Lesezeichen
 

Der knorkeste Restaurantführer wo jibt

Das Problem bei Restaurantführern in Buch- und Heftform ist ja immer: Kann man dem wirklich trauen? Es handelt sich ja bei allen um Printprodukte, die einen redaktionellen und drucktechnischen Vorlauf haben. Manche erscheinen nur jährlich, manche noch seltener. Gibt es das Restaurant, über das berichtet wurde, überhaupt noch? Hat nicht inzwischen vielleicht der Koch gewechselt? Doch es gibt noch mehr Probleme: Hatte der Testesser vielleicht nur einen schlechten Tag? Oder der Koch? Wie maßgeblich ist so eine Restaurantkritik also wirklich?

Die Lösung – zumindest für Berlin – ist da. Unter www.dienstag-abend.de gibt es einen akribisch genauen und aktuellen Restaurantführer für Berlin, und zwar als WIKI. Vereinfacht gesagt kann jeder in diesem Restaurantführer herumkritzeln. Erstaunlicherweise artet das hier aber trotzdem nicht in Quatsch aus, denn dieses Wiki wird von vier Berlinern betreut, die sich seit 2001 regelmäßig Dienstag Abends treffen, um gemeinsam Restaurants zu testen. Daher auch der Name dienstag-abend.de . „Früher“ war dienstag-abend.de eine ganz normale statische Website, die mühsam von Hand gepflegt und ergänzt werden musste. Heute kann jeder in den Rezensionen herumfuhrwerken, sie aktualisieren, überarbeiten, ergänzen.

Es ergibt dies einen Restaurantführer auf der Höhe der Zeit: Aktuell, nett geschrieben, auf eine Art auch demokratisch – und vor allem: Von vielen Menschen für viele Menschen. Bookmarken Sie das ruhig mal!

 

Durchjesessen – Von Berliner U-Bahn-Bänken

Die Menschen machen ja die dollsten Sachen, wenn ihnen langweilig ist. Unter www.berlin-transport.de gibt es Bilder von U-Bahn-Bänken. Ein heiterer Zeitgenosse ist sämtliche (!) Berliner U-Bahn-Stationen abgefahren und hat in jeder ein Foto einer Sitzbank gemacht. Auch Kunst, irgendwie. Fehlen jetzt nur noch die S-Bahn-Stationen. Will einer?

 

Berliner Wirtschaftswunder: Das Geheimnis der Curry-Station

Wenn ich des Abends aus meinem Fenster kucke, sehe ich direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite zwei Gaststätten. Die eine heißt „Pilsstübchen“, es handelt sich um eine nicht ungemütliche, quasi archetypische Berliner Schankwirtschaft, sie verfügt über einen kleinen Tresen, an dem mehrere braune Holzhocker stehen. Gereicht wird das stets leicht nach Eigenurin schmeckende Schultheiß Pilsener, ansonsten kann man sich auch an einer Magnumflasche Asbach Uralt eines oder mehrere Stamperl zapfen lassen. Zwei Daddelautomaten und eine Musikbox mit Schlagermusik und Kirmestechno sorgen für Geräuschkulisse. Der Wirt ist Mitte 60, resolut und drahtig.

Direkt nebenan gibt es die sogenannte „Curry Station“. Ein neonbeleuchteter gekachelter Imbiss mit insgesamt fünf bestuhlten Tischen. In der Vitrine der Curry-Station liegt, soweit ich zurückdenken kann, immer genau das gleiche, Tag für Tag: Ein zu einem Viertel gefülltes Töpfchen mit Fleischsalat, ein halbvolles Töpfchen mit an den Rändern leicht beigefarbenem Kartoffelsalat, ein dreiviertelvolles Backblech mit Pizza, sowie mehrere belegte Brötchen, deren Belag (Kochschinken und Gouda) sich schulterzuckend der Neonröhre zuwendet, nur die obenliegende Gewürzgurkenscheibe verhindert wohl, dass der Belag völlig davonfliegt. Nie habe ich in der Curry Station jemanden etwas essen gesehen. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich beim Inhalt der Vitrine um Speisenattrappen handelt.

