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Tach & Nacht meets Damm Rec

Sicheres Händchen für deepe Tech-Sounds: Im Fundbureau schicken die House-Labels ihre besten Beat-Gladiatoren in die Arena.

Dieser Mann weiß, wo die Kirschen im Kuchen versteckt sind, und hat für mittelschlechte Wortwitze wie diese sicherlich übersichtlich viel übrig. Sagen wir es also noch einmal unverziert und direkt: Karl Kirschmeyer, Abgesandter des Labels Damm Records aus Mecklenburg-Vorpommern, mischt mit sicherem Händchen deepe Elemente und klare Tech-Sounds so, dass immer wieder eine überraschende Wendung Platz findet. Im Fundbureau teilt er sich diesen Abend mit seinem Damm-Rec-Kollegen Florian Neubauer, den Hamburger Tach&Nacht-Sprößlingen fabs# und Tim (StereoSphere) sowie Christoph Kipping, der zusammen mit StereoSphere als Resident und Vorstandsvorsitzender des Eventkollektivs Stille Wasser firmiert. Eine Kombination, die sich hervorragend durch eigene Präsenz ergänzen lässt.

Text: Miriam Mentz

 

„Underwater Splash“

Alkoholhaltiger Flüssigsauerstoff und Spongebob-Disko: Die Prinzenbar wird zur schäumenden und blubbernden Unterwasser-Tanzfläche.

Wow, ein ganzes Party-Konzept aus Schaumschlägerei und U-Boot-großen Wasserblasen: Von Bikini Bottom ist viel zu lesen im Begleitzettel, der zum Underwater Splash von Pop The Floor verteilt wurde, von den Tiefen des Meeres, Krabben und von Spongebob. Für eine Nacht verschwindet die Prinzenbar und an ihre Stelle tritt ein blubberndes, pulsierendes Korallenriff, ein feierndes Atlantis unter den Wellen von St. Pauli. Um das Überleben in der Tiefsee zu sichern, wird am Eingang flüssiger Sauerstoff mit hohem Alkoholgehalt verteilt. Seine Taucherbrille muss aber niemand einpacken, um an diesem Abend mit DJ Berry E. und der Pop Crew nicht abzusaufen. Aber gut, wie heißt es so schön: „Die droben schuften wie verrückt, drum wirken sie auch so bedrückt. Wo hasst man streben, wo lebt man eben? Unter dem Meer!“ Na dann.

Text: Friedrich Reip

POP THE FLOOR – WAIKIKI from Glory And Youth on Vimeo.

 

Kick-Ass-Queereeoké

Egal wie das Wetter Ende Juni sein wird, die Girls von Kick-Ass-Queereeoké schicken sich an, uns ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Jeder darf auf die große Bühne und dieses Mal bevorzugt luftig-leichte Sommersongs performen. Danny Banany, Missy Lopes, Dancing Sven und Renate Stahl denken sich nämlich für jede Queereeoké ein anderes Thema aus, ziehen den passenden Fummel dazu an und twerken für euch als Background-Häschen. Nach Lovesongs und Liedern über den Hintern bei den letzten beiden Veranstaltungen lautet das Motto dieses Mal „Keep cool am Pool on the Liegestuhl“. Die vier Macher des Karaoke-Events nehmen übrigens keinen Eintritt. Eine Spende ist dennoch gern gesehen. Die geht dann jedes Mal an einen anderen gemeinnützigen Verein, der die LGBT-Community unterstützt. Willkommen sind aber alle – außer Homophobe, Nazis oder ähnlich Zurückgebliebene. Also seid jetzt ihr dran, das Kampnagel in ein Ferienparadies zu verwandeln.

Text: Andra Wöllert

 

Krause Duo

Spontaneität ist eine gute Eigenschaft – auch beim Thema Musik. Das Krause Duo beweist das in der Villa Nova.

Google schubst seine User bei der Suche nach dem Krause Duo hartnäckig in Richtung des DUO, einem „dreirädrigen motorisierten Krankenfahrzeug für Personen mit Gehbehinderung“, das allemal das Zeug zum Hipster-Vehikel hat. Doch das nur am Rand, hier geht es natürlich um die Jenaer Carlson Basu und Metaboman, die seit mittlerweile mehr als zehn Jahren höchst erfolgreich elektronische Musik machen. Zu Hause sind sie dabei zwischen den Polen House und Techno und überlassen live vieles dem Zufall und spontanen Launen. Ganz, wie es sein soll. Bei ihrem Gig in der Villa Nova am Freitag erwartet Technojünger und Tanzwillige also quasi das Unerwartbare – und das ist uns spontanen, jungen Menschen gerade gut genug.

