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Europas Klimaschutz auf der Kippe – und wo sind Sie, Herr Röttgen?

Es kann sicherlich nicht am Ort gelegen haben, lieber Herr Röttgen, oder? Horsens in Dänemark sieht doch ganz plauschig aus, ein Hafenstädtchen in Ostjütland, das Meer vor der Nase.

Heute sind dort die Umweltminister Europas zu einem informellen Treffen zusammengekommen – ohne Sie. Sie sind lieber in Nordrhein-Westfalen unterwegs.

Ja, es stimmt: Die Themen, die da während eines Mittagessens diskutiert wurden, sind keine leichte Kost. Es geht um nicht mehr als die Zukunft des europäischen Zertifikatehandels. Der steckt gerade in der schwersten Krise ever, er ist praktisch tot. Die Preise für eine Tonne Kohlendioxid dümpeln zwischen sechs bis acht Euro. Da hat kein Unternehmen einen Anreiz in zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zu investieren, lieber kauft man sich, wie die Österreicher, günstig frei. Auch auf der Einnahmeseite klafft ein Loch. So war das langfristig nicht gedacht.

In Horsens haben Ihre Kollegen nun über einen Lösungsvorschlag geredet: das sogenannte set aside von etwa 1,4 Milliarden Zertifikaten. Die Idee ist simpel: Legt man Zertifikate still, dann steigt der CO2-Preis (aber auch nur, wenn die Zertifikate für immer aus dem Spiel sind). Die Idee wird seit Monaten diskutiert und – sorry, Herr Röttgen: Es ist doch wichtig, dass Sie sich für Deutschland für einen funktionierenden Emissionshandel einsetzen. Klar, werden Sie jetzt sagen, das war doch nur ein informelles Treffen, ich hatte Termine im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Aber es wäre eine gute Chance gewesen, die deutsche Position einmal zu verdeutlichen. Ohne dass Ihnen Ihr Ressortkollege Philipp Rösler mal wieder reingrätscht.

Und Sie haben doch heute auch noch einmal betont, dass Deutschland beim Klimaschutz in der EU ehrgeizig bleiben will. Es geht um die Frage, um wie viel Prozent Europa bis 2020 den Kohlendioxidausstoß im Vergleich zu 1990 senkt. Deutschland hat sich ambitionierte 40 Prozent als Ziel gesetzt. In der EU sind´s 20 Prozent. Die Frage ist: Traut sich Europa mehr zu (schließlich werden die 20 Prozent, auch nach Aussage des deutschen Umweltbundesamts heute in der ZEIT, locker erreicht).  Und wenn ja: wie viel? 25 Prozent, wie es die EU-Kommission ins Spiel gebracht hat? 30 Prozent? Heute ließ Ihre Pressestelle  erklären:

„Minister Röttgen hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass aus seiner Sicht eine Erhöhung des EU-Klimaziels für 2020 auf 30 Prozent sinnvoll und erforderlich ist. Nur darf man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Dieses bezog sich immer auf  Maßnahmen innerhalb und außerhalb der EU. Mit seiner Unterstützung der unter anderem von Kommissarin Hedegaard vertretenen Position, EU-intern eine Reduktion von 25 Prozent gegenüber 1990 in 2020 anzustreben, hat er sich hierzu nicht in Widerspruch gesetzt. Über eine bereits jetzt mögliche Anrechung von Klimaschutzprojekten außerhalb Europas kann das Gesamtziel einer Minderung von 30 Prozent erreicht werden. Das ist die Position derjenigen, die Europa in der schwierigen Diskussion konkret voranbringen wollen.“

Sicher, diese Klimaschutzziele sind die großen Fragen – und die können nicht während eines Mittagessens in Horsens geklärt werden. Aber es wäre trotzdem gut gewesen, wenn Sie da gewesen wären. Nicht nur wegen der Symbolik. Sondern vor allem, um die deutsche Position zu erklären und dafür zu werben. Wer in Deutschland von der Energiewende als Chance schwärmt, der muss sich auch dafür einsetzen, dass die europäischen Rahmenbedingungen dafür stimmen. Egal, ob NRW ruft oder nicht.

