Lesezeichen
 

Kandeh Yumkella, ein grandioser Energie-Botschafter

Kandeh Yumkella wirbt für die Vereinten Nationen für saubere Energien. Foto: Reuters

Kandeh Yumkella wird Chef der neuen UN-Initiative gegen Energiearmut (Energy for all) – und ist dafür genau die richtige Wahl. Wäre UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auch nur ansatzweise so überzeugend wie Yumkella, dann wären die Zweifel an der Weltorganisation bestimmt kleiner.

Aktuell ist Yumkella noch Chef der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (Unido) und Chef von UN Energie. Letzteres ist ein Netzwerk, das sich bemüht, die energierelevanten Beiträge des unüberschaubaren Kosmos der Vereinten Nationen zu erfassen und zu sammeln.

Zukünftig soll Yumkella für erneuerbare Energien werben. Die neue UN-Initiative Sustainable Energy for all ist der erste globale Masterplan, der nicht nur Entwicklungsländer zu etwas verpflichtet, sondern auch Industriestaaten zu Veränderungen antreiben will. Bis 2030 sollen die aktuell 1,3 Milliarden Menschen, die keinen Strom haben und die 2,7 Milliarden Menschen, die mit Brennholz, Viehdung oder Holzkohle heizen, mit nachhaltiger Energie versorgt werden.

Gleichzeitig sollen aber auch die entwickelten Länder, die sich der Initiative angeschlossen haben, einschließlich der Europäischen Union, etwas tun. Sie sollen ihre Energieeffizienz jedes Jahr um 2,5 Prozent verbessern. Deutschland schafft knapp ein Prozent im Jahr – und liegt damit trotzdem noch im oberen Mittelfeld. Zudem soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Versorgung der reichen Länder bis 2030 bei 30 Prozent liegen. Zumindest da wird Deutschland wohl weit voraus sein.

Kandeh Yumkella ist genau der richtige Moderator für die ambitionierten Pläne. Er ist in Sierra Leone geboren, einem westafrikanischen Kleinstaat, der nach einem der verheerendsten Bürgerkriege des Kontinents noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Dabei ist Sierra Leone reich an Ressourcen. Neben den berühmt gewordenen „Blut-Diamanten“, die dank des Registrierungsverfahrens mit dem Namen Kimberly-Prozess inzwischen legal gehandelt werden, verfügt das Land über Kupfer und neuerdings Erdöl vor der Küste. Nur Energie gibt es in Sierra Leone, wie in den meisten afrikanischen Ländern, immer zu wenig.

Wenn Yumkella über seine neueste Aufgabe spricht, gerät er sofort ins Erzählen. Er hat das Elend selbst erlebt. Er spricht von „Krankenhäusern, in denen es kein Licht gibt, wenn nachts einem Kind auf die Welt geholfen werden soll“. Oder von dem drei Kilometer langen Weg, den er gehen musste, um sich zu waschen. Die Hausaufgaben, die er nicht machen konnte, weil es kein Licht gab und Kerzen zu teuer waren.

Vor allem aber spricht er über die rund zwei Millionen Menschen, die wegen der verpesteten Innenluft in den Hütten jährlich sterben, weil mit Feuerholz oder Holzkohle gekocht werden muss – in einer Hütte ohne Kamin. Sie sind Yumkellas Motivation, an der Energiearmut etwas zu verändern. „Das ist schlimmer als Malaria“, sagt er.

Die Chancen, dass Yumkella Erfolg hat, stehen gar nicht schlecht. Und das, obwohl nach alter UN-Unsitte nun schon wieder eine neue Organisation aus dem Boden gestampft werden soll, die vor allem die unzähligen bereits existierenden UN-Organisationen koordinieren soll.

Aber seit September 2011 haben unzählige Staaten beträchtliche Finanzmittel für die Initiative zugesagt. Alleine die EU hat versprochen, 500 Millionen Menschen mit nachhaltiger Energie zu versorgen. Daran ist vor allem Kandeh Yumkella mit seinen mitreißenden Vorträgen schuld.

Zudem bietet der UN-Plan einen Rahmen für unzählige kleinere Initiativen, die längst arbeiten. Die Stiftung des früheren amerikanischen Präsidenten Bill Clinton beispielsweise fördert den Kauf von effizienten Kochherden oder solchen, die mit Biogas betrieben werden können.

Zudem gibt es inzwischen mehrere ähnliche Projekte in ganz Afrika, die auf diese Weise Kohlendioxid-Emissionen einsparen, und die Zertifikate an Unternehmen in Europa verkaufen, die über den Emissionshandel zu einer Verminderung ihrer CO2-Emissionen verpflichtet sind. Der sogenannte Clean-Development Mechanism (CDM) hat etwa ein halbes Dutzend vergleichbarer Projekte zertifiziert.

Eines davon ist im Norden Nigerias. Dort bietet übrigens ein ehemaliger Redakteur des Deutschlandfunks, Yahaya Ahmed, mit seiner Initiative Dare Familien energieeffiziente Kochherde an, die nur noch 20 Prozent des zuvor benötigten Feuerholzes verbrauchen.