Text: Friedrich Reip

 

Binoculers

Binoculers machen psychedelischen Folk zum Fortträumen. Dafür laden sie zu einem realen Release-Konzert in die Astra-Stube.

„Binoculers? Das ist doch ein Schreibfehler!“, mag der Orthografie-Fuchs jetzt denken. Aber nein, keineswegs, denn die Personifizierung des englischen Wortes für Fernglas beschreibt ganz treffend das Selbstverständnis dieses musikalischen Projekts: aufmerksam, mit geöffneten Augen in die Welt schauen, dabei Dinge, die fern sind, ganz nah an sich heranholen und so Details entdecken, die anderen verborgen bleiben. 2007 als Soloprojekt der in Hamburg lebenden Sängerin und Songschreiberin Nadja Rüdebusch gestartet, ist das dritte Album Adapted To Both Shade And Sun nun erstmals eine echte Bandplatte. Zusammen mit dem Schlagzeuger Daniel Gädicke, der schon lange Teil der Liveband ist, erweitert die gebürtige Oldenburgerin ihren Klangkosmos: Der introvertierte, folklastige Minimal-Pop von Binoculers breitet seine Arme aus und wird durch den behutsamen Einsatz von Gitarre, Klavier, Schlagzeug, Synthesizer und Harmoniegesängen zu psychedelischem Dream-Pop, der unbekannte Räume und Flächen auslotet und neue Ebenen erschließt. Vier Augen sehen schließlich mehr als zwei. Und das beweisen sie bei ihrer Release-Party in der Astra-Stube.

Text: Katharina Grabowski

 

Hamburger Küchensessions

Der Beginn der Open-Air-Saison bringt Indoor-Veranstaltungen an die frische Luft: Auch die Küchensessions können da nicht widerstehen.

Sommer, Sonne, Sonnenmilch – die Hamburger Küchensessions gehen raus. Ort des Geschehens ist der Lattenplatz am Knust, Beginn ist traditionell um 18 Uhr. Eines der Highlights dieser Session-Saison ist das Doppelkonzert von Sarah & Julian und Knete. Bei Sarah und Julian handelt es sich um ein deutsch-amerikanisches Duo. Schon als Kinder lernten die Geschwister Klarinette und Trompete, später entdeckten die beiden die Autodidakten in sich und brachten sich Klavier- und Gitarrespielen bei, es folgten erste eigene Songs, die sie in Papas Heimstudio aufnahmen. Ihr gemeinsames Musikprojekt setzten sie fort, nachdem die Familie aus den USA nach Deutschland ausgewandert war. Im letzten Jahr wurde schließlich Gysbert zu Knyphausen auf Sarah & Julian aufmerksam, der sie für sein Festival engagierte. Bei den Küchensessions sind sie nun schon zum zweiten Mal zu Gast. Ebenfalls dabei sind Knete. Auch diese Herren haben bei den Küchensessions mit Songs wie Ein Pinguin auf Rädern oder Schräg und gerade bereits eine stimmige Visitenkarte abgegeben.

Text: Ingo Scheel

 

„The Breaks“

Für seine sechste Party setzt Ben Kenobi einen drauf: Besuch aus der Deichkind-Familie kommt – und bringt einen wild gefüllten Plattenkoffer mit.

Dank des regelmäßig großartigen Programms jagt im Mojo ein Highlight das nächste. Die Highlights unter den Highlights wiederum dürfen dann auch mehrmals ran. Die Reihe The Breaks ist so ein Fall. Die hat sich mittlerweile so sehr etabliert, dass sich Resident Ben Kenobi in der sechsten Ausgabe namhafte Unterstützung an die Seite holt. Die Geschwister Enno und Hayo Schauer aka Die Boys. Zahllosen Freunden des gepflegten Ausrastens dürften die Brüder schon seit geraumer Zeit vor allem durch ihre Zugehörigkeit zur Deichkind-Family bekannt sein. Bei The Breaks legen sie New School Hip-Hop auf – mit ihrem ganz eigenen Charme. Ben Kenobi bleibt seinerseits bei souligen Hip-Hop und Clubbeats. Let’s fetz!

