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Kunstkritik als Gesellschaftskritik

Die amerikanische Künstlerin Andrea Fraser spricht im Hamburger Bahnhof.

Die Kunstzeitschrift Texte zur Kunst, das Berliner Künstlerprogramm des DAAD und die Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof haben Frazer für einen weiteren Vortrag gewonnen. Die Künstlerin spricht heute im Aktionsraum des Museums für Gegenwartskunst.

Fraser beschäftigt sich intensiv mit Institutionskritik. Sie ist bekannt für ihre Performances und Videos. In den Neunzigern betrachtete die Künstlerin, die in Los Angeles im Bereich „Neue Genres“ lehrt, in ihren Gallery Talks die Funktionsmechanismen von Kunstinstitutionen. Ihr Werk Untitled erregte 2003 ziemliches Aufsehen. Die Videoarbeit zeigt Frazer beim Sex mit einem Sammler, der dafür 20.000 Dollar gezahlt hatte.

19 Uhr | 14. Dezember 2010 | Hamburger Bahnhof | Aktionsraum| Invalidenstraße 50-51 | Berlin Mitte

 

Die Kunsthallen-Debatte geht in die nächste Runde

Der Salon Populaire diskutiert in Haben und Brauchen Klaus Wowereits Leistungsschau junger Kunst aus Berlin am Humboldthafen.

Bis Ende der Woche sollen alle jungen Berliner Künstler ihr Portfolio an den Senat senden. Ein ebenso junges Kuratorenteam sichtet die Beiträge für die Leistungsschau junger Kunst aus Berlin im Sommer 2o11. Ausstellungsort wird eine Kunsthalle am Humboldthafen sein, um deren Raumkonzept 21 Architekturbüros konkurrieren. Die Auswahl der Kuratoren und Architekten hat ein Beraterteam übernommen, das aus niemand Geringerem als Klaus Biesenbach, Christine Macel und Hans Ulrich Obrist besteht.

Die Finanzierung, wie sollte es anders sein, steht indes noch nicht. Der Landeshaushalt finanziert zwar die kuratorische Arbeit mit 600.000 Euro. Aber der Veranstalter Kulturprojekte Berlin GmbH muss sowohl die Mittel für die Produktion der Ausstellung auftreiben als auch für die Errichtung einer temporären Ausstellungshalle am Humboldthafen. Sofern das Projekt durch den Senat kommt, will die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin eine Million Euro dazugeben; Wowereit sitzt dem Stiftungsrat vor.

Und hier liegt das Problem: Die Debatte um eine ständige Berliner Kunsthalle ist eng an die Person Wowereits geknüpft – und dem Bürgermeister steht nächstes Jahr der Wahlkampf bevor. Den kämpft es sich leichter als Förderer junger Kunst und als Verbündeter von Stararchitekten und  -kuratoren. Auch klingt Leistungsschau nicht grundlos nach Wirtschaftlichkeit und Stadtmarketing: Wowereit kämpft um eine neue Ausstellungshalle am Humboldthafen, weil sie die Brache um den Hauptbahnhof aufwerten und Investoren für die Erschließung des Areals anziehen soll.

Entsprechend zeigt sich der Tagesspiegel über den Vorstoß des mittellosen Wowereit überrascht. Monopol begrüßt indes den Mut des Berliner Bürgermeisters, groß zu scheitern, anstatt mittelmäßig zu denken. In art echauffiert sich Kito Nedo über das „seelenlose Investorenprojekt“, was Wowereit mit der Leistungsschau erneut auf den Tisch bringt.

Bleibt die Frage, ob Berlin eine Ausstellungshalle braucht. Die Temporäre Kunsthalle hat ihren Betreibern viel Ärger und wenig Resonanz eingebracht. Zuletzt hatte das privat finanzierte Projekt sogar den Eintritt erlassen, um die Besucherzahlen zu steigern. Den bestehenden Institutionen würde eine Aufstockung der Etats mehr nützen als die Finanzierung eines neuen Konkurrenten. Und was bitte bringt der Neubau einer kostspieligen Ausstellungsarchitektur?

Um diese Frage zu klären, versammelt der Salon Populaire die Protagonisten der Kunsthallen-Leistungsschau-Debatte: Von Seiten der mittlerweile geschlossenen Temporären Kunsthalle sprechen Susanne Husse und Tanja Schomaker. Für die Leistungsschau argumentieren der Projektleiter Moritz van Dülmen sowie die Kuratoren Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Weaver. Außerdem nehmen an der Diskussion die Kunst-Werke Chefin Gabriele Horn und der Architekt Arno Brandlhuber teil sowie diverse weitere Künstler, Kuratoren und Kritiker.

