Lesezeichen
 

Die tatsächliche Laufzeitverlängerung

Dass Ökostrom und Atomkraft sich nur schwer kombinieren lassen, ist ja mittlerweile bekannt. Auf der einen Seite die Schwergewichte der deutschen Kraftwerksszene – große, relativ inflexible Meiler. Auf der anderen Seite die Wind- und Solaranlagen: klein und flexibel.

Was aber passiert, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankommt als geplant? Und wenn die Bundesregierung zugleich die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke durchzieht? Das hat das Aachener Institut für Sustainable Solutions and Innovation (ISUSI) für den Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell einmal ausgerechnet.

Das Ergebnis: Entscheidend ist, auf welcher Basis die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung plant. Spricht sie eigentlich von Jahren oder Volllaststunden? Der Atomausstieg basiert ja auf Reststrommengen – umgerechnet auf Jahre mit Hilfe der Volllaststunden. Darunter verstehen Experten die Anzahl der Stunden im Jahr, die ein Kraftwerk voll ausgelastet laufen müsste, um eine bestimmte Jahresenergiemenge zu produzieren. Im Schnitt sind dies bei einem Atomkraftwerk etwa 8000 Volllaststunden im Jahr.

Das Konzept hat allerdings einen Haken. Es gibt, so sieht es das Erneuerbare-Energien-Gesetz vor, einen Vorrang für Ökostrom. Das heißt: Solarstrom oder Windstrom schlägt Atomstrom und darf zuerst ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Sprich: Eigentlich müsste man die Atomkraftwerke zurückfahren, weil die benötigte Strommenge ja von Solar- und Windräder produziert wird. In einem Hintergrundpapier zur Studie heißt es:

„Das Ergebnis ist, dass je länger die Laufzeiten verlängert werden, desto geringer wird die Zahl der jährlichen Nutzungsstunden.“

Und nun kommt der entscheidende Knackpunkt: Hält die Bundesregierung an ihrer Rechengrundlage Volllaststunden fest, würde das bedeuten, dass die Meiler länger am Netz bleiben, weil sie ja sozusagen Strommengen noch gut haben, die nicht sie, sondern die Ökostromanlagen produziert haben.

„Eine Angabe von 28 Jahren Laufzeitverlängerung auf Basis aktueller Jahresvolllaststunden (ca. 8000) dürfte in der Realität zur Folge haben, dass Atomkraftwerke bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts laufen, bevor ihre Reststrommengen abgetragen sind.“

Das heißt: Es gibt eigentlich zwei Laufzeitverlängerungen: eine auf dem Papier und eine tatsächliche. Das jüngste Atomkraftwerk, das eigentlich rund um 2022 vom Netz gehen müsste, würde bei einer Laufzeitverlängerung um zwölf Jahre de facto 15 Jahre am Netz bleiben – ginge der Ökostromboom weiter wie bisher. Und bei einer Laufzeitverlängerung um 28 Jahre sogar 46 Jahre. Das jüngste Atomkraftwerk ginge also etwa erst um das Jahr 2067 vom Netz.

Ob das ISUSI-Institut nun richtig gedacht und gerechnet hat, wird sich erst in einigen Wochen zeigen. Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird es wohl kaum Konkretes zum Energieszenario geben, das die Bundesregierung gerade errechnen lässt – und das genau solche Fragen zur Laufzeitverlängerung klären will.


 

Heut` ist „Earth Day“ – auf Radio1

Seit  40 Jahren findet nun schon am 22. April der „Earth Day“ statt, der Tag für Klima- und Umweltschutz, mit Konzerten, Demos und Prostesten weltweit. Und selbst der öffentliche Rundfunk ist diesmal dabei: Radio1, das Berliner „Radio für Erwachsene“ widmet heute sein gesamtes Programm dem Earth Day. Die Nachrichten drehen sich heute um kritischen Konsum, nachhaltiges Wachstum und all die anderen Themen, die sonst leider zu kurz kommen.Mit der ersten Radio-Demo für die besten Weltverbesserungsideen.

Rein hören lohnt sich- auch mal kurz auf der Arbeit. Live on Demand, der Radioday „Schöne Neue Welt“.

 

Flugverbot hilt Klima – ein bisschen zumindest

Eyjafjallajökull hat zwar keine direkten Folgen auf´s Klima, dafür  aber das – inzwischen aufgeweichte – Flugverbot. Bis Montag Abend seien dem Klima rund eine Millionen Tonnen CO2 erspart geblieben, weil die Flugzeuge in Europa größtenteils am Boden bleiben mussten. Das vermeldet die Environmental Transport Association auf ihrer Website. Auch das deutsche Webportal „Wir Klimaretter“ hat den Klimaschutzeffekt des Flugverbots am Wochenende überschlagen und kam zu ähnlichen Ergebnissen. Nur ein Vergleich: Eine Million Tonnen CO2 entspricht den Klimarettern zufolge etwa der Menge Klimagas, wie 500.000 Durchschnittsautos im Jahr ausstoßen.

