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Kosten-Glück-Rechnung

© Thomas Aurin

Die Regisseurin Nora Schlocker zeigt eine aktuelle Madame Bovary am Maxim Gorki Theater.

Gustave Flaubert entlarvte mit dem Sittenbild aus der Provinz 1856 die Heuchelei des bürgerlichen Milieus. Die Bühnenfassung von Tine Rahel Völcker fragt, was sich an den Geschlechtermodellen eigentlich geändert hat und wie das Individuum in die materialistische Gesellschaft passt.

Der Hintergrund: Für den Landarzt Charles Bovary ist die gebildete Emma die große Liebe. Die junge Pächterstochter hofft auf den gesellschaftlichen Aufstieg und träumt von einem Leben in Leidenschaft, wie sie es aus Romanen kennt. Doch die Heirat bringt dem Paar nicht das erhoffte Glück. Denn Emma langweilen sowohl ihr Mann als auch das bürgerliche Dasein auf dem Lande. Sie kompensiert ihre Sehnsüchte mit Luxus und Affären. Sue scheitert nicht nur als Gattin, Mutter und Geliebte, sondern treibt die Familie mit ihrem Konsumrausch auch noch in den Ruin.

Empfehlenswert für Jungfamilien, die es aus dem Prenzlberg ins „Grüne“ zieht.

19.30 Uhr | 19. Februar 2011 | Maxim Gorki Theater | Am Festungsgraben 2 | Berlin Mitte

 

Rebellen mit Geige

Genesis Breyer P-Orridge und Tony Conrad beschließen am HAU das Forum Expanded der Berlinale.

Die beiden Künstler, Musiker und Autoren lernten sich beim Dreh zu The Ballad of Genesis and Lady Jaye (2011) von Marie Losiers kennen und improvisieren seitden regelmäßig Violin-Duette. Tony Conrad und Genesis Breyer P-Orridge sind nicht nur für ihre Video- bzw. Performancearbeiten bekannt, sondern auch als Größen experimenteller Musik. Am HAU unterstützt sie der Percussionist Morrison Edley.

22 Uhr | 19. Februar 2011 | HAU 2 | Hallesches Ufer 32 | Berlin Kreuzberg

 

Hommage an Bob Mizer

Bob Mizer, Unknown (Marine), c. 1973 © Courtesy Bob Mizer Foundation und Exile Gallery

Nach einer umzugsbedingten Winterpause eröffnet die Galerie Exile mit der Ausstellung Bob Mizer: Select Private Works 1942-1992.

Der amerikanische Fotograf Bob Mizer gilt als Pionier der homoerotischen Aktfotografie. Seine Filme und Bilder von Hollywood-Größen, Pornosternchen und Strichern haben eine neue Bildsprache begründet. Bereits 1945 gründet Mizer die Athletic Model Guild. 1951 folgt Physique Pictorial, das erste bekennend schwule Magazin für Körperkultur. Die Prints (vintage und neu) aus Mizers AMG Studio werden heute als Liebhaberobjekte gehandelt.

Die Ausstellung umfasst 26 Abzüge aus dem riesigen Privatarchiv des Fotografen. Sie zeigen die künstlerische Entwicklung Mizers und die Bandbreite seines Werks. Ausgewählt haben die bisher unveröffentlichten Arbeiten die Kuratoren von Exile und der Bob Mizer Foundation.

19 Uhr | 19. Februar 2011 | Galerie Exile | Köpenicker Str 39 | Berlin Kreuzberg

 

Wider die Leistungsschau

Hadley + Maxwell, o.T. (Detail), 2011 © Courtesy Hadley+Maxwell und PROGRAM e.V.

Die „Massenausstellung“ Metrospective 1.0. demonstriert: Berlins Kunstszene will sich nicht vorführen lassen.

Metrospective 1.0 ist der Auftakt einer Ausstellungsserie von PROGRAM und der Future Gallery, die eine Plattform für die jungen, internationalen Berliner Künstler bieten und aktuelle Themen aufgreifen will.

Über 80 Künstler präsentieren heute Abend ihre Arbeiten bei einer Salonausstellung in den Räumen von PROGRAM. Die Tatsache, dass das auch ohne 1,6 Mio. Euro geht, zeigt einmal mehr, wie wenig die von Wowereit geplante Leistungsschau auf die Bedürfnisse der Kunstszene eingeht. Denn in Berlin mangelt es weder an Ausstellungsfläche noch an engagierten Kuratoren, sondern an Geldern für Ausstellungsprojekte mit jungen Positionen.