Update 17:05:  Frisch vom Markt aus Horsens: Die EU-Kommission will bis Ende des Jahres Vorschläge vorlegen, um die Auktionierung der Emissionszertifikate neu zu regeln. Hier das Statement von Martin Lidegaard, Klimaminister Dänemark und Connie Hedegaard von der EU-Kommission:

 

 

 

Co2-Handel: Österreich kauft sich günstig frei

Die Preise für Emissionszertifkate dümpeln ja schon seit Monaten auf einem extrem niedrigen Niveau, gerade einmal etwa sechs Euro kostet zurzeit die Tonne CO2, erst vergangene Woche ist der Preis wieder in den Keller gerauscht. Mit weitreichenden Folgen: Mit so niedrigen Preisen sinkt der Anreiz, in Klimaschutzaktivitäten zu investieren. Die EU will den Emissionshandel wieder beleben, eine Idee wäre es, die Zahl der Verschmutzungszertifikate zu verknappen und so den Preis hochzutreiben.

Den österreichischen Umweltschutzminister ficht das Problem dagegen offenbar nicht an. Im Gegenteil, geradezu bauernschlau klingt seine Einschätzung: Ist doch super, so ein niedriger CO2-Preis, da kann Österreich schön günstig Zertifikate zukaufen:

„Vor einem Jahr wurden die Kosten der Zertifikate für Österreich auf 600 Millionen Euro, sogar bis zu einer Milliarde Euro geschätzt. Wenn wir heute Geld in die Hand nehmen, sparen wir gut 440 Millionen Euro. Das nutzt dem Budget und dem Klima“, erläutert Berlakovich.

Österreich hat tatsächlich ein Problem: Das Land hat sein CO2-Budget überfordert. 6,2 Millionen Tonnen CO2 muss es zukaufen, um die Klimaschutzziele zu erfüllen und um Strafzahlungen zu entgehen. Das ist natürlich jetzt gerade billiger als vor einem Jahr, als der CO2-Preis noch etwas höher war.

Allerdings ist Berlakovichs Rechnung wohl eher eine Milchmädchen-Rechnung. Zwar sparen die österreichischen Steuerzahler vielleicht Millionen ein. Aber smarter wäre es wohl, das Geld in Klimaschutzmaßnahmen zu Hause zu investieren und so die heimische Wirtschaft anzukurbeln.

Natürlich, dem Klima ist egal, ob die Tonne CO2 nun in Österreich oder auf einer indonesischen Müllkippe durch ein Klimaschutzprojekt eingespart wurde. Aber so vergibt sich Österreich die Chance, selbst von Klimaschutzmaßnahmen zu profitieren. Einmal davon abgesehen, dass der niedrige CO2-Preis niemandem hilft: Nur wenn es ein klares und eindeutiges CO2-Preissignal gibt, rechnen sich Investitionen in erneuerbare Energien und  CO2-ärmere, effiziente Gaskraftwerke. Erst kürzlich sprach sich daher auch Eon-Chef Teyssen für eine Stärkung des europäischen Zertifikatshandels aus. Das sollte Herrn Berlakovich zu denken geben.

 

Rohstoffhunger: Land Grabbing nimmt weltweit zu

Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images
Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Mehr als 2300 Familien wurde für die Mine umgesiedelt. Ihnen seien Schulen und Krankenhäusern zugesagt worden, bislang sei aber nichts passiert, sagen die Anwohner. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images

Wenn ich das Thema Land Grabbing höre (was sich wohl am besten mit unerlaubter Landnahme übersetzen lässt), denke ich ja erst einmal an südamerikanische Bauern, die für riesige Sojaplantagen weichen mussten. Oder an Afrika, wo Menschen für neue Kohleminen vertrieben werden. Im kolumbianischen Amazonasgebiet wird nach Gold geschürft, in Indien nach Kohle und Bauxit. Alles weit weg. Heute morgen kam mir nun ein Report von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen unter: Opening Pandoras Box – The New Wave of Land Grabbing by the Extractive Industries and the Devasting Impact on Earth.

Die Gaia Foundation, eine NGO aus London, die unter anderem von der indischen Menschenrechtlerin Vandana Shiva unterstützt wird, macht darin deutlich, dass Land Grabbing schon lange nicht mehr ein Phänomen nur in ärmeren Staaten ist. Ob Mountain Top Removal in den USA, die riesigen Mondlandschaften des Teersand-Abbaus in Kanada, das Fracking in Europa: Die Suche nach Rohstoffen findet inzwischen direkt vor unserer Haustür statt – mit dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen, für Umwelt, Wasser und Klima.