 

Chinas erstes CO2-fressendes Auto

XY
Das Zukunftsauto "Ye Zi" aus China. Copyright: SAIC/www.autohome.com.cn

Huch, wie geht denn das? Auf dem Expo-Pavillion „Take a drive to 2030“ in Shanghai will China in diesem Jahr eine Konzeptstudie für das erste CO2-fressende Auto präsentieren. Das Portal Autohome China stellte vergangene Woche das „Yi Zi“ der Shangai Automotive Industry Corporation vor. Hier die Pressemitteilung des Unternehmens, das von einer „einmaligen Ko-Existenz von Mensch und Natur“ schwärmt.

„Yi Zi“, was übersetzt so viel wie „Blatt“ bedeutet, ist eine auf den ersten Blick skuril anmutende Kombination von Reifen aus Windrädern, Solarzellen auf dem Dach und einer intergrierten Mini-Brennstoffzelle, die Kohlendioxid einsammeln soll und – fast wie in einer Mini-Biogasanlage – Methan und Energie produziert. Ausführlich vorgestellt haben das Auto die Kollegen des US-Magazins Wired und des Portals Treehugger. Mag irre klingen und nach Zukunftsmusik – aber vielleicht sollte man im Jahr 2030 noch einmal mit den Machern sprechen.

 

Ernst U. von Weizsäcker fordert höhere Energiepreise

Eine sinnvolle Forderung ist mir heute morgen auf Spiegel Online untergekommen: Ernst Ulrich von Weizsäcker, Neffe des Ex-Bundespräsidenten (Glückwunsch!), ehemaliger SPD-Politiker und Umweltfachmann, fordert dort, die Preise für Energie, Wasser und andere Primärrohstoffe schrittweise anzuheben, damit sie die wahren Umweltkosten wiederspiegeln:

„Sinnvoll wäre es, die Preise für Energie, Wasser und Primärrohstoffe in kleinen, sehr langfristig vorhersehbaren Schritten anzuheben. Uns schwebt vor, dies einfach im Gleichschritt mit der gemessenen Erhöhung der Energie- und Ressourcenproduktivität zu tun. Die monatlichen Kosten für Energie, Wasser und andere Rohstoffe steigen dann durchschnittlich nicht, also gibt es weder soziale Nöte noch wirtschaftsschädigende Kapitalvernichtung.

Und doch würden sich Investoren, Ingenieure, Händler und Konsumenten alsbald von der Erwartung steigender Naturverbrauchspreise beeinflussen lassen und den Gang der Effizienzverbesserung beschleunigen. Das ist genau die Dynamik, die die Welt braucht.“

Das allein mag ja schon provokant genug sein. Aber von Weizsäcker setzt in einem kurzen Satz noch einen drauf:

„Irgendwo muss auch ein Sinn für Genügsamkeit einsetzen.“

Allesamt unpopuläre, aber wohl sinnvolle Forderungen, würde ich sagen. Was denken Sie?


 

Selbst McKinsey hält radikale CO2-Minderung bis 2050 für möglich

Nur flott: Die Unternehmensberatung McKinsey, die immer wieder mit spannenden Energiestudien für Aufmerksamkeit sorgt, hat heute in Brüssel die Roadmap 2050 vorgestellt. Sie wurde von der European Climate Foundation in Auftrag gegeben und zusammen mit Energieversorgern wie Vattenfall, RWE und E.On und NGOs wie Germanwatch erstellt. McKinsey geht in seiner Studie davon aus, dass Europa bis 2050 eine Reduzierung seiner Co2-Emissionen um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 erreichen kann – und das alles mit bereits etablierten Technologien (also keine Osmosekraftwerke oder anderer Schnickschnack), sondern mit Energiesparen, Kohlendioxidabscheidung (CCS), dem Ausbau der erneuerbaren Energien – und einem gewissen Anteil von Atomstrom. Allerdings müsste das Energiesystem dafür fundamental geändert werden – und die Zeit wird knapp: Gerade mal fünf Jahre hätten wir noch, um mit der Transformation zu beginnen.