 

Für die Mafia ist der Regenwald ein Milliardengeschäft

Green carbon nennen Klimaschützer Regenwälder und Waldgebiete. Schließlich sind sie die Lunge der Welt, sie speichern das Klimagas Kohlendioxid. Nebenbei verhindern sie auch noch Erosion und bewahren die Artenvielfalt. Multitalent Wald, möchte man sagen.

© UNEP
© UNEP

Für die organisierte Kriminalität sind Regenwälder dagegen vor allem eine Geldgrube. Wie der neue Report der Vereinten Nationen, Green Carbon – Black Trade, jetzt zeigt, scheffelt die internationale Holzmafia jedes Jahr zwischen geschätzten 30 bis 100 Milliarden US-Dollar mit illegal geschlagenem Holz. In den wichtigsten Urwäldern im Amazonas, in Zentralafrika und Südostasien macht der illegale Holzeinschlag inzwischen bis zu 90 Prozent aus.

Der Report nennt einige besonders drastische Fälle:

– In Brasilien verschafften sich 2008 Hacker Zugang zu Einschlag- und Transportgenehmigungen und konnten so 1,7 Millionen Kubikmeter Wald einschlagen. Ein ganzes Netzwerk war involviert. 107 Unternehmen wurden danach verklagt, sie mussten Strafen in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar zahlen.

– In der Demokratischen Republik Kongo starben allein in den vergangenen zehn Jahren 200 Ranger des Virunga National Parks, der ja vor allem für seine Gorillas bekannt ist. Sie hatten versucht, den Park gegen die Holzkohle-Mafia zu verteidigen, die jährlich rund 28 Millionen US-Dollar einnimmt.

Die Holzmafia geht bei Weitem nicht mehr zimperlich vor. Schmiergelder, würde ich sagen, fallen da noch unter die harmlosen Methoden. Dazu kommen gefälschte Papiere für den Holzeinschlag oder einfach gar keine Papiere. Selbst staatliche Datenbanken werden inzwischen gehackt und manipuliert. Illegal geschlagenes Holz wird legalen Lieferungen untergejubelt und so „sauber gewaschen“.

Das ganze nimmt fast schon Dimensionen an wie im Drogen- und Diamanthandel. Auch die Holzmafia wechselt inzwischen ihre Firmensitze zwischen den Staaten und erschwert die Strafverfolgung. Mehr als 30 verschiedene Methoden der Holzmafia kann das Unep, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, inzwischen auflisten.

Wie sollen Behörden gegen einen solchen Gegner vorgehen? Inzwischen arbeiten Unep und Interpol eng zusammen, es gibt einen Aktionsplan der EU gegen den Import von illegal geschlagenem Holz (leider nur auf freiwilliger Grundlage). Im Juni gründete Interpol sogar eine eigene Task Force für die Holzmafia, um die polizeilichen Maßnahmen weltweit besser zu koordinieren. Unep schreibt zu Recht:

The three most important law enforcement efforts would be to:

1. Reduce profits in illegal logging
2. Increase the probability of apprehending and convicting criminals at all levels involved including international networks
3. Reduce the attractiveness of investing in any part of production
involving high proportions of wood with illegal origin.

Die Lage ist einfach. Solange sich mit Holz Geld verdienen lässt, wird es eine Holzmafia geben. Es sei denn, die staatlichen Strukturen in den Staaten sind so robust und effizient, dass sie illegalen Einschlag verhindern können.

Der norwegische Weg scheint indes wenig erfolgreich zu sein. Vor ein paar Jahren hatte das Land dem kleinen südamerikanischen Staat Guyana 250 Millionen US-Dollar zugesagt. Im Gegenzug sollte Guyana die Abholzung seiner Regenwälder verhindern. Mit offenbar mäßigem Erfolg, das Projekt stockt seit Jahren, wie der Ecologist schreibt.

 

Europa im Plastikwahn

Janez Potočnik ist der EU-Umweltkommissar  – und nein, Ihnen muss dieser Name nicht unbedingt etwas sagen. Die Themen des Herrn Potočnik konkurrieren schließlich mit der Euro-Krise und ziehen da leider in der Regel den Kürzeren.

Plastikmüll auf einem Recyclinghof in Berlin, © Johannes Eisele/AFP/Getty Images
Plastikmüll auf einem Recyclinghof in Berlin, © Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Dabei sagt der Herr kluge Sachen, so kürzlich auf einem der Branchentreffs der Kunststoffhersteller. PolyTalk hieß die Veranstaltung (mit dem bemerkenswerten Untertitel „Plastics – an intriguing love story“ – „Kunststoffe – eine fesselnde Liebesgeschichte“).

Auf dem Treffen hielt Potočnik eine Rede unter dem Titel „Hat die Kunststoffindustrie in Europa eine Zukunft„. Keine Sorge, ich werde sie jetzt hier nicht komplett nacherzählen, will aber einige interessante Punkte und Zahlen erwähnen:

Die Plastikindustrie hat demnach ein gigantisches Wachstum hingelegt: 1950 wurden weltweit 1,5 Millionen Tonnen Plastik jährlich hergestellt. 2008 waren 254 Millionen Tonnen im Jahr. Allein in Europa wächst die Branche jährlich um fünf Prozent.