Man müsste also meinen, in der ungemütlichen leicht verwest wirkenden Curry-Station sei nichts los, und nebenan im Pilsstübchen tobe der Bär. Pustekuchen. Jede Nacht das gleiche Schauspiel, welches mich immer wieder aufs Neue abends an meinem Fenster Platz nehmen und nach gegenüber starren lässt. Gegen 20 Uhr trudeln in der Curry Station die ersten Gäste ein, durch die Bank Schwersttrinker ab vierzig. Die Stimmung muss erregt-aufgepeitscht sein, man hört zwar nichts, aber stets herrscht aktive Gestik, ich sehe Menschen herumfuchteln, der Wirt reicht im Zehnsekundentakt Bierflaschen über den Tresen. Nebenan, im Pilsstübchen gähnende Leere. Ich sehe durchs Fenster, wie der Wirt ein sehr dickes Kreuzworträtselheft durcharbeitet, langsam und gewissenhaft.

Die Curry-Station hingegen ist bis 21 Uhr proppenvoll. Zeit für den Wirt, das Radio (Spreeradio) ein wenig aufzudrehen. Jetzt höre ich es auch ganz leise bis über die Straße in meine Wohnung. Der Wirt hat langsam alle Hände voll zu tun, geschäftig rast er hin und her und verteilt weitere Bierflaschen. Blick nach rechts, ein einziger Gast steuert wankend auf das Pilsstübchen zu und geht hinein. Blick zurück nach links, völlig unfassbar, in der Curry-Station wird getanzt. Getanzt. Es handelt sich hierbei nicht um einen einzelnen volltrunkenen Tänzer, wie man es gerne Nachmittags auf Stadtfesten sieht, nein, hier tanzen sicherlich zehn Leute. Besonders schäumend ist die Stimmung zum Monatsersten, wenn Arbeitslosengeld und Sozialhilfe auf den Postpank-Girokonten der Curry-Station-Gästen eingetrudelt sind.

22 Uhr. Auftritt Else. Else kommt jeden Abend Punkt 22 Uhr. Sie ist knapp sechzig Jahre alt, 150 cm groß und die Gattin eines des Herren, der sich gerade in der Curry-Station bewusstlos säuft. Irgendwann muss sie mal etwas sehr schreckliches in der Curry-Station gemacht haben, jedenfalls hat sie Hausverbot. Einerseits. Andererseits will sie ihren Mann abholen, er soll nach Hause. Und das geschieht immer nach dem gleichen Ritual. Sie schleicht sich in gebeugter Haltung zur Eingangstür der Currystation und versucht unerkannt hineinzugelangen. Geht natürlich schief, denn die gesamte Frontseite der Currystation besteht aus einem großen Schaufenster. Der Wirt sieht sie schon, wenn sie noch 100 Meter entfernt ist. Kaum ist sie drinnen, wird sie gleich wieder rausgeworfen. Nun beginnt sie eine Litanei mit dunkel raunendem, aber gleichzeitig metallisch-scharfem Otto-Sander-Bariton:

||:Doo Schlappschwanz, komm herauès, doo Aaschloch!
Komm sofocht darauès doo blöde Sau.
Biss wieda besoffen doo Aaschloch,
wachte, kannzich uff wát jéfàsst machen doo Arsch doo
wenne da rauèskommen tust. :||

Manchmal tritt sie dabei auch rhythmisch gegen die Scheibe.

Nach einigen Strophen kommt normalerweise einer der Mittrinker ihres Gatten in schlichtender Absicht heraus und versucht Else in versöhnliche Gespräche zu verwickeln. In über 90 Prozent der Fälle entsteht daraus aber ein Handgemenge, das üblicherweise in eine handfeste Schlägerei übergeht, in die sich schnell Unbeteiligte einmischen, sodass sich – wenn das Wetter nicht allzu schlecht ist – defaultmäßig gegen 23 Uhr etwa acht bis zehn Menschen vor der Curry-Station prügeln. Gegen 23.08 Uhr LALÜ LALA! LALÜ LALA! – lautstarker Einmarsch dreier Polizeiwagen, es endet je nach Gemütszustand der Schupos mit Allgemeinversöhnungen oder Festnahmen, um 23.30 ist der Spuk normalerweise vorbei. Nebenan, im Pilsstübchen, immer noch ein einzelner Trinker.