Mit dabei sind: Aids-3D, Elena Bajo, Maxime Ballesteros, Morgan Belenguer, Luis Berrios Negron, Dan Bodan, Juliette Bonneviot, Anton Burdakov, Jesse Cohen, Keren Cytter, Simon Denny, Niels Betori Diehl, Christina Dimitriadis, Aleksandra Domanovic, Constant Dullaart, Nicolas Dussolier, Thomas Eller, Sophie Erlund, Larissa Fassler, Amir Fattal, Agathe Fleury, Thilo Frank, Felisa Funes, Sabina Grasso, Andy Graydon, Julie Grosche, Mai Hofstad-Gunnes, Saskia Hahn, Spiros Hadjijanos, Ethan Hayes-Chute, Christine Hill, Ingrid Hora, Lan Hungh, Eemil Karila, Kinga Kielczynska, Sylbee Kim, Daniel Kingery, John Kleckner, Christopher Kline, Martin Kohout, Wojciech Kosma, Oliver Laric, Rodney Latourelle, Lindsay Lawson, Kou-Wei Lin, Darri Lorenzen, Dieter Lutsch, Lynne Marsh, Hadley+Maxwell, John McCusker, Ryan McLaughlin, Yudi Noor, Katja Novitskova, Jaakko Pallasvuo, Nico Pelzer, Aude Pariset, Nathan Peter, Niko Princen, Kathryn Politis, Luca Pozzi, Barbara Prokop, Patricia Reed, Ariel Reichman, Victoria Roth, Alex Schweder, Jeremy Shaw, Maxwell Simmer, Timur Si-Qin, Martin Skauen, Despina Stokou, Martin Thacker, Elsa Thorp, Iris Touliatou, Brent Wadden, Awst & Walther…

19 Uhr | 18. Februar 2011 | PROGRAM e.V. | Invalidenstraße 115 | Berlin Mitte

 

Ein musikalisches Statement gegen die Sklaverei

© Thomas Bartilla

An der Staatsoper im Schillertheater feiert El Cimarrón (1969/1970) Premiere.

Das politisch engagierte Rezital basiert auf der 1966 von Miguel Barnet verfassten Biografie des geflohenen kubanischen Sklaven Esteban Montejo, einem sogennaten Cimarrón. (Cimarrón bedeutet „das wilde Tier“ aber auch „das entlaufene Haustier“).

Hans Werner Henze hat daraus gemeinsam mit Hans Magnus Enzensberger ein „musikalisches Statement gegen die Sklaverei“ entwickelt. Enzensberger porträtiert Montejo als abgebrühten Kämpfer, Henze lässt den Zuhörer an der Gefühlswelt des Cimarrón teilhaben – und das klingt ziemlich ungewohnt.

Das szenische Konzertstück für einen Bariton und drei Instrumentalisten verzichtet auf Schauspiel oder Rollen; der Sänger und die Instrumentalisten sind musikalische Partner mit gleichberechtigten Stimmen. In 15 Nummern rekapitulieren sie unterschiedliche Themen im Leben des Cimarrón. Entsprechend der von Improvisation und Interaktion geprägten Partitur befinden sich die Instrumente (allein 33 verschiedenen Percussion-Instrumente) dabei über die gesamte Werkstadt des Schillertheaters verteilt.

Die Regisseurin Sophia Simitzis bebildert die karibischen  Klänge mit Requisiten, Videos und Projektionen.

20 Uhr | 18, 24. & 27. Februar 2011 | Staatsoper im Schillertheater – Werkstatt | Bismarckstraße 110 | Berlin Charlottenburg

 

Collage revisited

Die Gruppenausstellung From Anna Blume. A revisiting of the Collage in the 21st century präsentiert zehn Berliner Künstlerinnen.

From Anna Blume ist die Antwortet auf das berühmte Gedicht An Anna Blume (1919) des Dada-Künstlers Kurt Schwitters. Indem die Künstlerinnen mit ihren Collagen an das Erbe Schwitters anknüpfen, emanzipieren sie sich zugleich von Anna Blume als imaginärer Muse.

Die Kuratorin Sandra Teitge hat für die Ausstellung im Autocenter prägnante und vor allem junge Positionen zusammengestellt; die Werke reichen von Papierarbeiten bis hin zu Installationen. Die Künstlerinnen arbeiten aus den unterschiedlichsten Motiven mit der Technik der Collage: aus formalem Interesse, als Ausdruck von Emotionen oder politischer Tendenzen, oder um die Wahrnehmung des Betrachters herauszufordern. Es ist selten genug, dass eine Ausstellung nur Künstlerinnen präsentiert. Noch seltener, dass eine solche Ausstellung gute Kunst zeigt: Also unbedingt ansehen!