Doch Produktion ist natürlich nur eine Seite der Geschichte. Wo bleibt bloß das ganze Zeug, das ja hauptsächlich auf Rohölbasis hergestellt wird? Ein Großteil landet, ganz am Ende, in den Ozeanen, Tiere verenden an ihm (das zeigt eindrücklich der Film Plastic Planet).

In Europa landet die Hälfte der Kunststoffe noch immer auf Mülldeponien, sagt Potočnik. Für ihn ist das eine enorme Verschwendung von wertvollen Ressourcen:

„Das wäre so, als ob wir jedes Jahr zwölf Millionen Tonnen Rohöl auf Mülldeponien kippen.“

Die anderen 50 Prozent landen zumindest in Müllöfen (wo, wenn es gut geht, die Abwärme genutzt wird). Nur ein kleiner Teil wird bislang recycelt. Im Schnitt sind das in Europa gerade einmal 24 Prozent, „viel zu wenig“, wie Potočnik sagt. Selbst wenn einige Staaten mehr recyceln möchten: Ihnen fehlt es offenbar teilweise an Rohmaterial, weil es günstiger ist, den Plastikmüll in Müllverbrennungsanlagen zu entsorgen.

„Eine Vorherrschaft der Müllverbrennung im Vergleich zum Recycling können wir mittelfristig nicht akzeptieren“, sagt der EU-Kommissar.

Dafür biete die Recyclingbranche auch einfach zu viele Arbeitsplätze. Würde man es schaffen, bis 2020 die durchschnittlichen Recyclingraten von den aktuellen 24 Prozent auf 70 Prozent zu steigern, könnte das 160.000 zusätzliche Jobs in der EU schaffen.

Tja, und wo will er nun hin, der gute Mann? Potočnik betont zwar, dass er denke, die Kunststoffindustrie habe eine Zukunft in Europa (das wird Unternehmen wie Bayer und BASF sicher ein wenig beruhigt haben).

Aber für die Branche findet er  klare Worte:

„Wir sollten nicht nur jeden Kunststoffmüll recyceln“, sagt er, „sondern wir sollten auch eine exzessive Produktion für Anwendungen vermeiden, die ganz offensichtlich nicht nützlich sind.“

Niemand dürfe sich dabei aus seiner Produktverantwortung stehlen. Und er meint es ernst. Für die kommenden Wochen hat er die Veröffentlichung eines green papers zum Thema Plastikmüll angekündigt, um das Thema öffentlich zu diskutieren. Nicht selten enden solche vagen Thesenpapiere ja am Ende in einer Gesetzesinitiative. Seit Monaten schon gibt es ja bereits Überlegungen in der EU, Plastiktüten zu verbieten. Mal schauen, was daraus wird.

 

China wagt ein bisschen Emissionshandel

Seit Jahren führt China die Rangliste der weltweit größten Kohlendioxid-Emittenten an. Gleichzeitig will das Land den Ausstoß reduzieren: Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 40 bis 45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 sinken. Der 12. Fünfjahresplan, den der Volkskongress im vergangenen Jahr verabschiedet hat, sieht die Einführung eines Emissionshandels vor. Die Idee dahinter ist simpel: Wer CO2 emittiert, muss dafür ein Verschmutzungsrecht vorweisen. Hat er keines, muss er eines kaufen. Hat er zu viele, kann er sie verkaufen. So entsteht ein Markt für Kohlendioxid, der sich regulieren lässt.

Vorort von Peking (Archiv) © Frederic J. Brown/AFP/Getty Images
Vorort von Peking (Archiv) © Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Bleibt die Frage: Wie organisiert China das bloß? So langsam wird das konkreter. Inzwischen ist klar, dass China ein CO2-Handelssystem in sieben Piloregionen testen will. Dazu gehören Shanghai, Peking, Tianjin, Shenzhen, Chongqing, Guangdong und Hubei.

Mitte August startete etwa das Projekt in Shanghai. Wie das Portal China Law and Practice berichtet, sollen hier in einem ersten Schritt die Emissionen von rund 200 Firmen aus 16 verschiedenen Industrien erfasst werden. Unter anderem wird sich Baosteel, einer der weltweit größten Stahlkonzerne und damit ein großer Stromverbraucher  (und zwangläufig auch CO2-Emittent) künftig einem solchen Schema unterwerfen müssen und mit Co2-Zertifikaten handeln. Wie schon in Europa werden die Behörden die erste Runde von Verschmutzungsrechten kostenlos verteilen.

In China einen Emissionshandel aufzubauen, ist natürlich extrem kompliziert. Allein das Datensammeln wird zur Herausforderung: Welche Industrieanlage emittiert eigentlich genau wie viel CO2? Außerdem sind die Energiemärkte alles andere als liberalisiert. Das geht schwer mit dem Preissignal-Ansatz eines Emissionshandels zusammen.

Die Bepreisung von Kohlendioxidemissionen verteuert die Produktion einer Kilowattstunde in einem Kohlekraftwerk. In Europa würde ein Stromversorger diese Kosten einfach auf den Endkundenpreis umlegen.

