Letztes Jahre holte Julian Heun den Titel. Dieses Jahr fordern ihn u.a. Micha Ebeling, Till Reiners oder Mischa Sarim Verollet heraus. Das Publikum entscheidet, wer Berlin dann auf den Poetry-Slam-Meisterschaften in Hamburg vertritt. Den Abend moderieren die Slam-Veteranen Marc-Uwe Kling und Wolf Hogekamp.
Wem das zu arriviert ist: Der Tagesspiegelbespricht die ausgefalleneren Poetry Formate.
20 Uhr | 30. Dezember 2010 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte
Die Kuratoren haben 600 Exponate zusammengestellt sowie 400 Fotos, Plakate und Filme ausgesucht. Die Ausstellung soll beantworten, wie es zu den Verbrechen der NS-Diktatur kommen konnte. Sie belässt es jedoch bei einem vorsichtigen Kratzen an der Oberfläche des Führerkults.
Vielleicht liegt es an einer Mischung aus historischem Interesse und dem im Tagesspiegelbeschworenen „Sündenstolz“, dass Hitler und die Deutschen die Besucher trotzdem anzieht. Am Montag nach den Weihnachtsfeiertage ist Berlin auf jeden Fall noch ziemlich verlassen – eine günstige Gelegenheit also, um sich ein eigenes Bild von der Schau zu machen.
Das Episodenstück von Dea Loher lässt zwölf traurige Gestalten in den unterschiedlichsten Konstellationen aufeinandertreffen. Sie alle hadern mit ihrem Schicksal und – ob sie um ihre Existenz bangen, anstehende Veränderungen fürchten oder an der Einsamkeit zerbrechen – stehen irgendwie am Abgrund.
Der Versicherungsmakler Finn ist seines Lebens überdrüssig, während seine Schwester von einem Naturschutzgebiet phantasiert und ihr Vater sich nur ganz normal unterhalten möchte. Josef kämpft für sein ungeborenes Kind, das Freundin Mira auf keinen Fall bekommen möchte. Beim Ehepaar Schmidt stürzt ein Eindringling das penibel geregelte Leben ins Chaos, um nur einige Beispiele zu nennen.
Während die einen resignieren, steigern sich die anderen in Hysterie. Entsprechend sind die Begegnungen manchmal anrührend, meistens aber komisch. Jedenfalls unterhält die Inszenierung von Andreas Kriegenburg streckenweise ziemlich gut. Nur nerven die überdrehten Figuren nach einiger Zeit und machen aus der laut Tagesspiegel „abgründigen Untiefenhandlung“ eine Geduldsprobe.
18 Uhr | 25. Dezember 2010 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte
Alleine feiert sich Weihnachten am Besten an einem Tresen. Und dann bleibt als Alternative zum einsamen Wodka noch die Volksbühne. Die feiert nämlich schon zum zweiten Mal mit Wladimir Kaminer.
Diesmal liest er aus Weihnachten auf Russisch, der Textsammlung seiner Frau Olga u.a. mit Texten von Gogol und Nabokov. Außerdem stellt er eigene, teilweise unveröffentlichte Geschichten vor sowie weihnachtliche Nachtlieder weißrussischer Partisanen. Der Videokünstler Lillevan Pobjoy sorgt für ein feierliches Ambiente.
Wem darüber tatsächlich noch festlich zu Mute wird, der könnte eine Kurzstrecke zur Mitternachtsmesse im Berliner Dom nehmen – bevor er zurück zur Russendisko in den Roten Salon fährt und bei Revolution Rock die heilige Nachtausklingen lässt.
Frohe Fest!
21 Uhr | 24. Dezember 2010 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte
Roger Vontobel inszeniert Arthur Millers Broadway Stück Alle meine Söhne– mit mäßigem Erfolg. Unspannend wie ein Vorabendfilm lautet das Urteil der Kritiker.
Vontobel reduziert Millers Broadway Erfolg von 1947 zu einer blutleeren Familienaufstellung. Der Besuch der zukünftigen Schwiegertochter bringt die Rollrasenidylle der Familie Keller zum Bröckeln. Die Verlobte war zuvor nämlich nicht nur mit dem älteren, nun im Krieg vermissten Sohn zusammen. Sie ist überdies die Tochter vom inhaftierten Geschäftspartner des Vaters. Ihre gemeinsame Firma hatte defektes Material an die Air Force geliefert. Die Situation eskaliert.
Liest man sich durch die Nachtkritik, fällt eben diese Eskalation reichlich seicht aus. Die Süddeutsche Zeitung schmäht die „glatte Fernsehfilm-Dramaturgie“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet zudem die Live-Übertragung der „Deklamationsmonotonie“ unglücklich. Und während beim Tagesspiegelnur der „Eindruck leicht kitschiger Fernsehdramatik von gestern“ bleibt, reicht es für die Berliner Morgenpost immerhin noch zu einem Vorstadtkrimi.
