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Peterchens kosmischer Kreuzzug

1 Stummfilm + 1 Seminargruppe  + 1 Filmwissenschaftlerin + 1 Geräuschemacher + 1 Kabarettist = Science Fashion

Das Geisteswissenschaften durchaus Spaß machen, beweist eine Gruppe FU-Studenten im Kino Babylon mit ihrem kinematographisches Hörspiel Science Fashion. Da vertonen sie nämlich den sowjetischen Sience-Fiction-Stummfilm Aelita-Königin des Mars (1942). Genauer gesagt machen sie daraus Peterchens kosmischer Kreuzzug – und zwar live und direkt mit professioneller Unterstützung von einem Geräuschemacher und einem Kabarettisten.

Das passiert: Erde und Mond haben sich nach dem Krieg voneinander losgesagt. Auf der Mondkolonie herrscht eine Diktatur der Ästhetik. Die Erdbewohner haben sich in eine neue Innerlichkeit geflüchtet. Nur Peterchen erkennt, welche Gefahr die Sterilität der Mondbewohner bedeutet. Er macht sich auf eine abenteurliche Mission…

20 Uhr | 06. Februar 2011 | Kino Babylon | Rosa-Luxemburg-Straße 30 | Berlin Mitte

 

Clash am Deutschen Theater

© Arno Declair

Das Junge Deutsche Theater präsentiert sein neues Stück Clash.

Irgendwie ist alles Scheiße. Wer Schuld hat? Man weiß es nicht. Da hilft nur abhauen und schauen, ob sich woanders nicht was Besseres findet.

17 junge muslimische, christliche und agnostische Berliner hinterfragen gemeinsam mit dem Regisseur Nurkan Erpulat die „universellen Werte“ unserer multikulturellen Gesellschaft. Sie versprechen einen wilden Abend voller ethnischer Klischees und subkultureller Codes.

Kein Wunder, dass es für die Premiere am Samstag nur noch Restkarten an der Abendkasse gibt.

19 Uhr | 05. & 06. Februar 2011 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Sexologie und Objektivismus

Tarje Eikanger Gullaksen, In that second I kill in myself something a thousand times better than my thought, 2010 © Essays and Observations

Der Kunstraum Essays and Observations widmet sich den Polarisierern Wilhelm Reich und Ayn Rand.

Matthew Burbidge und Sonja Ostermann haben für die vierte Ausstellung ihres Raumes ein denkbar sperriges Thema gewählt. Sie haben neun Künstler gebeten, sich mit dem Individuum und seiner politischen Freiheit auseinanderzusetzen; sie sollen in ihren Arbeiten die beiden Exzentriker Wilhelm Reich und Ayn Rand zusammenbringen.

Reich und Rand haben das politische System Amerikas mit ihren extremen Ansichten herausgefordert. Jeder hat auf seine Weise für die Befreiung des Individuums gekämpft und über die 68er hinaus Spuren hinterlassen.

Der Psychoanalytiker Wilhelm Reich gilt als Vordenker der sexuellen Revolution. Aber seine Heilslehre, eine Mischung aus Psychoanalyse, Esoterik und Marxismus, führte schließlich zu seine Verhaftung und der Vernichtung besagten „orgonomischen“ Spätwerks. Die Radikalkapitalistin Ayn Rand verfasste neben dem bekannten The Fountainhead die Polemik Atlas Shrugged. Darin vertritt sie einen absoluten, frei-marktwirtschaftlichen Kapitalismus sowie den „Objektivismus“, eine Kombination aus radikalem Egoismus, materialistischer Erkenntnistheorie und militantem Atheismus. An ihrer radikalen Position scheiden sich bis heute die Geister.

Man darf sehr gespannt sein, wie die Künstler auf die beiden reagieren!

19 Uhr | 05. Februar 2011 | Essays and Observations | Maxstraße 1 | Berlin Wedding

 

Antikenrock

© Arno Declair

Berlin im Sophokles-Fieber: Auch an der Schaubühne feiert jetzt die Antigone Premiere. Im Gegensatz zur aufgeklärten Oper im Schiller Theater, gibt’s bei der Regisseurin Friederike Heller aber nur Verlierer.

Für ihre Inszenierung reduziert sie die antike Vorlage auf ein zeitgemäßes Minimum. Kein Chor sondern die Band Kante vertont das Schauspiel. Ansonsten befinden sich nur zwei Schauspieler auf der Bühne. Christoph Gawenda und Tilman Strauß spielen sämtliche Rollen in dem Drama um die Nachkommen von Ödipus und seiner Mutter Iokaste.