Das ist aber in China mit seinen regulierten Großhandelsmärkten und subventionierten Strompreisen kaum möglich. Laut der chinesischen Presseagentur Xhinhua kostete im Sommer in Peking eine Kilowattstunde Strom 0,48 Yuan. Das macht umgerechnet gerade einmal fünf Cent. Daran wird die Politik wohl kaum etwas ändern wollen.

„Das System in China wird erst einmal wenig ehrgeizig sein“, sagt Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts, der zurzeit chinesische Firmen bei der Einführung des Systems berät. Matthes hält das allerdings für nicht überraschend: Es ginge schließlich darum, die Unternehmen erst einmal überhaupt von dem System zu überzeugen – und nicht mit zu strengen Anforderungen zu erschrecken und gar für Komplettwiderstand zu sorgen. Das sei ähnlich bei der Einführung des europäischen Emissionshandelssystems gewesen.

Das ist natürlich Realpolitik pur. Aber wahrscheinlich der Erfolg versprechendere Weg.

 

Klimafreundliches Fliegen: eine Frage der Beinfreiheit

Airline Ranking Mittelstrecke ©: Atmosfair
Airline Ranking Mittelstrecke ©: Atmosfair

Zu Beginn ein Geständnis: Ja, ich werde in den kommenden Wochen eine Flugreise unternehmen. Es wird ein Mittelstreckenflug sein. Und: Meine Airline Air Berlin hat es noch nicht mal auf einen der ersten Plätze im gerade veröffentlichten Klimaschutzindex von Atmosfair geschafft. Oh je.

Zum zweiten Mal hat Atmosfair den so genannten Airline-Index veröffentlicht. Er soll eine Art Pendant sein zu den CO2-Angaben und Verbrauchswerten der Autohersteller. Der Index benotet 150 Fluggesellschaften weltweit nach ihrer Klimafreundlichkeit. Welche Linie fliegt besonders effizient und schont so das Klima? In die Bewertung gehen Faktoren wie Bestuhlung (je mehr Leute in den Flieger passen, desto besser – ade Beinfreiheit), Flugzeugtyp (jünger ist effizienter) und Auslastung (je mehr Leute tatsächlich Platz nehmen, desto besser).

Platz 1 des Rankings führt ein Nobody an: Monarch Airlines aus Großbritannien. Die Gesellschaft hat eine besonders junge Flotte, das spart Sprit. Und sie „bestuhlt die Flugzeuge im Vergleich zum Wettbewerb maximal“. Das heißt: Viel Platz gibt es nicht in den Flugzeugen wohl nicht, aber je mehr Leute die Flugzeuge transportieren können und je höher sie ausgelastet sind, desto besser für´s Klima. Und das schafft offenbar Monarch Airlines.

Deutsche Airlines landen dagegen eher im Mittelfeld. TUIfly wird ebenfalls wegen hoher Auslastung lobend erwähnt und schafft es auf Platz 4 im Gesamtranking. Zu Air Berlin, oh oh: nur eine Durchschnittsnote, die Auslastung ist zu schlecht.

Und bei Lufthansa sieht es ganz schlecht aus: unterdurchschnittliche Auslastung auf der Kurzstrecke, ineffiziente Flugzeugmodelle. Das Unternehmen schafft es nur auf Platz 54 (immerhin eine kleine Verbesserung zum Vorjahr). Zwar würden die Langstreckenflüge gut ausgelastet, aber die Flieger seien alt und die Bestuhlung unterdurchschnittlich (will sagen: etwas weniger Beinfreiheit wäre für´s Klima nicht schlecht). Schlecht sieht es bei den Kurzstreckenflügen der Lufthansa aus, sie seien unterdurchschnittlich ausgelastet. Viele Strecken würden nur aus Prestigegründen bedient, obwohl sie sich für das Unternehmen eigentlich nicht rentieren würden. Bei der Streckenplanung gebe es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten.

Atmosfair betont: Fliegen bleibt ein Klimakiller. Auch wenn man eine effiziente Airline fliegt: Jede Flugreise, die nicht angetreten wird, schon das Klima. Und Direktverbindungen sind immer besser als Flüge, auf denen man umsteigt. Je kürzer die Flugstrecke, desto höher die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer. Schließlich muss jedes Flugzeug starten und die Mindestflughöhe erst einmal erreichen, egal, wie weit es dann fliegt. Deswegen sind längere Flugreisen immer noch klimafreundlicher als Kurzstrecken.

In die höchste Effizienzklasse A hat es übrigens bislang keine Airline geschafft.

 

Indien macht´s vor: So gelingt besserer Waldschutz

Was haben Fische und Bäume gemeinsam? Mhh, auf den ersten Blick erst einmal wenig, oder? Wenn man sich aber mit Jean-Marie Baland, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der belgischen Universität Namur, unterhält, wird vieles klarer. Wirtschaftswissenschaftler vergleichen Fischbestände und Wälder gern miteinander, weil es sich bei beiden um erneuerbare Ressourcen handelt. Und weil beide gern geplündert werden, wenn man freien Zugang gewährt. Die Folgen sind Überfischung und Raubbau.

