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Für Ohren und Augen: eine Woche MärzMusik

Intonarumori, Transart, 2010 © Gregor Kuehn

Das Festival für aktuelle Musik feiert sein 10-jähriges Jubiläum. Das Leitmotiv 2011 lautet „Klang Bild Bewegung“.

Die digitalen Medien haben die technische Umsetzung des Gesamtkunstwerkes vereinfacht. Nur macht das intermediale Arbeiten noch lange nicht zu Kunstwerken. Mit dem Festival MärzMusik präsentieren die Berliner Festspiele sowie diverse Kooperationspartner gelungene oder zumindest erfolgsversprechende Projekte. Bei den Beiträgen handelt es sich nämlich oft um Auftragsarbeiten, erklärt der Festivalleiter Matthias Osterwold im Interview mit dem Tagesspiegel.

Für dieses Jahr haben sich die Musiker und Künstler mit dem Verhältnis von Musik und bewegten Bildern auseinandergesetzt. Und so reicht das einwöchige Programm von neuer Musik zu alten Filmen über musikalische Videokunst bis hin zu Performance-Installationen.

Weil das Festpielhaus wegen Renovierung derzeit geschlossen hat, befinden sich die Spielstätten über die Stadt verteilt. Rebecca Sander eröffnet das Festival heute Abend im Café Moskau. Musiker und Zuhörer erlaufen sich dort ihre Komposition Chroma. Außerdem gedenkt Michael Vorfeld der Glühlampe mit seiner Klanginstallation Light Bulb Music.

Am Samstag begleitet dann das Ensemble Modern in der Volksbühne die restaurierte Fassung von Metropolis (1927) mit Musik von Martin Matalon. Und im Babylon Mitte vertont die Komponistin Misato Mochizuki das proto-feministische Drama Taki no shirato (1933) von Kenji Mizoguchi. (Im Babylon finden während des Festivals übrigens auch die Mitternachtscreenings von Filme hören statt. Dort werden Filme gezeigt, die nicht zuletzt aufgrund ihrer außergewöhnlichen Tonspur Bedeutung erlangt haben.)

Im Radialsystem V lärmt am Sonntag Das Orchester der Futuristischen Geräuscherzeuger oder kurz: der Intonarumori. Die Intonarumori gehen zurück auf einen Entwurf von Luigi Russolo (1885–1947). Der futuristische Maler und Komponist präsentierte 1913 Instrumente für die Musik eines von Großstädten und Maschinen geprägten 20. Jahrhunderts. Zwar gingen die Originale verloren. Aber die italienische Komponistin Luciano Chessa hat für das Performa Festival in New York 16 der Geräuscherzeuger rekonstruiert und zeitgenössische Komponisten wie Blixa Bargeld und Mike Patton um neue Werke gebeten – und das sind nur einige der vielen Optionen für dieses Wochenende.

Falls das ohnehin schon verplant sein sollte: In der Philharmonie tritt Montag das New Yorker Ensemble Alarm Will Sound auf. Die 20-köpfige Truppe hat sich auf die Bearbeitung elektronischer Musik für akustische Instrumente spezialisiert. Und im Hamburger Bahnhof findet What Got You Here, Won’t Get You There statt, eine Performance-Installation des isländischen Künstlers und Musikers Egill Sæbjörnsson und der brasilianischen Regisseurin und Schauspielerin Marcia Moraes.

Nein, kein Aufatmen. Der Rest der Woche wird ähnlich turbulent; der Download des Festivalprogramms lohnt sich also.

18.-24 März 2011 | siehe Programm

 

Liebe um jeden Preis

GELDIGELD / DIE KAMELIENDAME from Volksbühne Berlin on Vimeo.

Sophie Rois spielt Die Kameliendame an der Volksbühne.

Die Schauspielerin Sophie Rois hat sich einmal mehr eine faszinierende Rolle gesucht. Das Drama um die Kurtisane Marguerite Gautier hat sie der Volksbühne selbst vorgeschlagen, gemeinsam mit dem Regisseur Clemens Schönborn. Die Kameliendame beruht auf dem gleichnamigen Roman (1848) von Alexandre Dumas dem Jüngeren, der auch die Theaterfassung (1952) entwickelte. Schönborn bedient sich für die Inszenierung außerdem der Musik aus Giuseppe Verdis Oper La Traviata (1853). Auch die greift die Geschichte der Kameliendame auf.