„We are no longer talking about isolated pockets of destruction and pollution. Nowadays, chances are that, no matter where you live on Earth, land acquisitions for mining, oil and gas might soon be at your door. This trend is now a major driver of land grabbing globally, and poses a significant threat to the world’s indigenous communities, farmers and local food production systems, as well as to precious water, forests, biodiversity, critical ecosystems and climate change.“

Es sind vor allem die steigenden Rohstoffpreise, die diese Entwicklung befeuern. Dahinter steckt einfach die steigende Nachfrage nach entsprechenden Produkten. Das zeigen vor allem auch die zahlreichen, auch deutschen Initiativen zur Sicherung von Rohstoffen, die Regierungen weltweit auflegen. Erst gestern stellte die Bundesregierung ja auch ein Ressourceneffizienzprogramm vor, um effizienter mit Rohstoffen umzugehen.

Der weltweite Trend allerdings geht zurzeit noch in eine andere Richtung. Die weltweite Eisenerz-Produktion wurde, so die Studie, in den vergangenen zehn Jahren um 180 Prozent gesteigert. Gerade die Nachfrage nach den Seltenen Erden –  die ja auch für die grünen Technologien wie Solarzellen und Windräder so wichtig sind – hat zugenommen (spannend das Kapitel Green Energy dazu in der Studie ab Seite 45).

Ganz einmal abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen, die durch den Rohstoffabbau stattfinden: Die weltweite Branche hat ein riesiges Abfallproblem. Jährlich würden, so das Mining Journal, rund 50 Milliarden Tonnen Erde beim Abbau von Eisenerz, Kohle, Industriemetallen und anderen Rohstoffen bewegt (Seite 34). 21 Milliarden Tonnen, also knapp die Hälfte, fallen einfach als Abraum an – ungenutzt.

Was also tun? Die Studienmacher fordern ein Globales Moratorium für neue Abbauprojekte. Minen, die bereits in Betrieb sind, sollten auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden. Es sollte No-Go-Areas geben, wo der Rohstoffabbau tabu ist, darunter etwa alle UNESCO-Schutzgebiete. Und es sollte ein Veto-Recht für die lokale Bevölkerung bei Abbauplänen geben.

 

Schifffahrt soll noch mehr ergrünen

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments mag es ja gerne provokant. Diesmal hat er sich die Schifffahrt vorgenommen. Konkret geht es um den Schwefelanteil im Schiffsdiesel. Der Umweltausschuss fordert, dass die zähe Pampe in EU-Gewässern schon ab 2015 nur noch 0,5 Prozent Schwefel enthalten dürfen soll.

Seit Jahren rangeln Politik, Reeder und Umweltschützer ja um den Schwefelanteil. Der liegt nämlich weltweit zurzeit bei 3,5 Prozent und soll erst im Jahr 2020 laut Internationaler Maritimer Organisation auf 0,5 Prozent gesunken sein. Eine Sonderrolle spielen Nord- und Ostsee. Hier gelten schon heute 0,5 Prozent – und die hätte der Umweltausschuss nun gerne in allen EU-Gewässern, also auch im Mittelmeer. Die 3,5 Prozent entsprechen übrigens 35.000 ppm (parts per million – Millionstel Anteil). Zum Vergleich: Für Pkw-Kraftstoffe gilt in Deutschland ein Grenzwert von 10 ppm.

Doch während die Autos immer sauberer werden, tut sich die Schifffahrt schwerer. Schweröl als Sprit, mit hohem Dieselanteil, ist eben ein günstiges Abfallprodukt in den Raffinerien. Das Problem ist nur, dass der Schwefel im Diesel unter anderem sauren Regen verursacht. Hafenstädte wie Hamburg, Travemünde und Los Angeles können da eine lange Geschichte erzählen.

Die deutschen Schiffsbesitzer finden auf jeden Fall das Vorpreschen des Umweltausschusses gar nicht lustig – aus ihrer Sicht ist der Umweltausschuss wohl so etwas wie die berühmte „loose cannon“. Denn wenn die EU mit den Regeln vorprescht, hätte das natürlich Folgen für den gesamten internationalen Schiffsverkehr. Was ist mit Schiffen, die von Asien kommen und durch den Suezkanal ins Mittelmeer fahren? Werden die dann einen zweiten Dieseltank anzapfen und den umweltfreundlicheren Diesel verbrennen? Die Reeder fürchten, dass Verkehr von See auf Land umgelagert wird, weil das unterm Strich günstiger wäre.