Die Kurzfassung: Eteokles will den Thron nicht wie vorgesehen mit seinem Bruder Polyneikes teilen. Also zieht der gegen Eteokles und seine eigene Stadt in den Krieg. Beide sterben im Zweikampf. Der Onkel Kreon übernimmt daraufhin die Macht und verfügt, dass der Leichnam des Vaterlandsverräters Polyneikes nicht bestattet werden darf. Ihre Schwester Ismene fügt sich in das Urteil des Onkels. Antigone hingegen setzt sich über Kreons Dekret hinweg. Sie bleibt lieber ihrer Überzeugung treu, als sich einem „falschen“ Gesetz zu beugen – und kämpft. „Dabei kann einem diese publicitygeile, aufmüpfige Figur auch ganz schön auf die Nerven gehen“, erklärt Heller im Spiegel Interview. Na dann…

20 Uhr | 04.-06. Februar 2011 | Schaubühne | Kurfürstendamm 153 | Berlin Charlottenburg

 

Für Unentschlossene

Pablo Pijnappel, Caroussel, 2011 © Pablo Pijnappel und carlier | gebauer

carlier | gebauer zeigt den brasilianischen Künstler Pablo Pijnappel.

Heute eröffnen wieder einige Galerien. Besonders sehenswert ist die Schau bei carlier | gebauer: Die Einzelausstellung Fontenay-aux-Roses präsentiert eine Diainstallation sowie neue Fotografien von Pablo Pijnappel. Sie heißt nach dem Geburtsort des Künstlers, einem Vorort von Paris. In Pijnappels Arbeiten geht es um Erinnerungsbilder, seine persönliche Geschichte und Narration im Film. „Out of the two hours you spend in a movie theatre, you spend one of them in the dark. It’s this nocturnal portion that stays with us, that fixes our memory of a film“, zitiert er Chris Marker, den Regisseur seines Lieblingsfilms La Jetée (1963).

18 Uhr | 4. Februar 2011 | carlier | gebauer | Markgrafenstraße 67 | Berlin Mitte


 

Fremde Perspektiven

© Sebastian Bolesch

Das Radialsystem V zeigt Lilith’s Return.

Das Musiktheater basiert auf dem gleichnamigen Text der libanesischen Schriftstellerin Joumana Haddad. Darin beschreibt sie den Kampf einer arabischen Frau um ein selbstbestimmtes Leben. Auf der Bühne stehen drei junge Schauspielerinnen mit Downsyndrom aus dem integrativen Ensemble RambaZamba. Und so treffen in der mythologischen Figur der Lilith die sehr unterschiedlichen Realitäten junger Frauen in Beirut und Berlin aufeinander. Dazu spielt der libanesische Musiker Mahmoud Turkmani eine Kombination aus orientalischer Improvisation und westlicher Moderne.

20 Uhr | 04.-06. Februar 2011 | Radialsystem V | Holzmarktstraße 33 | Berlin Friedrichshain

 

Glossy und provokant

Die Galerie pavlov’s dog zeigt Videoarbeiten des Fotografen Daniel Josefsohn.

Aus dem Kunstraum berg19 wird die Galerie pavlov’s dog – aber der Fokus auf zeitgenössische Fotografie bleibt. Das Programm eröffnet allerdings mit einer Installation des Berliner Fotografen Daniel Josefsohn. Josefsohn’s Bilder kennt man aus den Magazinen von ZEIT und Süddeutscher Zeitung. Er kombiniert darin Hochglanzästhetik mit brisanten politischen und gesellschaftlichen Themen. Weniger geläufig sind seine Filme oder absurden Projekte wie das UNIFAITH-Parfüm – „damit wir uns endlich riechen können“.

Seine Videoarbeiten setzen den provokanten Ansatz seiner Fotoarbeiten wie Jewing Gun fort. In seiner Installation Lieber Gott Vergiebe Mir etwa thematisiert Josefsohn die Widersprüchlichkeit religiös-fundamentalistischer Positionen. Josefsohn, selbst jüdischer Abstammung, bewegt sich zwar an den Grenzen von Tabus, stellt sich aber nie über die Beteiligten und ihre Emotionen.

20 Uhr | 3. Februar 2011 | pavlov’s dog | Bergstraße 19 | Berlin Mitte

 

Familiendrama im Westen

© Jim Rakete

Das Renaissance Theater spielt Eugene O’Neill’s Drama Eines langen Tages Reise in die Nacht.