Ab Mitternacht sind in der Curry-Station erste Ausfälle zu verzeichnen, ein Mann wird aus der Eingangstür gestoßen, er schafft es bis zur Straßenlaterne, diese hält er fest und beginnt unverzüglich zu erbrechen. Der aufmerksame Wirt der Curry-Station eilt meist mit einem vollen Wassereimer hinterher, um die Spuren en passant zu verwischen, da kann man sehen, wie viel ihm die Kneipenlizenz wert ist.

Dann gibt es noch den tragischen Haltestellenheld, das ist auch so eine Sache. Umittelbar vor der Curry-Station befindet sich eine Bushaltestelle, es ist dies die Starthaltestelle der Buslinie 174. Eine unbeliebte Haltestelle bei Busfahrern, lädt man sich ab 22 Uhr normalerweise gleich erst mal drei Besoffene in den frisch gewienerten Bus. Na, jedenfalls, unser Held, sieht durch das Schaufenster den Bus kommen, trinkt gierig sein Bier aus, zieht Hut und Jacke über, um den Bus dann um drei Sekunden zu verpassen. Schulterzuckend geht er wieder in die Curry-Station zurück und trinkt weiter. Das Spiel wiederholt sich alle zehn Minuten bis 01:12 Uhr, denn da fährt die Linie zum letzten Mal. Meist kriegt er diesen letzten Bus dann aber; ähnlich wie dem Diener bei Dinner for One, der irgendwann schon Meter VOR dem Tigerkopf in die Höhe hüpft, gelingt auch unserem Helden das, was man Antizipation nennt. Gelingt es ihm jedoch, wie an einigen wenigen Abenden, nicht, dann wackelt die Heide. Ein langgezogenes

„VAFLUCHT! ICK GLAU ICK WER ZUN SCHWEIN!“
und mehrere sehr sehr feste Tritte gegen den Busfahrplan sind die Folge. Im Anschluss Rückzug in die Curry-Station mit finalem Komasuff.

Da! Die Augen rechts! Der Gast aus dem Pilsstübchen wird jetzt auch aus dem Pilsstübchen geworfen wg. Trunkenheit. Er erbricht eine Runde, versucht in das Pilsstübchen zurückzukehren, wird erneut des Hauses verwiesen und wankt dann sehr sehr bedächtig die drei Meter weiter zur Curry-Station, öffnet die Tür – und wird hereingelassen.

Und vielleicht ist ja genau dies das einzige kleine und doch so große Geheimnis der Curry-Station – dass deren Wirt ein klein wenig mehr abkann als der des Pilsstübchen. Vielleicht.

 

21.11.2005 – 08:42 Uhr

Stehe wie Reinhold und Helge gekleidet (25 Schals, 3 Mützen, Teewurstjacke, 8 Paar Socken, Kasten Cola, Kasten Fanta (zum Mischen)) an der Bushaltestelle und kucke so rum.

Neben mir ein Mittdreißiger in Jeans, Sneakers und darüberhinaus mit Harry Potter-Baseballkappe. Er hat einen Alu-Tretroller dabei. Schaut ins Nichts, schüttelt den Kopf und macht mit rechtem Arm und rechter Hand in der Luft Bewegungen, die (es tut mir wirklich leid, aber es sieht genau so aus) an verzweifelte Versuche gemahnen, eine Frau manuell zu befriedigen.

Ein weiterer öffnet einen riesengroßen, braunen Umschlag und betrachtet dann großformatige Aufnahmen (MRT) seines Knies. Leise brabbelnd.

Auch an der Bushaltestelle, vorm Eingang zur Sparkasse, Filiale Kaisereiche, steht ein dicker Mann um die Fünfzig. Er grüßt ganz freundlich jeden, der in die Sparkassenfiliale reingeht. Als Antwort bekommt er ein Schweigen, ein doofes Gesicht, ja einmal sogar ein „Schnauze“.