Die Vorzüge gegenüber einem Fernsehabend auf der Couch? 1. Keine Werbung, 2. Niemand redet rein, 3. Gutes Training für das Weihnachtsessen.
20 Uhr | 21. Dezember 2010 | Kammerspiele des Deutschen Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte
War da was? Wer keine Lust auf Festprogramme oder die zigste Weihnachtsfeier hat, findet im Theater-Solo mit Clemens Schick eine gute Alternative. Windows von Mathias Greffrath geht mittlerweile ins dritte Jahr.
Das Stück blickt in die Seele von Bill Gates, der es mit Microsoft vom Nerd zum Superphilantropen gebracht hat. Schick denkt sich dafür in den Programmierer hinein, den Kontrollzwang, Größenwahn und Genie zu einem der reichsten und polarisierendsten Männer der Welt gemacht haben. Und das klingt herrlich bissig.
20 Uhr | 20. Dezember 2010 | Sophiensaele | Sophienstraße 18 | Berlin Mitte
2002 präsentierte der finnische Regisseur Kaurismäki bei den Filmfestspielen in Cannes die Geschichte eines Mannes, den ein Überfall aus seinem vertrauten Leben reisst. Als der Verletzte zu sich kommt, besitzt er sich nicht einmal mehr eine Identität. Von der Gesellschaft ausgeschlossen, kämpft er um seine Existenz. Dabei trifft er nicht nur auf gutherzige Menschen, sondern verliebt auch in die Heilsarmistin Irma. Ach ja, und selbst in ihrem Elend gesteht Kaurismäki seinen Verlierern einen selbstverständlichen Glamour zu. Die Jury hat den Film dafür mit dem Grand Prix ausgezeichnet.
Den sozialen Absturz als Chance auf ein zweites, wahrhaftigeres Leben inszeniert Regisseur Dimiter Gotscheff jetzt als Theaterstück. Zärtlich aber ohne falsche Sentimentalität solle es die elementaren Themen Freundschaft, Liebe und Hoffnung behandeln. So begeht man wohl Weihnachten am DT.
Jedenfalls ist der Tagesspiegel schon gespannt darauf, wie „Gotscheff und seine hochintelligente Schauspielerriege“ die Kaurismäkische Lakonie auf die Bühne bringen. Und für die Vorstellung am Samstag gibt es noch Karten.
19.30 Uhr | 18. Dezember 2010 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte
Mit dem Erlös der jährlichen ChariTÄT-Benefizveranstaltung finanziert der Kunstraum sein Programm im nächsten Jahr. Die Kunstwerke haben befreundete Künstler gespendet. Sie kosten zwischen zehn und siebenhundert Euro.
Das Programm von TÄT konzentriert sich auf Konzeptkunst und Installationen. Es lohnt sich hier vorbeizuschauen.
17 & 12 Uhr | 17. & 18. Dezember 2010 | TÄT | Schönhauser Allee 161 | Berlin Mitte
Nach der Gruppenausstellung Jewelry schließt der Projektraum von Samsa.
Die letzte Ausstellungseröffnung dieses Jahres ist zugleich ein Abschied.
Drei Jahre lang bespielten Shannon Bool und Alex Müller ihr Souterrain in der Kollwitzstraße mit einem aberwitzigen Programm. Jetzt geben sie die Räumlichkeiten auf. Die Künstlerinnen wollen künftig projektbezogen arbeiten. Die nächste Ausstellung findet in Köln statt.
Jewelry versammelt die Werke der mit Samsa arbeitenden Künstler und endet am 7. Januar. Dieses Wochenende kann die Ausstellung regulär besucht werden, danach nur nach Vereinbarung. Die Künstler zu den Werken gibt es heute bei der Eröffnung.
Samsa eine letzte Ehre zu erweisen ist jedenfalls ein Muss!
19 Uhr & 14 Uhr | 17. & 18-19 Dezember 2010| Samsa | Kollwitzstraße 10 | Berlin Mitte
In ihrem Stück über Tod und Zeit inszeniert Marie Brassard die Begegnung einer Frau mit sich selbst. Diese trifft in Gedanken auf sich als Sterbende. Gemeinsam gehen die beiden Frauen zurück zu dem Mädchen, das sie einst waren, und konstruieren in einer Mischung aus Kindheitserzählung und Morphiumvision eine surrealistische Szenerie. Live-Musik und Filmprojektionen verdichten die Traumsequenz.
Hört sich experimentell bis schwierig an. Aber für Mutige gibt’s im Anschluss an die heutige Aufführung Waffeln!
19.30 Uhr | 16.-19. Dezember 2010 | Sophiensaele | Sophienstraße 18 | Berlin Mitte