Eines langen Tages Reise in die Nacht (1940) ist ein Familien- und Gesellschaftsporträt. Eugene O’Neill legt darin den Verfall einer Schauspielerfamilie offen. In Lebenslügen verstrickt und einander in Hassliebe verbunden, richten Eltern wie Kinder einander zugrunde und flüchten sich in Alkohol und Morphium.

O’Neill verarbeitet darin seine eigene, bittere Familiengeschichte in einem nach Erfolg und sozialem Prestige strebenden Umfeld. Der Literaturnobelpreisträger verfügte daher, dass das Stück erst nach seinem Tode uraufgeführt würde. Er bekam dafür den Pulitzer-Preis – posthum.

Für Begeisterung hat die Koproduktion mit dem St. Pauli-Theater und den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Hamburg nicht gerade gesorgt. Aber welch Überraschung, Ben Becker überzeugt in der Rolle des zynischen Trinkers.

20 Uhr | 3.-12. Februar 2011 | Renaissance Theater | Knesebeckstraße 100 | Berlin Charlottenburg

 

Zu den Hintergründen

Am HAU rekapitulieren der Musiker Morton Subotnick und der Künstler Kabir Carter die Anfänge elektronischer Musik.

Bei den Vorträgen der Pioneers geht es vor allem um das Live-Potential. Mit Tape Recorders, the Transistor and the Credit Card: a Personal History demonstriert Subotnick, wie sich die technologische Entwicklung in seinen Kompositionen niedergeschlagen hat. In Space and Body demonstriert Carter mit Hörbeispielen aus den siebziger Jahren das gemeinsame Interesse von Kunst und Underground Dance an Wahrnehmung und Räumlichkeit. Klingt nach einer informativen Mittagspause, oder?

12 & 14 Uhr | 03. Februar 2011 | HAU 1 | Stresemannstraße 29 | Berlin Kreuzberg

 

Medienkunst auf allen Kanälen

© RML CineChamber

Viel hilft nicht immer viel.

Die transmediale-Eröffnung im HKW fühlte sich an wie ein Uni-Rundgang. Der Foyerbereich erinnerte an die unordentlichen Arbeitsräume in Medienfakultäten. Vielleicht lag es an den vielen Besuchern. Aber auch die Performances hätten spannender sein können.

Beeindruckend ist hingegen die geradezu rückschrittliche Ausstellung in der Studiogalerie. Dort präsentiert LaborBerlin den Filmzyklus The Secrets Trilogy von Reynold Reynolds, bestehend aus Six Easy Pieces (2010), Secret Machine (2009) und Secret Life (2008). Das Besondere: Der Filmemacher montiert seine Videoarbeiten aus 16-Milimeter-Material und Stills, was ihnen eine eigentümliche Qualität verleiht. Und tatsächlich geht es in den surrealen Szenarien immer auch um die Wahrnehmung von Zeit und Raum, ihre medientechnischen Bedingungen und künstlerischen Ausdrucksformen. Reynolds verweist etwa auf Boticelli, Duchamp oder Muybridge. Durch die räumliche Gegenüberstellung wirken die Mehrfachprojektionen noch eindrücklicher. Aber mit dem großen Thema „Liveness“ hat das wenig zu tun.

Echtzeiterlebnisse bietet hingegen die club transmediale, zum Beispiel mit der CineChamber im HAU. Zehn Bildschirme, Boden-Vibrations-Einheiten und ein leistungsfähigem Soundsystem machen die Darbietungen zum synästhetischen Erlebnis. Und heute Abend bespielen die Box auch noch die Elektro-Klangkünstler von Signal. Carsten Nicolai, Olaf Bender und Frank Bretschneider machen nicht einfach nur elektronische Musik, sondern Kunst – auf einer soliden wissenschaftlichen Basis.

Aberwitzig hört sich auch die performative Ausstellung Regenwald 2011 im West Germany an: Es handelt sich dabei um eine Re-Interpretation von Rainforest, dass der Cage-Pianist David Tudor in den 70er Jahren komponiert hatte. Jedenfalls kommen dabei unter anderem Körperschallwandler zum Einsatz, die auf resonante Objekte im Raum sowie die Architektur selber reagieren. Die Zuschauer beleben besagten Regenwald, indem sie zwischen Künstlern und Objekten umherlaufen. Hier macht Getümmel wenigstens Sinn!

18 Uhr | 02. Feburar 2011 | HAU2 & West Germany | Hallesches Ufer 3 & Skalitzer Straße 133 | Berlin Kreuzberg