Das passiert: Die Kurtisane Marguerite Gautier führt ein selbstbestimmtes Leben in dekadentem Luxus. Sie allein entscheidet, wem sie die Gunst ihrer Zuneigung erweist. Ihre Gefühle kommen die Liebhaber natürlich sehr teuer zu stehen. Doch auch die Kameliendame ist schließlich bereit, ihre materielle Sicherheit für die Liebe aufzugeben. Am Ende scheitert sie trotzdem an den Konventionen der Gesellschaft.

Rois sagt, dass sie an dem Stoff das Unwiederbringliche reize, der verlorene „Glanz des Geldes in der Frühzeit des Kapitalismus“. Man darf also gespannt sein, wie sie die kompromisslose Haltung der Kameliendame verkörpert. Zur Einstimmung auf die Premiere hier noch einige Begegnungen der ZEIT-Redakteurin Katja Nicodemos mit der Schauspielerin.

19.30 Uhr | 16. März 2011 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte

 

Ein DJ-Set der anderen Art

Die Yellow Lounge präsentiert den Pianisten Francesco Tristano.

Endlich. Ein Highlight. Der 29-jährige Konzertpianist Francesco Tristano überrascht derzeit als Artist in Residence der Hamburger Symphoniker. Denn Tristano begnügt sich weder mit dem spielen fremder Werke, noch dem komponieren eigener Stücke. Er ist außerdem ein Meister der fließenden Übergänge, ein DJ am Piano. Tristano bewegt sich dabei ebenso selbstverständlich in der Klassik wie im Techno.

Im Cookies präsentiert Tristano heute Abend sein Konzeptalbum bachCage (2011). Darauf verbindet er Klavierstücke von Johann Sebastian Bach und John Cage zu einem Recital, das Ersteren moderner und Letzteren weniger ungestüm klingen lässt. Seine Devise: »Ein gutes Piano-Recital ist wie ein DJ-Set.«

Mehr über Tristano gibt’s im Interview mit der ZEIT; Ulrich Stock hat den Pianisten auf einer Zugfahrt von Berlin nach Halberstadt begleitet.

21 Uhr | 14. März 2011 | cookies | Friedrichstrasse 158-164 | Berlin Mitte

 

Die gute alte Avantgarde

Im Arsenal sprechen zwei Pioniere des unabhängigen Kinos: P. Adams Sitney und Ulrich Gregor erinnern sich.

Die Gesprächspartner verbindet ihr Einsatz für den unabhängigen Film. P. Adams Sitney hat nicht nur Visionary Film (1974) verfasst, das Standardwerk zum Avantgardefilm, sondern ist auch Mitbegründer der Anthology Film Archives. Der Filmhistoriker Ulrich Gregor war wiederum beteiligt an der Institutsgründung des Arsenal.

Heute Abend diskutieren die beiden Pioniere über die Gründerjahre ihrer Institutionen in New York und Berlin. Dazu zeigen sie Kurzfilme wie Gloria! (1979) von Hollis Frampton, Notebook (1962) von Marie Menken oder Murder Psalm (1981) von Stan Brakhage.

20 Uhr | 14. März 2011 | Kino Arsenal | Potsdamer Straße 2 | Berlin Mitte

 

Träumen im Kino

Filmstill © Mathilde Rosier

Mystischen Tierwesen vor einsamer Kulisse: Das Babylon zeigt in der Reihe Videoart at Midnight Arbeiten von Mathilde Rosier.

Wer auf den Vernissagen noch nicht genug Kunst bekommen hat, dem kann im Kino Babylon geholfen werden. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zeigen der Sammler Ivo Wessel und der Galerist Olaf Stüber dort Videokunst von jungen Künstlern. Der Fokus der Reihe Videoart at Midnight liegt dabei auf narrativen Arbeiten, die eine große Leinwand verdienen.

Heute zeigen die Kuratoren der Filmkunstreihe vier Arbeiten von Mathilde Rosier. Die französische Künstlerin schafft durch die Kombination von Malerei, Film und Theater traumähnliche Sequenzen mit mystischen Tierwesen vor einsamer Kulisse.

