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Lenny Kravitz

Einmal Poser, immer Poser – aber das sei einem Kultmusiker mit über 50 verziehen. Er kommt mit seinem neuen Album nach Hamburg.

Nun ist der Kerl über 50 und turnt noch immer halbnackt durch die Nacht, zuletzt im Video zur Single The Chamber. Dabei ist öffentliches Sixpack-Zeigen mega-out. Mann trägt wieder Wampe, wabbeliger „Dadbod“ ist angesagt. Musikalisch bewegt sich der New Yorker Lenny Kravitz mit seinem aktuellen Album ebenfalls strikt antizyklisch. Strut erinnert an den Funk-Rock der 1970er und 1980er Jahre. In den USA und dem UK war er damit nur mäßig erfolgreich, hierzulande trifft der Multi-Instrumentalist dagegen noch auf offenere Ohren und stürmte orkanartig auf Platz zwei der Charts. Live ist der Womanizer, der vier Grammys auf dem Nachtschränkchen stehen hat, ohnehin seit jeher ein bei der weiblichen Kundschaft Hysterie auslösender Wirbelwind. Beweisen wird er das sicher auch in Hamburg in der Sporthalle.

 

Stage School Showcase

Einmal mit Happy End, bitte! Die Stage-School-Absolventen zeigen Highlights der Musical-Geschichte zum Jubiläum der Bühnenfachschule.

Alles hat ein Ende – und das hier ist besonders schön. Es geht um Musicals-Highlights, eine erfolgreich bestandene Ausbildung und ein 30-jähriges Jubiläum. Wie das an einem Abend sinnstiftend zusammenkommt? Die Bühnenfachschule Stage School lässt ihre Abschlussklasse zum 30-jährigen Bestehen die schönsten Szenen der Musical-Geschichte aufführen. Gesang, Tanz und Schauspielerei sind schließlich genau die Fächer, die die Absolventen bis zum Geht-nicht-mehr gepaukt haben. Und damit ist jetzt wirklich Schluss. Aber wie sich das beim Musical gehört, verabschiedet sich der Nachwuchs mit einem Feuerwerk aus Friede-Freude-Eierkuchen bzw. Tarzan, Tanz der Vampire und Sister Act. Bis zum 30. Juni kann man das Potpourri der Emotionen und Sensationen noch auf Kampnagel sehen. Und das tut hin und wieder jedem gut.

Text: Andra Wöllert

 

„Freistatt“

Perfide Erziehungsmethoden in einer christlichen Diakonie: Regisseur Marc Brummund stellt im Abaton seinen neuen Film vor.

Alles beginnt harmlos in Freistatt: Ein stattliches Haus im Grünen, davor befindet sich ein kleines Gärtchen, in dem ein freundlich wirkender Mann mittleren Alters, der Heimleiter Brockmann (Alexander Held), Unkraut jätet. Doch der erste Eindruck, den der 14-jährige Wolfgang (Louis Hofmann) von dem Ort hat, täuscht.

Freistatt bedeutet harte Arbeit und willkürliche, brutale Erziehungsmaßnahmen. Schlimmster Missbrauch geschieht in Freistatt ganz offenkundig. Kontrastierend zur harten Realität wunderschöne Bilder: fliegende Vögel über dem weiten Marschland, die Tochter des Heimleiters auf ihrem roten Fahrrad, Erinnerungen an unbeschwerte Tage am Meer.

Der in Hamburg lebende Regisseur Marc Brummund weist mit seinem Film auf das Schicksal von Hunderttausenden Heimkindern hin, die in den 50er und 60er Jahren in kirchlichen und staatlichen Heimen der Bundesrepublik seelisch und körperlich schwer misshandelt worden sind. Darunter die Diakonie Freistatt, die bis in die 70er Jahre hinein als eine der härtesten Einrichtungen der Jugendfürsorge galt.

Freistatt feiert am Montag Premiere im Abaton. Brummund kommt mit den Schauspielern Louis Hofmann und Langston Uibel zum Gespräch.

Text: Katharina Manzke

 

„Honka“

Mordsspektakel: Das Lichthof Theater inszeniert die Geschichte des Frauenmörders als makabre und sehr komische Heimatoperette.