Auf einer Fachkonferenz der Universität Kiel, die sich eigentlich mit nachhaltiger Fischerei beschäftigte, hat Baland jetzt eine interessante Studie zum Thema Natur- und Klimaschutz und Waldmanagement vorgestellt. Mehrere Jahre lang hat er kleine Dörfer mitten im Himalaya in Indien und Nepal untersucht, eine Langzeitstudie angefertigt. In beiden Ländern ist Raubbau in den sensiblen Wäldern des Himalayas ein großes Problem. Hier geht es nicht um riesige Planierraupen, die Wälder plattmachen. Sondern um den alltäglichen Brennholzbedarf der lokalen Bevölkerung.

Copyright: Jean-Marie Baland
Copyright: Jean-Marie Baland

Das Holzsammeln hat über die vergangenen Jahre dazu geführt, dass die Bäume in den untersuchten Regionen inzwischen aussehen wie gerupfte Hühnerbeine: In den unteren Bereichen sind sämtliche Äste abgeschlagen, nur oben kann sich noch ein einsames Laubbüschel halten. Das hat Folgen für Natur und Klima: Geschwächte Bäume können schlechter Erde halten, Erosion droht, Erdrutsche und Lawinen.

Immer wieder hat Baland in der Region die Anwohner befragt und die Qualität der umliegenden Wälder untersucht. Wie oft gehen sie Holzholen, wie entwickeln sich Baumkronen? Spannend ist: Die reine Anzahl der Bäume ist insgesamt  gar nicht so schlecht. Aber sie sind in einem verheerenden Zustand, wachsen verkrüppelt, sind schlecht verwurzelt: short run overexploitation nennt Baland das. Die Menschen brauchen das Feuerholz fürs Kochen und Heizen, immer tiefer dringen sie in die Wälder ein und schlagen Äste ab. Immer länger sind sie unterwegs. Für ein Bündel Holz waren es vor 25 Jahren noch etwas mehr als zwei Stunden, jetzt sind es schon knapp vier Stunden.

Was also tun? Glaubt man dem Belgier, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann entweder den Bedarf verändern. Wenn die Menschen dort mit Gas kochen und heizen würden, könnte das bis zu ein Fünftel der benötigten Holzmenge ersetzen, hat Baland errechnet.

Oder: Man führt lokale Besitzrechte ein (auch ein beliebtes Instrument in der Fischerei). In Indien hat man das schon vor Jahrzehnten mit den sogenannten Van Panchayats gemacht. Das ist eine Art lokale Selbstverwaltung, die ihre Ursprünge noch in den Zeiten der britischen Kolonialisierung hat.

In dem indischen Bundesstaat Uttarankhand hatten 45 von 83 untersuchten Dörfern ein lokales Forstgremium. Es ist eine freiwillige Institution der Menschen vor Ort. Wer mitmacht, bekommt das exklusive Recht, in dem Wald Holz für den Eigenbedarf zu sammeln. Und der Besitz scheint sich positiv auszuwirken: Insgesamt ist der Zustand der Wälder in den Van Panchayats viel besser als in den staatlichen Forsten. Diese werden zwar auch gemanaged, aber zu viel höheren Kosten: eine teure, zentrale Verwaltung muss ja unterhalten werden.

Baland betont, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen dem Zustand der Wälder und dem Einkommen der Bevölkerung:

„Pressure on the resource will increase due to increases in income and in the number of households in the villages.“

Wer reicher wird, der upgraded eben auch seine Lebensgewohnheiten. Statt einer warmen Mahlzeit gibt es dann zwei, mehr Feuerholz ist nötig. Die Herausforderung ist, dieses Wachstum auch lokal möglichst umwelt- und ressourcenschonend hinzubekommen. Wie das möglich ist, zeigen die Erfahrungen mit den Van Panchayats in Indien.

 

 

Altmaier und die wunderbare „Privilegierungsmasse“

Altmaier-Bashing seitens der Umweltverbände ist ja gerade in. Die Grünen glauben, dass  sich der Bundesumweltminister über den Ausbau der Erneuerbaren grämen würde. Die Windmüller haben Angst, dass er den Ausbau der Windkraft an Land blockieren will.

Hier einmal eine Nachricht, die vielleicht die Truppe beruhigen mag. Auf einer Erneuerbaren-Energien-Tagung hat Peter Altmaier gerade betont, dass es mit ihm keine weiteren Ausnahmen für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage geben werde.

„Für weitere Reduzierungen sehe ich keinen Bewegungsspielraum. Wenn, dann muss man das aus der bisherigen Privilegierungsmasse finanzieren.“

Einmal davon abgesehen, dass „Privilegierungsmasse“ ein ganz wunderbares, mir vorher unbekanntes Wort war: Übersetzt bedeutet das: Wenn irgendjemand eine Ausnahme von der EEG-Umlage haben möchte, dann muss jemand anders eine bitteschön aufgeben.

Altmaier berührt damit natürlich ein aktuelles Thema. Stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, können sich von der EEG-Umlage befreien lassen. Das Bundesumweltministerium schätzt, dass allein in diesem Jahr rund 730 Unternehmen so mehr als 2,5 Milliarden Euro einsparen werden.