20 Uhr | 18. Februar 2011 | Autocenter | Eldenaer Straße 34a (via James-Hobrecht-Straße) | Berlin Friedrichshain

 

Dagegen heißt immer auch Dabei

© Arno Declair

Der Liederabend Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! 12 letzte Lieder fragt, was eigentlich nach dem Schluss kommt.

Vielleicht wird an diesem Liederabend am Deutschen Theater auch gar nicht gesungen. Setzt sich am Ende gar das Sprechtheater durch? Das Stück ist ein großes logisches Experiment über das Loslassen und die Unverschämtheit, frei sein zu müssen. Nicolas Stemann, Thomas Kürstner, Sebastian Vogel und Benjamin von Blomberg bewegen sich dabei im Grenzbereich von Theater und Musik, das Risiko zu Scheitern inklusive.

Der Liederabend „zwischen Dienstleistung und Verweigerung“ fragt, ob und wie das Aufhören möglich ist und ob wir im Ausstieg zu uns finden oder nur das Abseits. Denn wie kann es ein richtiges Leben in der falschen Gesellschaft geben, wenn Dagegen-sein immer auch Dabei-sein bedeutet?

Wie das Paradox mit Musik zusammengeht, zeigt heute die Voraufführung.

20 Uhr | 17.-19. Februar 2011 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Kunst und Film im Dialog

Am Hamburger Bahnhof finden heute die Kunst-Talks zum Forum Expanded statt.

Die Künstler, die sich im Forum Expanded der Berlinale vorgestellt haben diskutieren mit den Kuratoren.

Am ersten Panel The Cinemativ State of Things nehmen James Benning, Heinz Emigholz, Stefan Stefanescu und Basma Alsharif teil. Zum Thema Narrative Models for the Desire for Visibility sprechen Tom Holert, Artur Zmijewski, Wendelien van Oldenborgh und Kika Thorne. Auf jeden Fall hörenswert!

15 Uhr & 17.30 Uhr | 17. Februar 2011 | Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart | Invalidenstraße 50-51 | Berlin Moabit

 

Künstlergespräch bei Tanja Wagner

Šejla Kamerić Red Carpet (Detail) 2011 © Courtesy Galerie Tanja Wagner

Die bosnische Künstlerin Šejla Kamerić diskutiert ihr Werk mit dem Kurator Edi Muka.

Die Galerie Tanja Wagner präsentiert momentan die Arbeiten von Šejla Kamerić. Die bosnische Künstlerin reflektiert in der Einzelausstellung sowohl den Gender-Diskurs als auch ihre Erinnerungen an den Krieg in Bosnien und Herzegowina. Dabei setzt sie den brisanten Themen überraschend zart wirkende Kunst entgegen. Zumindest auf den ersten Blick: Gerade weil ihre gewebten Arbeiten so filigran erscheinen, funktionieren sie für die Künstlerin nämlich als eine visuelle Form des Widerstandes. Überdimensionierte Häckeldecken hängen wie riesige Spinnweben in den Galerieräumen. Und das Herzstück der Ausstellung, den Red Carpet (2011), hat Kamerić aus roten, getragenen Kleidungsstücken gewebt.

Mehr zu ihrer komplexen Arbeit verrät Kamerić heute Abend im Gespräch.

18.30 Uhr | 17. Februar 2011 | Galerie Tanja Wagner | Pohlstraße 64 | Berlin Schöneberg

 

Screen Off (Sound of Cinema)

Tony Conrad, Yellow Movie 3/31-4/2/73, 1973 © Courtesy Galerie Daniel Buchholz, Köln/Berlin

Mit Action for Cinema on Air (Ursendung) versuchen sich Deutschlandradio Kultur und Forum Expanded an einer experimentellen Klangprojektion.

Für 50 Minuten verwandeln die Künstler Tony Conrad, Keren Cytter, Dani Gal/Achim Lengerer und Natascha Sadr Haghighian das Arsenal in den Resonanzraum eines Radioexperimentes zum Thema Klangkunst im Film. Zeigen dürfen sie zwar nichts. Dafür können sich die fünf Künstler aus den Bereichen Audio-, Video- und Medienkunst aber akustisch austoben. Deutschlandradio Kultur überträgt seine Klangprojektion ins Radio.

Wer’s verpasst: Am 28. Februar läuft die Wiederholung.

17.30 Uhr | 16. Februar 2011 | Arsenal 1 | Potsdamer Straße 2 | Berlin Mitte