24 Uhr | 11. März 2011 | Kino Babylon | Rosa-Luxemburg-Straße 30 | Berlin Mitte

 

Gadhafi als Puppenspiel

© Dorit Agater

Der Puppenthriller King of the Kings arbeitet sich an Muammar al-Gadhafi ab.

Die Puppenspielerinnen Anna Menzel und Ivana Sajevic aka. lovefuckers interessieren sich ausschließlich für abgründige Themen. Jetzt eröffnen sie mit ihrem Puppenpolitthriller Kings of the Kings das Theater- und Performancefestival Freischwimmer. Das macht ab heute nämlich Station in den Sophiensælen. Angeblich wollten sie über Gadhafi schon ein Puppenspiel machen, bevor der Konflikt in Libyen ausbrach. Das Interesse wird nun um so größer sein.

19.30 Uhr | 10.-12. März 2011 | Sophiensaele | Sophienstraße 18 | Berlin Mitte

 

Tierische Kunstfilme

Massimilian/Nina Breeder, Devil Come to Hell and Stay Where You Belong, 2008 © Courtesy Massimilian/Nina Breeder

Der Schinkel Pavillon zeigt das Filmprogramm Animal Kingdom – There Was an Old Lady Who … , ausgewählt von der Kuratorin April Lamm.

Der zweistündige Loop reiht Filme von Künstlern wie Douglas Gordon, Fischli/Weiss, Julieta Aranda oder Lucy Powell aneinander, die jeweils einen kommentarlosen Blick auf die Tierwelt werfen. Es treten auf: Vögel, Würmer, Spinnen, Fliegen, Frösche, Hunde, Katzen, Pferde, Kühe, Esel, Büffel, Elefanten, Schildkröten und ein Nashorn.

Die Reihenfolge der Filme leitet sich ab aus dem englischen Kinderreim und Gedächtnisspiel „There Was an Old Lady“. Und das hört sich dann so an: „There was Douglas Gordon who swallowed a fly, I don’t know why he swallowed a fly. Perhaps he’ll die. There was Lucy Powellwho swallowed Douglas Gordon and his fly. I don’t know why she too swallowed a fly. Perhaps she’ll die. There was Anri Sala who swallowed Lucy Powell and a spider that wriggled and jiggled inside her who swallowed the fly hitting the camera rim (how dim!). There was Carsten Höller and Julieta Aranda who swallowed some birds …“

Die Vorführungen der Filme jedenfalls finden jeweils Freitag, Samstag und Sonntag um 20 Uhr statt.

19 Uhr | 4. März 2011 | Schinkel Pavillon | Oberwallstraße 1 | Berlin Mitte

 

Drei Chöre und eine Popkakophonie

Bo Christian Larsson stürzt die Galerie Veneklasen/Werner mit einer Soundperformance ins Klangchaos.

Der schwedische Künstler Bo Christian Larsson übernimmt den vierten Satz von Symphonie, dem gemeinsamen Musikausstellungsprojekt von Soundfair und Veneklasen/Werner. Und der Beschreibung zufolge wird diese Soundperformance nicht nur ziemlich laut, sondern auch ganz schön wirr: Larsson holt für Hidden Track nämlich nicht weniger als drei Chöre in die Räume der Galerie: den Akwaba Gospelchor, den Berliner Mozart-Kinderchor sowie den Kissi-Chor.

Normalerweise beziehen sich Larssons Performances auf seine Installationen oder Objekte. Bei Hidden Track handelt es sich erstmals um eine räumlich-musikalische Komposition. Der Künstler verteilt die drei Chöre über die Galerie, wo sie eine Liedcollage frei interpretieren. Die bezieht sich auf die versteckten Lieder auf Pop-Alben.

Eigentlich benutzt er auch nur Ausschnitte von Songs, aber das dürfte in dem Chaos ohnehin untergehen.