Seit Kurzem klagen auch mittelständische Textilunternehmen gegen die EEG-Umlage, weil sie sich im Vergleich zur stromintensiven Industrie benachteiligt fühlen, da sie nicht in Genuss der Ausnahme kommen.

Natürlich geht es am Ende darum, wer eigentlich die Kosten der Energiewende finanziert. Zur Veranschaulichung will ich den Lesern nicht einen „echten Altmaier“ aus meinem Notizblock vorenthalten:

Skizze von Bundesumweltminister Peter Altmaier, Copyright: M.Uken
Skizze von Bundesumweltminister Peter Altmaier, Copyright: M.Uken

Auf der x-Achse sieht man einen Zeitstrahl. Auf der y-Achse hat der Umweltminister leider vergessen, „Kosten“ dranzuschreiben. Die Erklärung geht so: Ursprünglich verteilten sich die Kosten der Energiewende relativ gleichmäßig auf den Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2050 (untere Kurve).

Jetzt aber, durch den rasanten Ökostromausbau, fallen die Kosten viel früher an (siehe obere Kurve): Die Ausgaben für die Ökostromvergütung steigen früher als gedacht an, dazu kommen auch noch die Kosten für den Netzausbau. Der große Finanzierungsbedarf wird also auf einen kürzeren Zeitraum verteilt als ursprünglich bedacht, er wird gestaucht.

Diese Stauchung hat natürlich vielfältige Folgen. Das beginnt bei Tennet, denen jetzt das Eigenkapital für den Netzausbau Offshore fehlt und endet bei Sozialtarifen, die mancher fordert, weil einkommensschwache Haushalte unter den schnell steigenden Strompreisen leiden.

Altmaier will deswegen einen „gesellschaftlichen und nationalen Konsens“ über die Energiewende. Das mag erstmal nach Blabla klingen, aber er hat Recht: Ohne das „Go“ der Bevölkerung und der Bundesländer, die Kosten gemeinsam zu stemmen, wird die Energiewende kaum gelingen.

 

Studie: Ärmere Menschen glauben eher an „Grüne Geschäfte“

Das Geschäft von Edelman dreht sich eigentlich um Werbespots, Firmenauftritte und schicke Hochglanzfotos. Seit fünf Jahren gibt die amerikanische Kommunikationsagentur aber auch den Good Purpose-Report heraus, der analysiert, welche Rolle das soziale Engagement von Firmen für Kunden spielt.

Interessant ist das Ergebnis in diesem Jahr: Für Menschen in wirtschaftlich schnell wachsenden Staaten wie China, Indien und Brasilien spielt das soziale und ökologische Firmenengagement eine weitaus größere Rolle bei Kaufentscheidungen als für Amerikaner oder Europäer, also Menschen aus Industrienationen. Während nur etwa ein Drittel der Befragten aus den Industrienationen auf solche Themen achten, sind es in den Schwellenländern mehr als doppelt so viele. Dort engagieren sich die Menschen laut Studie auch stärker in lokalen Vereinen und spenden mehr Geld.

Global Deck: 2012 Edelman goodpurpose Study

View more presentations from Edelman Insights

Warum ist das so? Das US-Magazin Good befragte die Studiemacher. Die fünf Hypothesen sind wirklich interessant. Unter anderem hänge demnach die Wertschätzung grüner Themen  auch mit der demografischen Zusammensetzung einer Gesellschaft zusammen. Ältere Menschen würden Investitionen in Bildung, Umweltschutz und andere Güter, die sich vielleicht erst langfristig rechnen, weniger wertschätzen (gewagte These, würde ich mal sagen, oder?).

Zudem mache der wirtschaftliche Abschwung in den Industrienationen die Menschen egoistischer, so die Studienmacherin Carol Cone, die Good zitiert:

„The two numbers that were down were volunteering and donating, and we absolutely correlate them to the recession,“ Cone says. “People are still concerned, rightly so, about either getting a job or staying in a job, they just have less time and they have less money to give.” While the United States remains one of the wealthiest economies in the world, compared to pre-recession life or the current growth rates in the emerging market economies, some American consumers feel like their opportunities are diminishing more than they are expanding.

Ganz interessant ist übrigens auch der Blick nach Deutschland, den ein extra Artikel behandelt. Danach engagieren sich immer mehr Deutsche in ihrer Freizeit für einen guten Zweck. Und sie erwarten das auch von Unternehmen. „Besserer Geschmack“ auf der Zahnpastatube reicht inzwischen nicht mehr aus als Werbung. Die Kunden würden immer stärker nachfragen, welchen sinnvollen Beitrag Unternehmen zur Gesellschaft leisten:

„When it comes to consumer expectations towards business, nearly nine out of ten Germans demand that corporations place at least equal weight on society´s interests as on business’ interests. But in contrast to that, only 15% of Germans believe that businesses are performing well in addressing societal issues. There is definitely a huge gap to close between consumer demands and companies` perceived performance.  Clearly, it is no longer sufficient for brands to just “wash well” or “taste better,” but brands today are facing the question: “What is my contribution to society?”“

 

 

McKinseys umstrittene Studie zur Energiewende

Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Heute Vormittag hat McKinsey eine Studie zur Energiewende präsentiert. Darin kommt die Düsseldorfer Unternehmensberatung zu dem Schluss, dass die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele nicht erreichen wird und die erneuerbaren Energien den Strompreis in die Höhe schießen lassen könnten. Kostenexplosion beim Ökostrom schrieb gleich Spiegel online.

