungsmelder

Aber inzwischen beschränkt sich die Truppe um den Parteivorsitzenden Klaus Armstroff nicht mehr nur auf Propagandaaktionen und interne Treffen. In diesem Jahr mobilisiert die Partei auch erstmals zur alljährlichen 1.-Mai-Demonstration nach Thüringen, wo mehrere hunderte Neonazis unter dem Motto „ARBEIT – ZUKUNFT – HEIMAT – Überfremdung stoppen! Kapitalismus zerschlagen! Volkstod abwenden!“ in Saalfeld aufmarschieren wollen. Damit organisiert „Der III. Weg“ 2015 einer der größten 1.-Mai-Demonstrationen der

Patrick Wieschke (Mi.), Foto Kai Budler
Der vor kurzem geschasste Landesvorsitzende Patrick Wieschke © Kai Budler

extremen Rechten in dem Bundesland. Gerade für die thüringische NPD, die zuletzt mit einer Vielzahl von Skandalen für Aufsehen gesorgt hat, dürfte dies eine offene Konkurrenz darstellen. Vermutlich auch aus diesem Grund hat die extrem rechte Partei, die seit Jahren keine größeren Aufmärsche mehr durchgeführt hat, nun ebenfalls für den 1. Mai zu einer eigenen Demonstration in die Landeshauptstadt Erfurt mobilisiert. Thüringen und besonders der 1. Mai scheint sich dabei zu einem Austragungsort eines Konkurrenzkampfes zwischen zwei extrem rechten Parteien zu entwickeln, der – nach einem längeren unterschwelligen brodeln – in den beiden Demonstrationen zu gipfeln scheint. Eine kritische Situation ist dies insbesondere für die NPD, die nach dem desaströsen Abschneiden bei den Landtagswahlen und den Skandalen um ihren ehemaligen Vorsitzenden Patrick Wieschke die Expansion der jungen Partei nur mit wenig Freude beobachten dürfte. Einige NPD-Funktionäre kündigen bereits an, nun wieder mehr jenseits der Parlamente aktiv werden zu wollen und planen die Neugründung eines NPD-Ordnerdienstes im Freistaat. Mit der Ausbreitung des „III. Weges“ will nun offenbar auch die NPD wieder einen aktionistischeren Weg in Thüringen einschlagen. Dabei scheint eine Konkurrenz der beiden Parteien vorraussehbar.

Auch die Thüringer Sicherheitsbehörden haben eine mögliche Expansion der neonazistischen Parteigründung im Blick. „Die einzelnen Aktivitäten der Partei in Thüringen werden aufmerksam verfolgt“, sagt die Pressesprecherin des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Dagmar Meisen, auf Anfrage des ZEIT ONLINE-Störungsmelders. Bislang würden aber weder Thüringer Neonazi führende Funktionen in der Partei einnehmen, noch verfüge diese über Strukturen im Freistaat. Zu Kontakten zwischen der Partei und Thüringer Neonazi-Organisationen sowie zu personellen Kooperationen, speziell zwischen bayerischen „III.-Weg“-Kadern und Thüringer Aktivisten, wollte sich das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz auch auf eine erneute Nachfrage allerdings nicht äußern. „Datenschutzrechtliche Regeln“, so Meisen, „stehen einer Übermittlung personenbezogener Daten entgegen.“

DSC_0125tom
Michael Fischer bei einer „III.-Weg“-Aktion in Deggendorf © Thomas Witzgall

Dabei sind personelle wie organisatorische Kooperationen bei weitem kein Geheimnis, sie sind vielmehr unterschiedlichen Medienberichten zu entnehmen. Aus Thüringen bewegt sich allen voran der umtriebige Neonazi Michael Fischer im Umfeld der Partei; er war in der Vergangenheit teils weit gereist, um an deren Aktionen teilzunehmen. So marschierte er im Februar 2014 zum Beispiel bei einer Ersatz-Demonstration für Dresden im tschechischen Karlsbad mit, die überwiegend von der Partei dominiert wurde, oder beteiligte sich im August desselben Jahres in Deggendorf an einer kleinen rassistischen Kundgebung des „Stützpunkts Ostbayern“ um Walter Strohmeier. Zudem war neben anderen Neonazis aus Thüringen am 1. Mai bei der Demonstration in Plauen präsent, die unter der Ägide des „III. Weg“ stand. Und auch andere Thüringer Neonazis werden von der Partei in ihren eigenen Mitteilungen gelegentlich als Redner, Liedermacher oder als Teilnehmer bei Demonstrationen oder anderweitigen Events erwähnt.

Michel Fischer als "Anführer" des Thüringer Blocks am 1. Mai in Plauen Störungsmelder
Michel Fischer (rechts im BIld) als „Anführer“ des Thüringer Blocks am 1. Mai in Plauen © Störungsmelder

Dass die Partei in absehbarer Zeit auch nach Thüringen expandiert, ist vor dem Hintergrund organisatorischer wie personeller Kontakte also nicht auszuschließen. Zumindest in Konkurrenz mit der NPD ist die Partei mit ihren Propagandakationen in Greiz, den internen Treffen und der Anmeldung für den zentralen 1. Mai-Aufmarsch aber bereits getreten. Wie diese Konkurrenzkampf ausgehen wird, gilt es abzuwarten — eine erste Bilanz wird sich frühestens nach der Demonstration in Saalfeld ziehen lassen.