Doch de facto schlagen die EU-Parlamentarier ja nur einen ehrgeizigeren Zeitplan vor. Das Problem, sich auf mehr Umweltschutz einzustellen, wird die Schifffahrt so oder so haben.

 

Warum Prestige-Ökocitys nicht Chinas Zukunft sind

Wer sich mit nachhaltiger Stadtentwicklung in China beschäftigt, der kommt an den zahlreichen Ökocitys nicht vorbei. Egal, ob Dongtan bei Shanghai oder Huangbaiyu oder Tianjin. Prestige-Ökoprojekte, klimaneutral, energieeffizient, autofrei und  supermodern.

Ökostadt Dongtan, Copyright: 2009 Yale University
Ökostadt Dongtan, Copyright: 2009 Yale University

Einmal davon abgesehen, dass offenbar wenig in den vergangenen Jahren in den chinesischen Ökocitys passiert ist – es mehren sich die Kritiker solcher millionenschweren Nachhaltigkeitsprojekte. Einen ausführlichen Report dazu präsentiert gerade yaleenvironment360, welcher der Frage nachgeht, inwiefern sich der Trend zur Urbanisierung in China besser und umweltfreundlicher gestalten lässt.

Mehr als die Hälfte der 1,3 Milliarden Chinesen lebt inzwischen in den Städten. Investoren und die Regierung reagieren auf diese Entwicklung, überall wird massiv in städtischen Wohnraum investiert.

Aber das hat Folgen, denn Bauen ist natürlich alles andere als klimafreundlich. China schafft es auf Platz 1 der weltweiten CO2-Verschmutzer auch wegen seines Baubooms, schließlich ist die Herstellung von Stahl und Zement immens energieintensiv.

Eine Entwicklung mit dramatischen Folgen. Zwar sind in den vergangenen Jahren einige Prestige-Stadtprojekte entstanden, wo das Bauen umweltfreundlicher passieren sollte – eben die Ecocitys. Aber zugleich müssen in unzähligen Städten ganze Altstadtviertel Platz machen für einen schnell hochgezogenen Wohnblock aus minderwertigem Baumaterial. Schlechte Qualität, die nur wenige Jahre hält. Und am Ende abgerissen werden muss. Ein Städteplaner kommt gar zu der Einschätzung auf Yale Environment, dass der Abriss von Gebäuden inzwischen die größte CO2-Quelle in China sei:

“Poor urban planning, lack of accountability, weak regulation and absence of legal framework, all together makes buildings in China so vulnerable,” says engineer Ding Jianhua of the China Urban Construction, Design and Research Institute. “Tearing down buildings is, in my opinion, essentially the most high carbon factor in China at present.”

Was also tun? Es ist wie in Deutschland: ran an die Vorschriften. Wer strenge Energiespar-Vorschriften für Neubauten macht, der hat einen weitaus größeren Klimaeffekt als eine einzige Ökostadt ihn je haben wird. Das können Vorgaben für Dämmung, den Einsatz von Ökostrom oder Solarwärme sein, an denen China zurzeit arbeitet. Und vielleicht ist das auch der große Unterschied zu Deutschland. Während hierzulande der Baubestand die große Baustelle ist (und die Bundesregierung hier zurzeit effektive Anreize zum Sanieren und Dämmen verpeilt), sind in China strenge Vorgaben für Neubauten wichtig. Denn nichts wäre eine größere Verschwendung von Energie, wenn die jetzt neu gebauten Städte zwar schick, aber energiemäßig auf dem Niveau eines Plattenbaus aus den 1960er Jahren sind.

 

 

Zäh, zäh, zäh: Deutschland und das Energiesparen

Nun gut, es ist nicht das erste Mal, dass Wort und Tat bei dieser Bundesregierung auseinanderklappen. Aber diesmal ist es doch wirklich eklatant. Da hat sich Bundeskanzlerin Merkel 2007 richtig ins Zeug geschmissen für eine ambitionierte Klimapolitik der EU und damals die berühmten 20 Prozent-Ziele eingetütet: 20 Prozent Anteil Erneuerbare Energien in 2020, eine Reduktion der Treibhausgase um 20 Prozent und eine Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent.

Und wo stehen wir heute? Für den Ökostrom-Anteil und die CO2-Reduktion gibt es in der EU verbindliche Vorgaben. Nur beim Energiesparen fehlt es bislang an verbindlichen Regeln. Das will die EU-Kommission nun mit ihrem Vorschlag zur Energieeffizienz-Richtlinie ändern.