Berlin oder Winter oder beides bekommt den Menschen schlecht.

Busfahrt.

Gemächliches Frühstück in der Espressostube. Ein LKW mit Anhänger versucht von der Leipziger aus nördlich in die Friedrichstraße einzubiegen. Übersieht dabei eine Laterne. Knacks. Rangiert zurück, Anhänger verkeilt sich. Nochmal Knacks. Armer Mann. Der LKW hat Magdeburger Kennzeichen. Sieht nach Überstunden aus. Zigarette aus. Mütze auf. Ins Büro. Frischluft.

 

Das InterCity Restaurant „Berlin Zool. Garten“ – ein Ausflug mit der Zeitmaschine

Wer eine Zeitreise in das Berlin der 80-er Jahre unternehmen will, der sollte auf jeden Fall einen Abstecher in das „InterCity Restaurant“ des Berliner Bahnhofs Zoologischer Garten wagen. Das Restaurant befindet sich in der ersten Etage des Bahnhofs und strahlt eine vollständig in sich geschlossene 1982-Atmosphäre ab. Der Boden bedeckt mit braunen Fliesen, die Wände vollgepackt mit grünstichig-verblichenen Photographien von Elektro- und Diesellokomotiven, hier und da kippelige Garderobenständer aus braunem Holz, schwankende Lampen aus dunkelblauem Glas, das aussieht wie diese geschmolzenen Granulat-Gebilde, die man früher unter erheblicher Rauchgasentwicklung zu Kunstgewerbezwecken im Backofen buk.

Müde schlurfen Füße in aufgeplatzen Tennissocken über den Fußboden. Sie gehören einer original ISO 9000 – zertifizierten Kaltmamsell, die einen großen Servierwagen quer durch den Raum schiebt. Auf dem Wagen trohnt ein 10 kg – Gastro-Eimer Salatmayonnaise von Develey. Auf den Tischen Tischdecken, Überdecke, Zucker, Salz, Maggi, Fondor und künstliche Blumen. In diese allgemein trostlose Deko nahtlos hereingewuchert sitzen Männer mit Raucherhusten, die mittags schon am Radeberger nuckeln, Salmonellentorte essende Rentnerinnen und strunzgesunde Australier mit farbenfrohen Rucksäcken

Die Speisekarte enthält Heterogenes. Zum Beispiel: Blaubeerkaltschale, Gorgonzolagnocchi und Kasselerlachsbraten. Die Kellner sehen aus wie Schaffner Zugbegleiter und benehmen sich auch so deutlich schlechter: „Kann ich gleich abkassieren? Ich mach Feierabend“. Ja, natürlich, klar, man ist zu müde für Protest. Die dumpf-säuerliche Atmosphäre des ICE RESTAURANTs macht schwach und schwunglos.

Sitzt man am Fenster, kann man direkt runter auf den Bahnhofsvorplatz kucken. Dort wird geschimpft, gesoffen, erbrochen, geklaut, manchmal alles gleichzeitig. Dumpf, mit Klirrfaktor 60% poltern Bahnsteigansagen per Lautsprecher ins Arrangement. Man erfährt, ohne es zu wollen, dass der Eurocity nach Prag Verspätung hat. Oder dass der ICE Cilly Aussem aus Köln pünktlich an Gleis eins ankommt.

Mürb blättert man in der Eiskarte, weint ob Nahrungsmittelbezeichnungen wie „Nussgenuss“ oder „Fresh und Fun“, fast erwartete man noch ein „Wellness“ oder „Fit und crazy“, doch dann sinkt der Kopf auf die Tischplatte und man nickt ein, der Espresso der Kaffeeverbrecher „Segafredo“ wirkt nicht. Zumindest nicht hier.

