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Die schwedische Meta-Sirene

 

Für Freunde der melancholischen Popstimme: Jennie Abrahamson bedient sich bei Kate Bush, Lykke Li, Florence Welch und Robyn und komponiert ein sehr schönes Album daraus.

© How Sweet The Sound

Vor ein paar Monaten noch hätte man sagen können: Jennie Abrahamson klingt wie Kate Bush. Von Kate Bush kann man ja gar nicht genug kriegen, und weil die echte Kate Bush jetzt schon so lange im Urlaub ist, ist es doch umso schöner, dass es Jennie Abrahamson gibt.

Nun ist es aber ein paar Monate später und deshalb muss man sagen: Jennie Abrahamson klingt zwar immer noch wie Kate Bush, aber Kate Bush ist doch tatsächlich mal wieder aus ihrem länglichen Urlaub aufgetaucht, und von diesen vielen anderen Sängerinnen, die auch alle irgendwie klingen wie Kate Bush, wollen wir gar nicht erst anfangen.

Jennie Abrahamson – Give it up

Die Startbedingungen für The Sound of Your Beating Heart, das neue Album der Schwedin Jennie Abrahamson, haben sich also in jüngerer Zeit grundlegend gewandelt. Mittlerweile wachsen sie überall, diese Sirenen, die, hört man sie erstmal singen, mit wehenden Haaren von grünen Hügeln herunter zu rennen scheinen.

Das ist, zugegeben, ein ziemlich blödes Klischees, im Fall von Abrahamson aber vertretbar. Schließlich ist sie den Vergleich gewöhnt: Aus irgendeinem nicht näher zu ermittelnden Grund würden in Schweden alle Sängerinnen permanent mit Kate Bush verglichen, pflegt Abrahamson zu erzählen. Da hätte sie sich gedacht, könne sie ja auch gleich so klingen wie die verehrte Kollegin.

Jennie Abrahamson – Hard to come by

Wie auch immer. Die aktuelle Schwemme recht wehmütig gestimmter Frauen, die sich im Folk bedienen, aber auch vor ein wenig Elektronik nicht zurückschrecken, die eher flöten als dass sie sängen, aber trotzdem durchaus handfeste Themen verarbeiten, die schlägt gerade vehement über uns zusammen. Bevor sie am Strand sanft ausrollt, gilt es, feinere Unterscheidungskriterien zu benutzen.

Also: Abrahamson ist lange nicht so düster wie Lykke Li, aber auch nicht so fröhlich wie Nina Kinert. Sie ist nicht ganz so brav wie Ane Brun, aber halt auch nicht so mondän wie Lana Del Rey. Ihre Beats sind nicht so tanzbar und entschieden an der modernen Dancefloor-Kultur orientiert wie die von Robyn, aber doch sehr viel zeitgemäßer und weniger bröckelig als die von CocoRosie. Außerdem hat Abrahamson keine Angst vor Streichern, aber eifert einer Enya lange nicht so hingebungsvoll nach wie zuletzt Florence & The Machine.
Wer unbedingt und ums Verrecken einen kleinsten gemeinsamen und geschmacklich abgesicherten Nenner im Segment „Gepflegt melancholische Popstimme mit nicht allzu tiefen Abgründen“ sucht, der liegt mit Jennie Abrahamson genau richtig. Vor allem auch, weil Abrahamson für The Sound Of Your Beating Heart einige sehr hübsche Songs geschrieben hat, vor allem Hard To Come By, Give It Up, Hole in You und Running.

Jennie Abrahamson – Wolf Hour

Zu profan? Vielleicht lieber so: Abrahamson destilliert so geschickt die Vorzüge aus dem Werk aller verfügbaren Konkurrentinnen, dass man schon fast von Meta-Sirenen-Pop mit Kate-Bush-Anspruch sprechen könnte. Wie um diese Theorie zu stützen, singt sie: „You didn’t know at the time why you kept on/ But you were drawn to the siren song„. Kurz: Es ist einfach schöne, sehr schöne Musik.

„The Sound Of Your Beating Heart“ von Jennie Abrahamson erscheint am 27. Januar bei How Sweet The Sound/Cargo.