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Movies Out of Sex and Life

Barbara Hammer, X, 1973 © Courtesy Barbara Hammer & KOW Berlin

KOW zeigt die Filmemacherin Barbara Hammer in einer Einzelausstellung als Künstlerin – und auch sonst gibt’s von der Pionierin des Queer Cinema diese Woche Einiges zu sehen.

Die Galerie Koch Oberhuber Wolff zeigt frühe Arbeiten aus dem Werk der amerikanischen Dokumentar- und Experimentalfilmerin Barbara Hammer. Die meist sehr persönlichen Filme handeln von lesbischer Emanzipation, ihrem eigenen Leben oder marginalisierten Frauenbiografien. Die Einzelausstellung würdigt Hammers künstlerischen Beitrag zum Avantgardekino und der Performancebewegung, wie ihn auch Film-Retrospektiven am MoMa (2010) und der Tate Modern (2012) zeigen.

Anfang der Siebziger begann Hammer in San Francisco mit den filmischen Repräsentationen eines neuen lesbischen Selbstbewusstseins zu experimentieren. Sie fand Bilder für etwas, das bisher keinen Platz auf der Leinwand fand, befreite lesbische Liebe und Sexualität aus der männlichen Perspektive der konventionellen Filmpraxis. Hammer drehte damals mit der Handkamera auf 8-mm und verwarf klassische Erzählstrukturen. In kollektiven Aktionen machten Hammer und ihre Freundinnen das Intime öffentlich und brachen mit Tabus.

Oft kreiste Hammer dabei um ihr eigenes Leben, von der sexuellen Befreiung (X, 1973) bis zur Krebserkrankung (A Horse is Not A Metaphor, 2008). Aber sie experimentierte auch mit Filmmaterial; für die Arbeit Blue Film No 6: Love Is Where You Find It (1998) schnitt sie beispielsweise den männlichen Protagonisten aus einem Pornostreifen und beließ nur die beiden weiblichen Parts.

Am Montag veranstaltet KOW eine Premierenparty, denn Hammer präsentiert auf der Berlinale zwei neue Arbeiten:

In Maya Deren’s Sink (2010) reflektiert die Künstlerin das Vermächtnis der 1961 verstorbenen Filmemacherin und Theoretikerin Maya Deren auf ihre Privaträume. Deren unterlief die Konventionen des amerikanischen Erzählkinos und gilt als Vorreiterin des experimentellen Films. Und für das Projekt Generations (2010) arbeitete Hammer mit der 40 Jahre jüngeren queeren Filmemacherin Gina Carducci. Sie filmten in einem gealterten Vergnügungspark, bearbeiteten das Material (digital und analog) unabhängig voneinander. Die daraus entstandene Arbeit ist ein Experiment über das Altern und die Weitergabe von Tradition des experimentellen Films.

Und wem das noch immer nicht reicht: Nächsten Mittwoch spricht Barbara Hammer beim Berlinale Talentcampus im HAU. Das Thema: Making Movies Out of Sex and Life.

18 Uhr | 11. Februar 2011 | KOW | Brunnenstraße 10 | Berlin Mitte

 

Sam Lewitt in der Galerie Daniel Buchholz

Sam Lewitt, Paper Citizen 01-10, 2011 © Courtesy Galerie Daniel Buchholz, Köln/Berlin

Die Einzelausstellung 0110_Universal-City_1010 fordert den Betrachter.

Den jungen amerikanischen Künstler Sam Lewitt beschäftigen die Schnittstellen zwischen Technik und Sprache, Präsentationsmodi und Produktionslogiken. Die ausgestellten Prints basieren zum einen auf Bestandteilen zur Anordnung beweglicher Letter wie sie in Hochdruckvorlagen zum Einsatz kommen. Zum Anderen verarbeitet Lewitt in der New York Times abgedruckte Werbeanzeigen für Armbanduhren, die er seit 2006 sammelt. Er digitalisiert die Informationen und überführt die Daten in eine völlig neue Systematik…

19 Uhr | 11. Februar 2011 | Galerie Daniel Buchholz | Fasanenstraße 30 | Berlin Charlottenburg

 

Trembling Berlin

Pawel Althamer, Videostill aus "Winged" 2008 Courtesy: Foksal Gallery Foundation

Die daadgalerie präsentiert Trembling Bodies von Artur Żmijewski.

Der polnische Künstler Artur Żmijewski ist – gelinde gesagt – engagiert. Ob als Künstler, Mitglied der linken Bewegung Krytyka Polityczna („Politische Kritik“), künstlerischer Leiter des gleichnamigen Magazins oder Leiter der nächsten Berlin Biennale – bei Żmijewski dreht sich alles um Politik und das Machtpotential der Kunst. Entsprechend provokant fallen seine Arbeiten aus. Sie zeigen etwa einen ehemaligen KZ-Häftling beim Auffrischen der tätowierten Nummer, Gehörlose beim Singen von Bachkantaten oder eine Todkranke im Morphium-Delirium. Żmijewskis Filme und Fotografien hinterfragen gesellschaftliche Normen und verletzen Moralvorstellungen.