18 Uhr | 05. März 2011 | Veneklasen/Werner | Rudi-Dutschke-Straße 26 | Berlin Kreuzberg

 

Das Vermächtnis der Eileen Gray

v.l./f.l.: Albert Weis, Eileen Gray © Foto: Hans-Georg Gaul, Berlin

Der Talk Creating Rooms – Reflections on Eileen Gray betrachtet das Lebenswerk von Eileen Gray und den Einfluss ihrer Entwürfe auf die zeitgenössische Kunst.

Erst mit über Neunzig erfuhr Eileen Gray (1878-1976) für ihre Architektur und Interieurdesign die verdiente Anerkennung. Ihre Kunst hatten nur wenige Kenner verstanden, Grays Möbel und Architekturentwürfe waren ihrer Zeit voraus. Sie entwarf bereits Mitte der Zwanziger einen Stahlrohrsessel und lange vor Aufkommen der Leuchtstoffröhre die Tube Light (1927). Im Haus E.1027 (1926-1929) verwirklichte Gray ihr Ideal einer harmonischen Einheit von Umgebung, Baukörper und Einrichtung. Die Ausstellung Minimalism And Applied II der Daimler Kunst Stiftung präsentiert Gray derzeit in Verbindung mit den Werken der Künstler Sarah Browne und Albert Weiß.

Minimalim And Applied II ist der zweite Teil einer Ausstellungsreihe, in der Designer und Architekten des 20. Jahrhunderts dialogisch zeitgenössischen Künstlern gegenübergestellt werden. Entsprechend greift der Talk im Haus Huth diese Logik auf: Zunächst geht die Kuratorin Jennifer Goff in einem Vortrag auf das Oeuvre von Eileen Gray ein. Goff ist am National Museum of Ireland für die Eileen-Gray-Sammlung zuständig. Anschließend diskutieren die Künstler Sarah Browne und Albert Weis über die Bedeutung von Grays Arbeit für ihre eigenes künstlerisches Werk.

Daimler Contemporary zeigt von Weis eine Rauminstallation und fotografische Arbeiten zur Komplexität urbaner Räume und der visuellen Orientierung darin. Weiß interessiert sich für die Architekten und Designer des frühen 20. Jahrhunderts, so auch für konstruktivistische Entwürfe von Eileen Gray. Sarah Browne fasziniert an Grays Design der emotionale und Nutzer bezogene Modernismus. In ihrem Werk beschäftigen Brown die ‚Ökonomien‘ sozialer und politischer Beziehungen im Wechselspiel von Individuen und gesellschaftlichen Makrostrukturen. Für die Ausstellung bei Daimler Contemporary hat sie, neben dem Eileen Gray gewidmeten Künstlerbuch, mit Türstoppern interveniert.

19 Uhr | 02. März 2011 | Daimler Contemporary | Alte Potsdamer Straße 5 | Berlin Mitte

 

Zwei Stunden Geschichte

© Arsenal

Die Filmgeschichtsreihe Magical History Tour beschäftigt sich mit der Theatralität des Kinos.

Das Arsenal zeigt diesen Monat Filmklassiker, die das Verhältnis von Theater und Film reflektieren. Immerhin hat Film seine Ästhetik auch in Abgrenzung zum Theater entwickelt. Entsprechend fasziniert ihn von jeher dessen Bild- und Formsprache. Und die ausgewählten Arbeiten zeichnet eine besondere Theatralik aus, die sich beispielsweise in den Motiven, in der Arbeitsweise oder in der Inszenierung äußert.

Die japanische Produktion Gishiki (The Ceremony) von 1971 erzählt die Geschichte einer Großfamilie unter dem strengen Regime ihres Großvaters. Ihren Umgang regelt ein strenges Zeremoniell und für individuelle Freiheit gibt’s kein Platz. Mit seinem Porträt kritisiert Regisseurs Oshima Nagisa die japanische Nachkriegsgesellschaft und ihr Festhalten an mittlerweile bedeutungslosen Ritualen oder Zeremonien. Die rigiden Familienstrukturen spiegelt der Film dabei nicht nur dramaturgisch wieder sondern vor allem auch in den Bildkomposition der Einstellungen. Sicherlich speziell, aber eine buchstäblich schöne Option für einen ansonsten ruhigen Dienstag-Abend.

19 Uhr | 01. März 2011 | Kino Arsenal | Potsdamer Straße 2 | Berlin Mitte