 

Weltbank-Kredit für Kohlekraftwerk in Südafrika sorgt für Zoff

Der britische Guardian hat am Wochenende eine spannende Frage aufgeworfen: Wie weit darf eigentlich Öko-Imperialismus gehen? Öko-Imperialismus – nie gehört? Darunter versteht Autor Andrew Chambers die Haltung von (westlichen) Umweltschützern, Entwicklungsländern eine klimafreundliche Wirtschaftspolitik vorzuschreiben – und so deren Wachstum zu behindern. Auch wenn er ein bisserl lang ist, die Lektüre lohnt.

Warum poppt das Thema auf? Anlass ist der umstrittene, 3.75 Millionen Dollar schwere Kredit der Weltbank für den Bau eines Kohlekraftwerks in Südafrika. Das Land leidet seit Jahren an einem Stromengpass, was dazu führt, dass viele Unternehmen nicht in Südafrika investieren wollen. Das Problem soll der neue Kohlemeiler mit einer Kapazität von 4800 Megawatt lindern. Schon jetzt gibt es Proteste von Umweltschützern, die gegen den Meiler und den Weltbank-Kredit klagen – und daran genau stört sich Chambers. Schließlich ginge Armutsbekämpfung vor. Der Westen könne ärmeren Ländern keine Vorschriften zum Klimaschutz machen, wenn sie selbst ihre CO2-Emissionen kaum reduzierten. Provokanter Stoff, was meinen Sie?

Interessanterweise sprachen sich laut New York Times übrigens Groß-Britannien, die USA und Niederlande gegen die Kreditvergabe aus – schließlich müsse die Weltbank bei ihren Krediten auch die Umwelt-und Klimafolgen beachten.

 

Das Öko-Schwein „Enviropig“ darf gezüchtet werden

Glaubt man dem Umweltnachrichten-Portal „Planet Green“, dann hat Kanada vor kurzem die Zucht der ersten „Enviropigs“ erlaubt: Das sind gentechnisch veränderte Schweine, deren tägliche Hinterlassenschaften 65 Prozent weniger Phosphor enthalten sollen. Phosphor erleichtert in Gewässern das Algenwachstum und lässt Seen so „umkippen“.

Öko-Schweine, verrückt, oder? Das erinnert mich an die Diskussion um „Geo-Engineering“, wenn mit teilweise abstrusen Mitteln versucht wird, den Klimawandel aufzuhalten. Zum Glück sind die Schweine noch nicht zum Verzehr freigegeben…

Auf „Planet 100“ gibt´s ein kurzes Video, here we go (in Englisch):

Für noch mehr Hintergrund empfehle ich den National Geographic.

 

Urban Farming auf New Yorker Schrottplätzen

… haben Sie´s schon mitbekommen? Im Wirtschaftsressort von ZEIT ONLINE läuft zurzeit die sehr lesenswerte Serie „Stimmen aus Amerika“, kurze Porträts und Interview mit Quer-und Vordenkern aus den USA. Toll, was Gwen Schantz aus Brooklyn auf die Beine stellt: Sie funktioniert Firmendächer und Schrottplätze einfach in Gärten um, „Urban Farming“ heißt das auf neu-deutsch. Und ehemalige Schiffscontainer verwandeln sich so in wuchernde Gemüsebeete.  Zu bewundern auch in ihrem Blog Green Guilt (unbedingt die Seite bis nach unten scrollen – und man sieht, wie dieser triste Hinterhof sich in eine grüne Hölle verwandelt).

 

Starbucks-Aktionäre stimmen gegen Recyclingpläne

Wieder wat gelernt: Wussten Sie, dass Starbucks auch „SBUX“ abgekürzt wird – unter Umweltschützern und an der Börse? Das erfuhr ich gerade bei einer kleinen Recherche über die Recyclingpläne der US-Kaffeekette Starbucks. Da tut sich nämlich was – oder leider eher nicht so viel.

Auf der jünsten Starbucks-Aktionärsversammlung stimmte laut Seattle Times (der Heimatzeitung von Starbucks) die Mehrheit gegen ambitioniertere Recyclingpläne des Massen-Kaffee-Konzerns. Es geht nicht nur um die Millionen von Pappbecher, die täglich Starbucks-Kunden weltweit kaufen und die gerade einmal einen Recyclingmaterial-Anteil von zehn Prozent haben (der allerdings auf 100 Prozent steigen soll). Vor allem für die restlichen Produkte, angefangen von Getränkeflaschen bis zu Dosen und Wasserflaschen, gibt es bislang keine Recyclingziele, kritisiert die Aktionärsorganisation „As you sow.“. Schade, dabei hätte es Starbucks gut gestanden, sich des  Themas anzunehmen. Schließlich will sich das Kaffeehaus der Globalisierung doch als „responsible company“ profilieren.