Auch die hiesigen Künstler hat er in Aufruhr versetzt; die Biennale-Bewerber sollten zu ihrer politischen Gesinnung Stellung nehmen, soweit vorhanden. Denn Żmijewski widerspricht der Idee, dass Kunst aus einer neutralen Position heraus zu schaffen sei. Und so wartet Berlin gespannt auf seine nächste Biennale. (Auch weil ihr Leiter selbst Künstler und dazu aus Osteuropa ist – aber das nur am Rande.)

Heute präsentiert Żmijewski in der daadgalerie seine Publikation Trembling Bodies („Körper in Aufruhr“) sowie die dazugehörige Schau. Sowohl das Interviewbuch als auch die Gruppenausstellung betrachten die polnische Bewegung der „kritischen Kunst“ und ihrer Erben. Die interviewten beziehungsweise ausgestellten Künstler haben mit ihrer Kunst aktiv in das politische und soziale Geschehen Polens eingegriffen.

Die Ausstellung umfasst neben ihren filmischen Werken auch Dokumente zur polnischen Film-, Foto- und Performance-Kunst seit den Neunzigern. Mit dabei sind Żmijewskis ehemalige Kommilitonen von der Warschauer Kunstakademie – Paweł Althamer, Katarzyna Kozyra oder Jacek Markiewicz.

Zwar verfolgt Żmijewski mittlerweile den Ansatz der „Applied Social Arts“. Doch zur Eröffnung spricht er mit den Künstlern Joanna Rajkowska und Stanislaw Ruksza über die alten Zeiten. Sicherlich ein guter Vorgeschmack auf das, was Berlin 2012 erwartet.

19 Uhr | 10. Februar 2011 | daadgalerie | Zimmerstraße 90/91 | Berlin Mitte

 

Parallel Worlds zur Berlinale

Wendelien van Oldenborgh, Pertinho de Alphaville 2010 © Wilfried Lentz, Rotterdam und Wendelien van Oldenborgh

Die Ausstellung Parallel Worlds eröffnet die sechste Ausgabe des „Forum Expanded“ im Rahmen der Berlinale.

Dieses Jahr liegt der Fokus der Berlinale-Reihe „Forum Expanded“ auf Kunst – genauer gesagt auf Filmen, Videos und Installationen, die das politische Denken herausfordern. Die 42 internationalen Künstler, Filmemacher, Performer und Musiker führen ihre Arbeiten nicht einfach nur vor, sondern präsentieren sie auch im Radio, auf der Bühne oder in Ausstellungen wie Parallel Worlds.

Die Gruppenausstellung im Salon Populaire und den Kunstsaelen Berlin ist nach der Arbeit Parallel Worlds (2010) der Belgier Harald Thys und Jos de Gruyter benannt. Die Montage aus Diagrammen und Filmfragmenten ‚beweist‘ die Existenz paralleler Welten und die Möglichkeit, sich darin zu verorten.

Gemeinsam haben alle Arbeiten der Ausstellung, dass sie die Wirkung und Macht bewegter Bildwelten reflektieren und nach ihren Möglichkeiten fragen, die Realität abzubilden oder sogar die Geschichte umzuschreiben. Die niederländische Künstlerin Wendelien van Oldenborgh hat für Pertinho de Alphaville (2010) etwa ihre Begegnung mit brasilianischen Fabrikarbeiterinnen zu Dialogen montiert und dafür eine Raumsituation entwickelt. Und die israelische Künstlerin Yael Bartanas reanimiert in ihrer 16mm-Filminstallation Entartete Kunst Lebt (2010) die verschollene Arbeit Kriegskrüppel (1920) von Otto Dix für eine mögliche Re-Lektüre – um nur zwei von fünf weiteren Künstlern zu nennen. Es klingt jedenfalls sehr sehenswert.

Natürlich gibt es weitere „Forum-Expanded“-Ausstellungen: Morgen eröffnet im P88 die Videoinstallation Blind, in der sich Annika Larssons mit dem Thema Blindenfußball auseinandersetzt. Und ab übermorgen lassen sich in der kanadischen Botschaft sowie dem Filmhaus die Hauntings von Guy Maddin anschauen – Videos über Gespenster der Filmgeschichte.

18 Uhr | 09. Februar 2011 | Salon Populaire (Kunstsaele Berlin) | Bülowstraße 90| Berlin Schöneberg

 

Efterklang-Teile in Berlin

Die KIM Bar verwandelt sich in einen heiter bis glücklichen Ort. Erschreckend.

Der Regisseur Vincent Moon hat mit der dänischen Band Efterklang! gemeinsam den Film An Island (2010) gemacht. Das wäre – außer für Fans – jetzt nicht weiter bemerkenswert, würden die Macher ihren Film nicht auf eine interessante Art und Weise in Umlauf bringen.

Auf ihrer Internetseite darf man sich darum bewerben, den Film offiziell vorführen zu dürfen. Ob öffentlich oder privat, steht jedem frei, nur umsonst muss die Veranstaltung und Platz für mindestens fünf Leute vorhanden sein. Tatsächlich haben Regisseur und Band unter den Bewerbern schon 500! ausgewählt, die den Film in den nächsten Wochen zeigen dürfen.