Text: Friedrich Reip

 

„Limited Edition“

Zwischen Umsturz und Verführung: Bei der Aufführung von jungen Hamburger ChoreografInnen auf Kampnagel wird der Zuschauer Teil des Spiels.

Begrenzte Auflagen haben Sammlerwert. Diese hier kann man sich jedoch nicht ins Regal stellen: Limited Edition ist eine Aufführungsreihe, in der junge Hamburger Choreografen und Choreografinnen ihre Arbeiten vorstellen. Am Freitag und Samstag zeigen Angela Kecinski und Moritz Frischkorn ihre Werke in einem Doppelabend im K 3 – Zentrum für Choreografie auf Kampnagel. In Temptress montiert Kecinski unterschiedliche Tanzstile nach- und nebeneinander, zeigt den leidenschaftlichen Flamenco oder eine erotische Burlesque. Und während die Tänzerinnen ein intimes Spiel mit dem Publikum beginnen und es mitunter zum Voyeur machen, demontieren sie die Mittel der benutzten Stile wieder. Ihr Kollege Frischkorn hingegen schlägt in seinen Barricades and Dances einen Bogen zwischen Tanz und Revolution. Als Mittler und Emulgator dienen ihm dabei Gegenstände, die Zeugen revolutionärer Bewegungen waren – und zwischen Objekten und Tänzern entsteht ein bewegtes Miteinander.

Text: Dagmar-Ellen Fischer

 

Massenkaraoke

Singen nach Nummern: Auf der „MS Claudia“ kann sich jeder bei guten Drinks und frischer Luft die Seele aus dem Leib singen.

Jeder kennt die Typen. Bei jedem Konzert stehen sie in der ersten Reihe. Bei Motörhead schreien sie nach fünf Minuten: „Los Lemmy, Ace of Spades! Spiel es!“ Bei Lynyrd Skyynrd ist es Free Bird, bei Radiohead Creep. Und wenn es dann wirklich aus den Boxen donnert, dann brüllen sie selig jede Silbe mit. Massenkaraoke funktioniert im Großen und Ganzen genauso, mit dem Unterschied, dass es nicht der Nerd in der ersten Reihe ist, sondern das gesamte Publikum, und dass die Band sich freut, wenn die Leute die großen Hits fordern. Um die Wahrheit zu sagen: Das ist die Idee. Der Mob fordert einen Gassenhauer, und die Band liefert. Der Ablauf auf der MS Claudia ist einfach: Jeder erhält eine Liste mit Liedern, 150 an der Zahl, alle durchnummeriert. Das war’s. Danach werden Nummern geschrien, die Band legt los, und die Meute singt. Und grölt. Und schunkelt. Und ist selig. Wonach klingt das? Nach ’ner Menge Spaß.

Text: Nik Antoniadis

 

Eugen Ruge

Auf Rügen ist es auch nicht schlechter als in Mexiko: Im Literaturhaus stellt der Autor „Annäherung. Notizen aus 14 Ländern“ vor.

„Eugen Ruge spiegelt ostdeutsche Geschichte in einem Familienroman. Es gelingt ihm, die Erfahrungen von vier Generationen über fünfzig Jahre hinweg in einer dramaturgisch raffinierten Komposition zu bändigen.“ So begründete die Jury 2011 die Verleihung des Deutschen Buchpreises an Ruge, der damit für seinen ersten Roman In Zeiten des abnehmenden Lichts geehrt wurde. Lapidar fügten die Preisrichter hinzu: „Zugleich zeichnet sich sein Roman durch große Unterhaltsamkeit und einen starken Sinn für Komik aus.“ Sein neues, viel gelobtes Buch Annäherung. Notizen aus 14 Ländern geht auch auf Erlebnisse zurück, die er im Rahmen der Recherchen zu seinem autobiographischen Debüt machte, vor allem aber auf Lesereisen, die er im Anschluss daran in Russland, den USA, Mexiko und China unternahm. Im Literaturhaus stellt er dieses Werk vor, das nicht etwa politisch sei, wie er betont. Dahinter muss man wohl ein Fragezeichen setzen, denn es sind die Reisenotizen von einem, der als „ehemaliger Ostdeutscher“ (wie er selbst sich nennt) sich nun freizügig über alle Grenzen bewegen kann und dabei überall die Fußspuren des Kalten Krieges auffindet – um am Ende zu bemerken, dass es auf Rügen auch nicht so viel schlechter ist als in Mexiko.

Text: Nik Antoniadis