Konkret in Zahlen heißt das bei McKinsey: Statt wie geplant die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, würde Deutschland nur 31 Prozent erreichen. Ziel verfehlt. Und die EEG-Umlage auf den Strompreis, mit der sich jeder Stromkunde am Ausbau der erneuerbaren Energien beteiligt, sowie die Netzentgelte würden im Jahr 2020 bei 21,5 Milliarden Euro liegen – ein Plus von 60 Prozent im Vergleich zu 2011.

Nun sind Studien, Prognosen und Szenarien immer so eine Sache. Und der Veröffentlichungszeitpunkt noch viel mehr. Zurzeit diskutiert ja die EU über ein bisschen mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz: Statt 20 Prozent will die EU-Kommission 25, wenn nicht sogar 30 Prozent CO2-Einsparungen bis 2020. Doch natürlich ziehen da nicht alle Mitgliedsstaaten mit, vor allem Polen hat sein Veto eingelegt. Solchen Staaten und den Branchen, die durch strengere CO2-Ziele betroffen wären (also die energieintensiven Branchen wie Stahl und Zement), liefert eine solche Studie natürlich wunderbar Munition.

Aber nun einmal kurz in die Details der Studie.

McKinsey kommt zu dem Schluss, dass gerade einmal 31 Prozent CO2-Reduzierung bis 2020 möglich seien. Hier einmal eine andere Zahl. Das Öko-Institut hat gerade zusammen mit dem DIW und dem Chefaufseher der Energiewende, Hans-Joachim Ziesing, für die Bundesregierung sehr detailliert berechnet (und leider noch nicht veröffentlicht), dass Deutschland auch auf 34 Prozent kommen könnte. Stoppt die Politik erfolgreich den Preisverfall im EU-Emissionshandel und ist man ehrgeiziger beim Energiesparen und im Verkehrssektor, dann sind die 40 Prozent immer noch zu schaffen. So ganz fatalistisch wie McKinsey muss man also nicht sein.

Ein weitere Punkt: In der Studie fehlt – wirklich irritierend – komplett die Diskussion des Merit-Order-Effekts (keine Sorge, der tut nicht weh). Er sagt aus, dass die erneuerbaren Energien an der Börse strompreissenkend wirken. Schließlich speisen zu manchen Zeiten so viele Windräder ihren Ökostrom ein, dass es gar negative Strompreise gibt. Davon profitieren die Großabnehmer, die Großhandelspreise zahlen – also die energieintensive Industrie (die auch Ausnahmen bei den Netzentgelten genießen). Vergangenen Herbst bezifferte eine Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums den Merit-Order-Effekt auf rechnerische 2,8 Milliarden Euro.

Der Merit-Order-Effekt habe keine großen Auswirkungen, heißt es auf Nachfrage bei McKinsey: Zumal er ja auch dazu führen würde, dass konventionelle Gas- und Kohlekraftwerke wiederum öfter an-und abgeschaltet werden würden. Deren Verschleiß müsse man wiederum auch einrechnen.

Nun gut, auch wenn es kompliziert ist: Das alles hätte doch in eine gute, umfassende und wissenschaftliche Studie gehört.

Ergänzung 17:16 Uhr: Ein Recherchepartner macht mich übrigens gerade auf eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2010 für die European Climate Foundation aufmerksam. Ziel war es, zu zeigen, dass bis 2050 sich die Co2-Emissionen um 80 Prozent in der EU mindern lassen. Die Studie liest sich ein wenig anders und weniger pessimistisch. Dort schreibt McKinsey im Kapitel Technical and Economic Analysis:

„Despite the complexities, the transformation of the European power sector would yield economic and sustainability benefits, while dramatically securing and stabilizing Europe’s energy supply.“

 

 

Der Sieg der Kettensäge

Das neue Waldgesetz in Brasilien enthält eine Amnestie für die Zerstörung von Regenwald bis 2008. Foto: dpa

Das Timing ist geradezu unübertroffen. Im vergangenen Dezember hat der brasilianische Senat dem umstrittenen neuen Waldgesetz zugestimmt. Und in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat das brasilianische Unterhaus das Waldgesetz, das ihn nun viel weniger schützen soll, nach einer hitzigen achtstündigen Debatte mit 274 zu 184 Stimmen gebilligt. Und das knapp zwei Monate vor dem UN-Gipfel Rio plus 20, bei dem es in Rio eigentlich darum gehen soll, wie das Weltwirtschaftssystem „grün“ werden und wie Entwicklung nachhaltig werden kann. Es ist der dritte Weltgipfel zu Umwelt und Entwicklung (20.-22. Juni 2012) – und Brasilien steht als Gastgeberland gerade besonders unter Beobachtung.