Und wer blockiert? Deutschland. Wobei – blockieren ist wohl viel zu aktiv ausgedrückt: Die deutsche Bundesregierung hat offenbar noch nicht einmal eine Position, mit der sie in Brüssel auftritt. Und das macht es für alle Beteiligten nicht gerade einfach, sich bis zum Sommer auf einen Vorschlag zu einigen.

Umstritten ist immer noch der berühmte Artikel 6, der vorsieht, das Unternehmen jedes Jahr 1,5 Prozent ihres Energieabsatzes im Vergleich zum Vorjahr einsparen müssen. Einen Markt für´s Energiesparen will Brüssel so schaffen.

Und hat gute Argumente für sich: Mit jedem Euro, der in neue Fenster und eine bessere Heizung investiert werde, würden am Ende neun Euro Kosten für Energie eingespart. Von 400.000 neuen Arbeitsplätzen geht die EU-Kommission aus.

Kommende Woche treffen sich die europäischen Energieminister in Brüssel zu dem Thema. Mit welchen Alternativvorschlägen Deutschland dort auftritt, ist noch völlig unklar, seit Monaten, ach: Jahren, rangeln ja Bundeswirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium bei dem Thema miteinander.

Es ist ein gefährliches Spiel, was die Bundesregierung da veranstaltet. Irgendwie scheint es fast Parallelen zu Deutschlands jüngstem Auftreten im Griechenland-Poker zu geben. Schwarz-Gelb lähmt gerade einen Markt mit Milliardeninvestitionen und sorgt für Verunsicherung. Warum bloß?

PS: Noch ein paar Beispiele der Energieexperten von RAP, was in anderen Ländern passiert ist, die Energieeffizienz-Vorgaben gemacht haben. Allein in Frankreich wurden zwischen 2006 und 2009  jedes Jahr rund 950.000 Dächer gedämmt. Und die Briten haben zwischen 2005 und 2008 jedes Jahr rund 1,25 Millionen effizientere Kühlgeräte angeschafft.

 

Klimaschutz: Schwarz-Gelb streicht CO2-Kompensation für Dienstreisen

Seit diesem Jahr nun ist es offiziell: Eine Vorbildfunktion in Sachen Klimaschutz hält die Bundesregierung offenbar für nicht mehr notwendig. In 2012 stellt Schwarz-Gelb keine Mittel mehr für die „Maßnahmen zur Klimaneutralisierung von Dienstreisen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages“ zur Verfügung.  Das hatte der Haushaltsausschuss der Bundesregierung im vergangenen Herbst beschlossen. Im vergangenen Jahr standen bereits nur noch 2,15 Millionen Euro zur Verfügung, das war schon eine Halbierung.

Ein Haushaltsausschuss-Mitglied betont, dass das Verfahren sehr verwaltungsaufwändig gewesen sei, die Auswahl der Projekte „nach nicht immer durchsichtigen Kriterien“ erfolgt sei und dass die Kompensation keine Lenkungsfunktion gehabt habe.

Das klang vor einigen Jahren noch ganz anders. Unter Schwarz-Rot wurde das Programm sogar noch ausgeweitet:

„Die Bundesregierung hat beschlossen, die Treibhausgasemissionen im eigenen Geschäftsbereich im Zeitraum von 2008 bis 2012 um 30 % im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren. In diesem Zusammenhang hat das Bundeskabinett am 28. Februar 2007 auf Vorschlag von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel beschlossen, die Dienstreisen der Mitglieder und Beschäftigten der Bundesregierung „klimaneutral“ zu stellen. Das bedeutet, dass die bei unvermeidbaren Dienstflügen und Dienstfahrten mit dem Pkw produzierten Treibhausgase an anderer Stelle eingespart werden, indem in Klimaschutzprojekte investiert wird.“

Damit ist nun also Schluss. Einen Rüffel gab es dafür bereits vom Umweltbundesamt:

Aus Sicht des Umweltbundesamtes ist das vorzeitige Ende der Kompensation der Dienstreisen der Bundesregierung bedauerlich. Wir halten die freiwillige Kompensation von Treibhausgasemissionen – richtig eingesetzt – für ein sinnvolles Instrument des Klimaschutzes. Eine Vorbildwirkung der Bundesregierung könnte hier ein wichtiges klimapolitisches Zeichen setzen.“

Nun ist die Frage: Was hat das Programm tatsächlich gebracht? Das lässt sich tatsächlich nur schwer recherchieren. Die Deutsche Emissionshandelsstelle teilt mit, dass das Kompensationsvolumen jährlich bei 168.421 Tonnen CO2 für die Jahre 2007 bis 2009 betrug. Wenig aussagekräftig.