 

Neue Bewirtschaftung – Wirtschaft auf Abwegen

Es gibt in Berlin Straßen, Kreuzungen, Häuser, an denen die Seuche klebt. Was man dort auch unternimmt, es geht schief. Wohnt man in der Nähe so eines unguten Orts, dann möchte man schon gelegentlich verzweifeln. Nehmen wir im ereignislosen Berlin-Friedenau doch einfach mal die Saarstraße Ecke Dickhardtstraße. An dieser Ecke versucht ein strubbeliges Frührentnerpaar nach dem anderen aufs Hartnäckigste, eine Gastwirtschaft zu etablieren. Und es läuft immer ganz genau gleich ab.

Erst werden von innen die Fensterscheiben mit Zeitungen ausgeklebt. Drinnen wird eifrig renoviert. Menschen im Gründertaumel sitzen da und weißen Wände, schrauben an Zapfanlagen, ein Mann von der Firma Merkur kommt vorbei und hängt Spielautomaten auf. Brauereigestühl wird in die Schankstube geladen. Draußen ein A4-Zettel: „Hier eröffnet am 1. Januar Harry’s Pilsstube“. Dieser Zettel hängt bis Mitte Januar da, dann wird er abgerissen. Zu guter Letzt wird ein blaugelbes beleuchtetes Emblem „Harry’s Pilsstube“ draußen aufgehängt. Es wurde von der Brauerei „Engelhard Charlottenburger Pilsener“ gesponsort.

Dann geht es los. Jeden Samstag und jeden Sonntag watschele ich an jener Straßenecke vorbei. Hinter dem Tresen steht mit unsicherem Gesicht ein Frührentnerehepaar. Am Tresen sitzen zwei bis drei Freunde des Ehepaars. „Kommt doch die ersten Tage mal öfter vorbei, damit es nicht so leer aussieht“, wird das Ehepaar zu seinen Freunden gesagt haben. Eine Woche später sitzen die Freunde nicht mehr da. Das Ehepaar wird angespannt. Das Bier wird unten in den Fässern schal. Ein Teufelskreis. Die Brauerei fängt an zu mucken. Das Biersoll muss abgenommen werden.

Erste Verzweiflungstaten werden begangen. Rechtschreibfehlerplakate werden mit Farbtintenstrahldruckern gedruckt und ins Fenster gehängt: „Sonntags Frühstücksbuffett von 6-11 Uhr. Frühstück und Kaffee satt für 6 €“. Es nützt nichts. Denn Sonntags schiebe ich an Harrys Pilsstube vorbei und niemand sitzt drin. Unter einer kleinen Vitrine biegen sich Salami- und Käsescheiben verzweifelt nach oben, als würden sie die Schultern zucken und sagen „Ich kann doch auch nichts dafür“.

Nächste Verzweiflungstat: Anschaffung eines sehr teuren Dartspielautomaten. Bekleben der Eingangstür mit einem mitgelieferten bunten Plakat: „Neu! LÖWEN-TURNIER-DART“. Niemand will Dart spielen. Nicht mal in Friedenau. Die Gesichter des Pärchens werden verbittert.

Nächste Verzweiflungstat: Sonderaktionen. Eisbeinessen, Gänsekeulenessen, Martinsgansessen. Niemand kommt. Wenn einer kommt, dann nur zum Zigaretten ziehen oder Geld wechseln. Oder fragen, ob man ein Plakat aufhängen dürfe.

Nächste Verzweiflungstat: Anschaffung eines Großbildfernsehers und Premiere-Decoders. Aufstellen einer Tafel vor der Gaststätte: „Alle Bundesligaspiele, bei gemütlichem Bier“. Niemand will alleine in einer leeren Kneipe Bundesliga kucken. Es nützt nichts. Es ist traurig. Sie machen alles falsch.

Sie halten drei Monate durch. Drei harte Monate. Dann ein letztes Aufbäumen, nämlich Lügen: Schräg werden Aufkleber auf die Scheiben gepappt. „NEUE BEWIRTSCHAFTUNG!“

Hilft auch nichts.
Nach Harry’s Pilsstube kommt die „Florya-Bar“ kommt das „Frühstückscafé Geheimtip“ kommt das „Warsteiner Treff“. Sie werden es nie verstehen.