Mit ein paar Tricks kann Präsidentin Dilma Roussef das Inkrafttreten des Gesetzes noch über den Gipfel hinwegretten. Und am Freitag deutete sich auch schon an, dass sie diese Chancen nutzen wird. Mit einem Veto kann Roussef das Gesetz zumindest noch etwas aufhalten. Sie wird es aber vermutlich nur gegen die umstrittensten Teile des Gesetzes einlegen. Das gibt ihr aber die Chance, vor den rund 100 Staats- und Regierungschefs, die sich für den Rio-Gipfel angemeldet haben, vor allem die Erfolge der brasilianischen Klimapolitik zu preisen, die tatsächlich beachtlich sind. Wenn sie wieder abgereist sind, könnte der Kongress die Präsidentin dann in Sachen Waldgesetz überstimmen und der durchlöcherte Waldschutz danach Recht werden.

Schon im Dezember kündigte Roussef an, sie werde kein Gesetz unterzeichnen, das eine Amnestie für das illegale Abholzen von Regenwald enthalte. Die hat die Agrarlobby im Kongress aber durchgesetzt. Für Wälder, die bis Ende 2008 abgeholzt wurden, soll es keine Strafen mehr geben, die Waldzerstörung also nachträglich legalisiert werden. Der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe schreibt in einer Bewertung der Abstimmung, dass nach Angaben des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) in allein 2012 eine Fläche von 388 Quadratkilometern Wald vernichtet wurde. Und weiter zitiert Hoppe die brasilianische Umweltministerin Izabella Teixeira: „Noch haben wir keine Erklärung für die Zunahme der Abholzung. Aber wir wissen, dass es Leute gibt, die glauben, dass sie am Ende amnestiert werden.“

Auf die Frage, ob er denn die Amnestie richtig fände, hat Eduardo Riedel, stellvertretender Vorsitzender des brasilianischen Landwirtschafts- und Viehzuchtverbands, bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung vor ein paar Wochen in Berlin, denn auch eher ausweichend geantwortet. Aber warum es die Parlamentarier in Brasilien womöglich gar nicht besonders kümmert, was die Welt von ihnen denkt, das konnte Riedel, der grundsolide und sympatisch ist, mit Zahlen gut erklären. Schließlich stehe knapp die Hälfte der gesamten Fläche Brasiliens unter Naturschutz. Allein die auf landwirtschaftlich genutzten Flächen vorgeschriebenen Schutzzonen nehmen nach Riedels Angaben elf Prozent der Landesfläche ein. Lediglich 27,7 Prozent der Landfläche werde für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Gleichzeitig trägt die Landwirtschaft mit 20,2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Brasiliens bei. Das sind 2011 nach Riedels Angaben immerhin 481,8 Milliarden US-Dollar gewesen. Das ist eine Größe, an der Roussef kaum vorbeikommt. Auf die Kritik des Waldgesetzes lächelt Riedel freundlich und fragt: „Wie groß ist denn die deutsche Landfläche, die unter Naturschutz steht?“

Gute Frage. Und sie ist tatsächlich gar nicht so leicht zu beantworten. Denn in Deutschland gibt es wegen der langen Tradition des Naturschutzes sechs verschiedene Schutzniveaus. Eine Antwort auf Riedels Frage lautet also: 29,9 Prozent der Landesfläche in Deutschland sind Landschaftsschutzgebiete, die sich allerdings dadurch von brasilianischen Schutzgebieten unterscheiden, als in diesen Gebieten teilweise eine landwirtschaftliche Nutzung möglich ist. Streng geschützte Naturschutzgebiete bedecken in Deutschland nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz 3,3 Prozent der Landesfläche. Einen relativ strengen Schutz genießen die Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete, die immerhin rund 14 Prozent der Landesfläche einnehmen – darin sind die Naturschutzgebiete in weiten Teilen enthalten, und für diese Flächen gilt ein „Verschlechterungsverbot“. Aber es gibt auch noch eine andere Zahl, die Riedels Frage beantworten kann: 30 Prozent der deutschen Landesfläche sind mit Wald bedeckt. Darin gilt das deutsche Waldgesetz, das Kahlschläge verbietet.

Brasilien steht dann immer noch besser da. Aber mit dem neuen Waldgesetz könnte Brasilien in nicht allzu ferner Zukunft bei deutschenVerhältnissen ankommen. Und der brasilianische Regenwald ist wegen seiner Bedeutung für das Weltklima und seine Artenvielfalt dann doch nur schwer mit dem deutschen Forst vergleichbar. In Sachen Artenvielfalt ist Deutschland selbst bei bestem Naturschutz im Vergleich zum tropischen Regenwald eine Art Wüste. Die Artenvielfalt ist relativ gering. Umso wichtiger, dass nicht nur der grüne Thilo Hoppe sondern auch sein Kollege von der CSU, Christian Ruck, die brasilianische Präsidentin dringend zu einem Veto gegen das Waldgesetz aufgefordert haben. Denn sonst ist die Debatte darüber, wie die Erhaltung der Wälder im Vergleich zu deren Abholzung lukrativer gemacht werden kann – im UN-Jargon heißt das REDD (Reducing Emissions  from Deforestation and Degradation), schon bald relativ sinnlos.