20 Uhr | 13. Dezember 2010 | Salon Populaire | Bülowstraße 90 | Berlin Schöneberg

 

Kunstmatinee mit Christian Boltanski

Harte Kost zum Frühstück: Christian Boltanski und Armin Zweite erteilen eine Berliner Lektion.

Die Matinee Installierte Erinnerungen ist die zweite von sechs Berliner Lektionen zum diesjährigen Schwerpunkt Die Kraft der Erinnerung. Die eingeladenen Redner stammen aus verschiedenen Kontexten, von Politik über Psychoanalyse bis hin zur Kunst.

Diesen Sonntag diskutiert Armin Zweite, der Direktor des Museum Brandhorst, mit dem französischen Künstler Christian Boltanski, der Frankreich auf der nächsten Venedig Biennale vertritt. Denn Boltanski setzt sich wie kaum ein anderer Künstler mit dem Erinnern auseinander. Die eigene Familiengeschichte, der Vater entkommt nur knapp der Deportation, prägt sein Werk. Es kreist um den Tod und das Erinnern an die Verschwundenen.

Zweite und Boltanski sprechen über Boltanski’s Erinnerungslandschaften, wie sie der Künstler zuletzt mit Personnes im Pariser Grand Palais ausstelle. In der eiskalten Halle hatte Boltanski Unmengen von Altkleidern zu einer Szenerie des Todes arrangiert, aus Lautsprechern dröhnte der Herzschlag hunderter Menschen.

Das Gespräch wird auch per Livestream übertragen.

11.30 Uhr | 12. Dezember 2010 | Renaissance-Theater | Hardenbergstraße 6 | Berlin Charlottenburg

 

Auf einen Drink mit BOY

Am Sonntag spielen BOY im Michelberger Hotel.

BOY, das sind die Züricher Sängerin Valeska Steiner und die Bassistin und Cellistin Sonja Glass aus Hamburg. Seit 2008 schreiben und spielen die beiden zusammen. Und weil ihre Musik ziemlich gut ist, bleiben sie wohl nicht mehr lange ein Geheimtip. Auch Jessie von LesMads ist gerade auf den Geschmack gekommen.

Drinks an der Hotelbar und gute Musik – wie perfekt kann ein Sonntag sein?

19 Uhr | 12. Dezember 2010 | Michelberger Hotel | Warschauer Straße 39/40 | Berlin Kreuzberg

 

Tanz vor fluoreszierender Kulisse

© Loge

Die Künstlerin Renate Wolff nimmt den Projektraum Loge auseinander.

Die Loge ist ein winziger Projektraum in einer ehemaligen Pförtnerloge am Checkpoint Charlie und funktioniert eher wie ein Schaufenster. Die Kuratoren Martin Mlecko und Wolfgang Schöddert laden regelmäßig Künstler ein, Arbeiten für die sehr speziellen Räumlichkeiten zu fertigen. Die Ergebnisse reichen vom Ein-Mann-Opern-Erlebnis bis hin zur klassischen Installation.

Mit Checkpoint Inter Wall schafft die Künstlerin Renate Wolff nun eine neue Raumsituation in der Loge, indem sie unzusammenhängende Farbflächen im Schwarzlicht schweben lässt. Zur Eröffnung improvisiert darin außerdem Bettina Thiel, Solistin am Berliner Staatsballett. Und das Alles auf gerade mal 4 Quadratmetern.

19 Uhr | 11. Dezember 2010 | Loge | Friedrichstraße 110 | Berlin Mitte

 

Personen mit Höhenangst wird von einer Teilnahme dringend abgeraten!

© KW Institute for Contemporary Art

Eine Führung der Kunst-Werke verbindet Energiegewinnung mit Kunst.

Schwindelfrei sollte man sein für den Ausflug zu den Fort Hatchery Works in Neukölln. Und aufgeschlossen. Denn was die Kunst-Werke nüchtern als Einblick in die Produktionsabläufe eines Energieversorgers ankündigen, ist natürlich keine gewöhnliche Führung.

Mutige und Interessierte können sich unter FHW@kw-berlin.de anmelden.

18. Uhr & 19 Uhr | 10.-12. Dezember 2010 | FHW – Fort Hatchery Works | Weigandufer 49 | Berlin Neukölln

 

Wo wir gerade von Kunst sprechen…

Lecture Performance "The Fortune Tellers" von Elli Ga © Patric Dreier

The Office experimentiert mit dem Vortrag als Kunstform – oder was macht die Fußnote auf der Bühne?