Am sinnvollsten wäre es natürlich, wenn die Emissionen erst gar nicht entstehen, wenn die Ministerien also etwa ihre Mitarbeiter anhalten: „Fahrt Bahn, innerdeutsche Flüge sind tabu.“

Das ist in der Praxis allerdings kaum umzusetzen. Was also tun? Ich würde sagen: Na, dann eben kompensieren, und zwar nach den höchsten Standards, die es dafür auf dem Markt gibt.

Oder was meinen Sie, liebe Leser? Wo sind die Grenzen der Kompensation? Ganz spannend in diesem Zusammenhang ist ja, dass Atmosfair – also einer der führenden Anbieter von Kompensationsprojekten – aktuell in einem taz-Interview auch von den Grenzen der Kompensation spricht:

„taz: Alle Welt gibt sich heutzutage klimaneutral: Der Vatikanstaat, die Leuphana Universität Lüneburg, der Reiseveranstalter Studiosus, die Stadtwerke Soest. Verkommt die Kompensation zum reinen PR-Instrument?

Dietrich Brockhagen/Atmosfair: Es geht leider in diese Richtung. Ich mache dies vor allem an den Produkten fest, die kompensiert werden. Wir arbeiten zurzeit an einer Studie zu den Grenzen von Kompensation.“

 

Neuer UN-Report: Die Erde am Anschlag

Globale Nachhaltigkeit – und schwupps: Wieder haben ein paar Leser weggeklickt. Ich ahne, Nachhaltigkeit wird wohl bald das Unwort des Jahres. Trotzdem enthält der Nachhaltigkeitsreport, den heute eine UN-Kommission zur „Globalen Nachhaltigkeit“ vorlegte, einige ganz interessante Schätzungen:

As the global population grows from 7 billion to almost 9 billion by 2040, and the number of middle-class consumers increases by 3 billion over the next 20 years, the demand for resources will rise exponentially.

By 2030, the world will need at least 50 per cent more food, 45 per cent more energy and 30 per cent more water — all at a time when environmental boundaries are throwing up new limits to supply.

Mehr als ein Jahr hat eine 22-köpfige Kommission, darunter Minister und vor allem Ex-Minister, viele sinnvolle Forderungen zusammengetragen, unter anderem, dass Güterpreise auch soziale und ökologische Folgekosten widerspiegeln sollen. Oder dass wir mehr Geld zur Armutsbekämpfung benötigen (nun gut, das lässt sich auch hinterfragen). Oder dass Frauen das Sagen über Ressourcen und Bildung haben sollten.

Das liest sich alles wunderbar. Aber ich befürchte, große Folgen werden diese großen Worte kaum haben. Viel zu vage, viel zu unkonkret. Und vor allem ohne konkreten Zeitplan.

 

UN-Umweltorganisation empfiehlt tatsächlich Tiefsee-Bohrungen

Ich muss gestehen: Ich ahnte nichts Böses. Die Pressemitteilung der Umweltschutzorganisation der Vereinten Nationen (Unep) klingt ja wirklich ganz passend für mein Blog: „Green Investments in the Marine Sector Can Bring a Tide of Economic and Social Benefits„, oder?

40 Prozent der Weltbevölkerung leben demnach maximal 100 Kilometer vom Meer entfernt. Die Ozeane bilden für sie, gerade in ärmeren Ländern und den kleinen Inselstaaten, die Lebensgrundlage.

Doch immer öfter ist diese in Gefahr. Jetzt geht es nicht nur um die Klassiker, um Überfischung und Übersäuerung der Weltmeere. Sondern auch um zerstörte Mangrovenwälder und Korallenriffe. Die Studie Green Economy in a Blue World will daher zeigen, wie sich beides verbinden lässt: Meeresschutz und grünes Wachstum.