Heute Abend läuft An Island im KIMs. Und nach der Vorführung legen Rasmus Stolberg und Casper Clausen von Efterklang auf.

20 Uhr | 09. Februar 2011 | KIM Bar | Brunnenstraße 10 | Berlin Mitte

 

Gestalten des Alltags

Franz Dobler © Florian Illing

Im Monarch lesen Jan Off, Franz Dobler und Klaus Bittermann.

Ein intellektueller Punk, ein Cowboy und eine Verleger-Legende mit Schildkröte berichten aus der Welt der Unterschicht, der einsamen Helden und ihres Kiez‘. In der Ankündigung ist von noch nicht veröffentlichten Texten die Rede. Nach Spaß klingt die Lesung allemal.

20 Uhr | 09. Februar 2011| Monarch | Skalitzer Straße 134 |Berlin Kreuzberg

 

Der akademische Krieg

© Global Media Project

Im Babylon diskutieren Experten im Anschluss an eine Filmvorführung von Human Terrain (2010) die amerikanische Kriegsführung.

Der Film Human Terrain dokumentiert die Versuche der US Militärs mit einer neuen Strategie die Situation im Irak und in Afghanistan in den Griff zu bekommen. Akademiker sollen Taktiken zur kulturellen Verständigung entwickeln, damit sich verhasste Soldaten und fremde Bevölkerung einander annähern. Die Dokumentation handelt von den Kontroversen um den akademischen Krieg: Sie begleitet die Experten an ihre Einsatzorte und zeigt die Reaktionen an den heimischen Universitäten, als das Programm sein erstes Todesopfer fordert.

Human Terrain lief bereits auf dem Filmfest in Leipzig. Dafür schließt an die Berlin-Premiere im Babylon eine hochkarätig besetzte Diskussion mit dem Regisseur James Der Derian, dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan Michael Steiner, Mitchell Moss von der amerikanischen Botschaft sowie dem Soziologieprofessor Harald Wenzel an.

20.30 Uhr | 08. Februar 20011 | Kino Babyon | Rosa-Luxemburg-Straße 30 | Berlin Mitte

 

Protest der Priviligierten

Wen kümmert schon Stuttgart 21?

An Protestkultur Interessierte sind am HAU gut aufgehoben. Das knüpft mit dem Vortrag Protest der Privilegierten? an die Veranstaltungen der Reihe Stuttgart 21 – Reflexiv. Gesellschaftstheorie eines lokalen Ereignisses an.

Diesmal geht es um die Protestanten, genauer um den hohen Anteil von Alten, Gebildeten und Grünen-Sympathisanten. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar untersucht die Hintergründe.

19.30 Uhr | 08. Februar 2011 | HAU 1 | Stresemannstr. 29 | Berlin Mitte

 

Nancy Holt konzentriert

Die amerikanische Künstlerin Nancy Holt präsentiert die Retrospektive Sightlines bei Pro qm.

Bei Sightlines handelt es sich um die Publikation zur aktuellen Ausstellung Nancy Holt: Sightlines – und die zeigt gerade der Badische Kunstverein. Die Schau umfasst vierzig Arbeiten aus der Zeit zwischen 1966 und 1980. Sie hinterfragt, wie sich Holts eigene Wahrnehmung von Landschaft durch die Verwendung unterschiedlicher Medien verändert hat. Immerhin umfasst Holt’s Werk Land-Art-Projekte, Skulpturen, Installationen, Film-, Video- und Audioarbeiten sowie Künstlerbücher und konkrete Poesie.

Die Künstlerin bringt heute Anschauungsmaterial; sie zeigt ihre Filmarbeit Swamp (1971). Anschließend diskutiert sie mit der Kuratorin der Ausstellung. Danach dürften keine Fragen mehr offen sein.

20.30 Uhr | 7. Februar 2011 | Pro qm | Almstadtstraße 48-50 | Berlin Mitte

 

Bewegte Geschichte

Andrei Ujica © Armin Linke

In der Berliner Lektion Der Film der Geschichte trifft der Filmemacher Andrei Ujica auf den Medienwissenschaftler Friedrich Kittler.

Eine Lektion zum Thema Die Kraft der Erinnerung erteilt am Sonntag Andrei Ujica. Der Autor und Filmemacher montiert seit Jahren  Bildmaterial zu Filmen, die das Verhältnis von politischer Macht und Medien in Europa am Ende des Kalten Krieges reflektieren. 2010 zeigte er in Cannes eine dreistündige Autobiographie von Nicolae Ceausescu. Sie bestand aus Propagandafilmmaterial. Mit dem Medienwissenschaftler Friedrich Kittler diskutiert Ujica die Rolle des Filmbildes für die Aufzeichnung von Geschichte.

11.30 Uhr | 06. Februar 2011 | Renaissance Theater | Knesebeckstraße 100 | Berlin Charlottenburg