Die Veranstaltungsreihe Perform a Lecture! konzentriert sich auf ein Format, das so ungewöhnlich wie spannend ist: den Vortrag als Kunstform. Die Kuratorinen von The Office haben sechs internationale Künstler eingeladen, sogenannte „Lecture Performances“ zu erarbeiten.

Das Format hatten Künstler wie Robert Morris und Dan Graham in den sechziger Jahren entwickelt. Mittlerweile bedienen Lecture Performances sowohl formal als auch inhaltlich eine beachtliche Bandbreite, wie die bisherigen Veranstaltungen von Perform a Lecture! demonstrieren.

In diesem Jahr führte Dan Graham das Publikum etwa durch die Hufeisensiedlung Bruno Tauts. Ellie Ga hielt einen penibel choreografierten wissenschaftlichen Vortrag über ihre Erfahrungen als Künstlerin an Bord des Forschungsschiffs Tara. Olivia Plender und Romeo Gongora bezogen das Publikum in ein Rollenspiel zum Thema Machtstrukturen in Familien ein.

Zum Abschluß stutzt Will Holder komplexe Philosophie auf ein bühnentaugliches Format, u.a. mit personifizierten Fußnoten!

Will Holder hat nämlich seinerseits Cally Spooner eingeladen. Die Autorin hat eine Bühnenfassung von Das mittelbare Sprechen und die Stimmen des Schweigens (1952) entwickelt. In dem Essay von Maurice Merleau-Ponty geht es grob gesagt um das Verhältnis von Sprache und Malerei. Bei Cally Spooner’s Indirect Language (2010) kommen entsprechend ein Linguist und ein Maler vor. Aber auch Erzähler, Fußnote oder Autor bevölkern die Bühne im Kino Arsenal.

Zugegeben, eine Veranstaltung zur Doppelrolle der Sprache in der Kunst mag nicht jedermanns Vorstellung eines idealen Freitagabend sein. Aber für all die Nerds unter uns, klingt die Kunstphilosophieperformance nach Spaß! Und die Stärke der Reihe Perform a Lecture! liegt gerade darin, dass sie bewusst den kritischen Dialog mit der Öffentlichkeit sucht – und eben nicht nur mit Kritikern, Kuratoren und anderen Künstlern.

21 Uhr | 10. Dezember 2010 | Kino Arsenal |Potsdamer Straße 2 | Berlin Mitte

 

Texte zum Dokumentarfilm

© Vorwerk 8

Tomas Heise präsentiert Spuren auf der Lesebühne.

In Spuren- eine Archäologie der realen Existenz arbeitet der Ostberliner seine Arbeit als Dokumentarfilmer auf – insbesondere während der DDR und der Wendezeit. Seit den siebziger Jahren sammelt Heise das Material seiner Recherchen und dokumentiert das eigene Schaffen. Skurrile Fundstücke, Anekdoten über Notizen und Drehbücher und Vermerke aus seinen Stasi-Akten hat er zu einer Collage zusammengestellt. Heute Abend liest er aus Spuren

Im Anschluss an die Buchvorstellung läuft Heises Dokumentarfilm Eisenzeit (1991) über vier verkrachte Existenzen in Eisenhüttenstadt.

20 Uhr | 9. Dezember 2010 | Roter Salon der Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte

 

Verwirrt in Berlin

© Koen Broos

Gesamtkunstwerk oder Tanztheater-Kitsch? Sidi Larbi Cherkaoui bringt „Babel“ auf die Bühne.

Mit Babel [words] beschließt der belgisch-marokkanische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui seine Trilogie zum Thema des Göttlichen. Nach Foi und dem, wie die Zitty findet, „albernen“ Myth nimmt sich Cherkaoui nun den Turmbau zu Babel vor und das große Thema Verständigung der Kulturen. Natürlich ist das Ensemble multilingual und der Co-Choreograf Damien Jalet Musikethnologe. Und es wird auch nicht einfach getanzt. Babel sei ein Gesamtkunstwerk aus Tanz, Theater, Konzert und Skulptur, versprechen die Berliner Festspiele. Die Bühne gestaltet im übrigen der Turner-Preisträger Antony Gormley.

Wenigstens steht Cherkaoui dem Publikum am Freitag Rede und Antwort.

20 Uhr | 9-12. Dezember 2010 | Haus der Berliner Festspiele | Schaperstraße 24 | Berlin Wilmersdorf