„Oceans are a key pillar for many countries in their development and fight to tackle poverty, but the wide range of ecosystem services, including food security and climate regulation, provided by marine and coastal environments are today under unprecedented pressure“, said UN Under-Secretary-General and UNEP Executive Director Achim Steiner. „Stepping up green investments in marine and coastal resources and enhancing international co-operation in managing these trans-boundary ecosystems are essential if a transition to low-carbon, resource efficient Green Economy is to be realized.“

Sechs Wirtschaftssektoren schlagen die Autoren vor, um grünes Wachstum anzukurbeln, darunter ökologische Aquakulturen (naa, schon ein bisschen pikant), der Ausbau erneuerbarer Energien und grüner Tourismus an der Küste.

Stutzig machte mich allerdings der letzte Punkt: „Deep See Minerals“. Die Unep empfiehlt die Ausbeutung der Tiefsee, um gerade Entwicklungsländern die Chance zu geben, ihre Wachstumsziele zu erreichen. In der Pressemitteilung wird Peter Prokosch zitiert, der ehemalige WWF-Geschäftsführer in Deutschland und heutige Leiter der Umweltdatenbank des Unep:

„Mining of minerals in the deep-sea provides a unique opportunity for developing countries towards reaching their development goals. Operating in a largely unknown natural environment, it may put additional pressure on already stressed marine ecosystems. However, it can relieve some of the burdens of mining in the terrestrial environment. Careful and responsible planning of deep-sea minerals mining needs to apply the Precautionary Principle, and consider the other sectors and in particular future generations.“

Nun muss man dem UNEP bzw. Herrn Prokosch zugutehalten: Er warnt vor den Eingriffen in die Tiefsee und fordert ein Vorgehen nach einem umfassenden Vorsorgeprinzip. Trotzdem war ich heute Abend erst einmal baff. Was soll diese Forderung? Gibt es nicht in den anderen fünf Sektoren erst einmal ausreichend Entwicklungspotenzial? Eine solch unbekannte Region wie die Tiefsee sollte meiner Meinung nach erst einmal der Wissenschaft exklusiv vorbehalten sein. Erst einmal sollten wir doch Erkenntnisse gewinnen, was dort unten los ist, bevor wir das Terrain gleich zur Plünderung frei geben. Zumal die Folgen dieser Eingriffe ja vollkommen unbekannt sind. Und welche Konsequenzen missglückte Eingriffe haben, hat das BP/Deep Water Horizon-Unglück im Golf von Mexiko ausreichend gezeigt.

 

Eine der weltweit größten Müllkippen wird zum grünen Kraftwerk

Die Bordo Poniente Müllkippe in Mexiko City ist in diversen Kategorien Weltmeister: Sie gilt als eine der größten Müllkippen der Welt, zu Hochzeiten wurde sie von hunderten Müllwagen täglich angesteuert, wie BBC berichtet. Zudem ist die Kippe einer der größten Klimagas-Emittenten der Hauptstadt, die Emissionen aus dem dort offen gelagerten Abfall machen rund ein Viertel der Klimabilanz aus. Beim Verrotten der Abfälle entsteht Methan, ein Gas, das 23 Mal  klimawirksamer ist als Kohlendioxid.

Seit Mitte Dezember wird nun die Müllkippe nicht mehr angefahren, ein Erfolg der Stadt und der Clinton Climate Initiative. Nun soll aus der Müllkippe eine Art grünes Kraftwerk werden: Das anfallende Methan soll aufgefangen und zur Stromerzeugung in einem Kraftwerk genutzt werden, es könnte rund 35.000 Haushalte mit Elektrizität versorgen. Ein Zementwerk hat außerdem zugesagt, täglich rund 3000 Tonnen Abfälle als Ersatzbrennstoff einzusetzen. Und auch die Müllsammler vor Ort sollen eine Zukunft haben, sie sollen neue Jobs auf der Müllkippe bekommen und beim Versiegeln der Oberfläche helfen.

Das alles mag dröge und technisch klingen, aber es sind gerade solche Maßnahmen, die dem Klima helfen. Wie sagt es der Bürgermeister:

„Closing Mexico City’s Bordo Poniente landfill is one of the most important environmental actions for the entire country. If it can be done here, it can be replicated elsewhere even if the solution is a complex one.”

Und was kostet das alles? Dazu machten der Bürgermeister und die Clinton Initiative leider keine Angaben. Außer, dass man natürlich das Biogas verkaufen will und sich daraus Erlöse erhofft. Auf Zuschüsse der Regierung und vom Privatsektor ist man aber trotzdem angewiesen.