 

Restaurant Mesa

Hier stelle ich in loser Folge Restaurants vor, die mir gefallen. Ich betone ausdrücklich, dass die genannten Restaurants für diese Rezensionen kein Geld bezahlen und ich auch ansonsten weder privat noch dienstlich mit den Besitzern jener Restaurant verbandelt bin. Ich geh einfach gerne da hin. Punkt.

Es gibt Abende, spontane Situationen, an denen braucht man ein verlässliches Restaurant. Ein Restaurant, in welchem auf wundersame Weise immer ein Tisch für zwei frei ist, ein Restaurant in dem das Essen stets frisch, liebevoll zubereitet und schmackhaft ist. Ein Restaurant ohne böse Überraschungen. Das Mesa ist so ein Fall. Hier wird libanesisch gekocht, und zwar vom Allerfeinsten. Schwerpunkt und Namensgeber dieses Restaurants sind die in anderen Restaurants lieblos als „Vorspeisen“ abgekanzelten Kleingerichte, die man beliebig miteinander kombinieren kann. Darunter finden sich natürlich libanesische und persische Klassiker wie das Hommos oder Tabouleh, aber auch aromatische Lammhackbällchen (Kibeh boule), marinierte Hähnchenspieße (Shikh tawouk) u.v.a.

Wer eher reaktionär unterwegs ist und eine klassische Menüfolge braucht, kann auch dies haben; es gibt eine wunderbar frische, mit Zitrone abgeschmeckte Linsensuppe, einen Lammrücken mit grünen Bohnen, dessen Zartheit die Tränen in die Augen treibt; auch der mit Zwiebeln und Mandeln versehene Seelachs schmeckt vorzüglich. Vegetarier können sich an einer Seltenheit erfreuen: Einem Couscous, das NICHT langweilig vor sich hindümpelt, sondern mit erlesenen Gewürzen und in bestem Olivenöl geschwenkt ganz neue Geschmackswelten auftut. Die Weinkarte ist klein und fein, besonders empfehlenswert die zu Unrecht kaum bekannten Weine des Weinguts „Ksara“ aus dem Bekaa-Tal. Die „Réserve du Couvent“ duftet nach Schokolade und Beeren und bekommt durch den Syrah-Anteil einen nachgerade feuerwerksartigen Nachgeschmack. Der ebenfalls einwandfreie Château Ksara Rouge wird sogar als offener Wein serviert und ist dank der guten Nachfrage bedenkenlos trinkbar. Der mit Kardamom gewürzte Mokka gibt gemeinsam mit einem Arrak, der geschmacklich genau zwischen Pernod und Raki liegt, beste Gefühle im ganzen Körper. Hervorzuheben auch der Kellner, der scheinbare Schlafmützigkeit und Charme aufs Hervorragendste vereint.

Im Mesa isst man stilvoll, aber nicht etepetete. Kinder sind willkommen und kriegen auch bizarre Sonderwünsche erfüllt, z.B. handgeschnitzte Pommes Frites.

Restaurant Mesa
Paretzer Str. 3
10713 Berlin
(030) 822 53 64

tgl. außer SO 16-24 Uhr
EC-Karte
www.mesaberlin.de

 

Schlau geradelt

Fahren Sie gerne Fahrrad? Angenommen, Sie wollen von der Markgrafenstraße in Berlin-Mitte so schnell wie möglich zur Albrechtstraße in Steglitz. Und zwar mit dem Fahrrad. Könnten Sie auf Anhieb sagen, welche Route die beste wäre? Mit www.bbbike.de geht das!

Geben Sie Start- und Zielstraße ein und klicken Sie auf „weiter“. Im nächsten Menü können Sie die jeweilige Straßenecke genauer einkreisen. Sodann wählen Sie den bevorzugten Straßentyp (Haupt- oder Nebenstraßen), Straßenbelag (!) und die Option „Ampeln vermeiden?“. Ein letzter Klick auf „Route zeigen“ – und schon tüftelt Ihnen bbbike.de den idealen Weg aus. Sie erfahren außerdem, wie lange Sie voraussichtlich unterwegs sind. Ein Handout des Wegs können Sie sich ausdrucken und mitnehmen. Funktioniert perfekt und hat mir schon einige hübsche Abkürzungen beschert.