Die Wahrheit ist ja oft schon schlimm genug. Aber vermengt mit sensationslüsternen Fehlinformationen, haltlosen Spekulationen und widersprüchlichem Halbwissen kann sie auf eine absurde Weise komisch werden. Dieses Prinzip verfolgen Eva Engelbach und Marcel Weinand mit Honka, indem sie die wahre Geschichte des Hamburger Frauenmörders mit zeitgenössischen medialen Fantastereien und Legenden zu einer rein spekulativen, reißerischen – und höchst unterhaltsamen Heimatoperette vermischen. Der kleine, unscheinbare Nachtwächter aus Altona war 1975 überführt worden, nachdem Feuerwehrleute aufgrund eines Brandes in seiner Dachwohnung in Ottensen die verwesenden Überreste mehrerer ermordeter Prostituierter gefunden hatten. Daraus macht das Lichthof Theater „ein Mordsspektakel“, eine Mischung aus Reality TV, True Crime Thriller und volkstümlichem Musical, in der der schamlose öffentliche und mediale Voyeurismus nicht nur angeprangert, sondern gleichzeitig auch befriedigt wird.

Text: Nik Antoniadis

HONKA – Frauenmörder von Altona from Fritz Honka on Vimeo.

 

„Goot gegen Noordwind“

Liebe mit Tippfehlern: Das Ohnsorg Theater zeigt die Bühnenfassung von Daniel Glattauers internationalem Bestseller.

Eine Verwechslung verändert ihr Leben: Wegen eines Tippfehlers kommt eine E-Mail von Emmi Rothner versehentlich bei Leo Leike an. Das Missverständnis löst sich nicht umgehend auf, und so fangen sie an, sich regelmäßig zu schreiben. Bald knistert es gewaltig zwischen den beiden. Der Haken: Emmi ist eigentlich mehr oder weniger glücklich verheiratet und Leo knabbert noch an der schmerzhaften Trennung von seiner Verflossenen. Ob es den beiden gelingt, aus ihrer digitalen Freundschaft eine analoge Beziehung im richtigen Leben zu machen, ist schließlich die Frage. Andrea Udl, die bereits Lütt Aant – Ente, Tod und Tulpe im Ohnsorg Studio inszenierte, führt nun Regie bei der humorvollen und gleichzeitig romantischen Theaterfassung Goot gegen Noordwind, die auf dem erfolgreichen Roman von Daniel Glattauer basiert.

Text: Natalia Sadovnik

 

Ancst, Saligia, Cloud Rat

In der Roten Flora teilen sich drei Veteranen des ungeschminkten, dreckigen Hardcore einen Abend lang die Bühne.

Wenn die Jungs von Ancst in der Roten Flora ihre Gitarren auspacken, klingt das ungefähr so wie ein Gespräch zwischen Bauarbeitern, die sich unterhalten, ohne ihre Presslufthämmer auszustellen. Saligia wären erste Wahl, um aus dem Texas Chain Saw Massacre eine Rockoper zu machen, und Cloud Rat versetzen jeden Schallpegelmesser in einen Zustand akustischer Höhenangst. Nicht missverstehen: Das musikalische Herz der drei Bands aus Berlin, NRW und Michigan schlägt am rechten Fleck, auch wenn ihre Setlists nicht unbedingt bedingungslos pazifistisch sind, auch nicht durchgehend lebensbejahend. Aber das hier ist kein Schnupperkurs, sondern nur etwas für hartgesottene Metal-Veteranen. Das ist Grindcore Punk, Black Metal, Screamo und noch einiges anderes, dessen Namen allein die Adepten des dunklen, dreckigen und ungeschminkten Hardcore kennen. Oder weiß sonst jemand, was Blackened Crust für ein Genre ist? Oder Emoviolence? Wenn ihr’s nicht schon wisst, werdet ihr es in der Roten Flora rauskriegen.

Text: Nik Antoniadis

 

Photography Playground

Spielplatz für Freunde der Fotografie: Am Oberhafen findet die zweite Auflage des erfolgreichen Olympus-Events statt.

„Ein interaktiver Spielplatz“, so bezeichnen die Veranstalter den Olympus Photography Playground, der im vergangenen Jahr in Deutschland, Österreich und den Niederlanden knapp 140.000 Fotografie-interessierte Besucher angezogen hat. In diesem Jahr findet das Event im Rahmen der Triennale der Photographie erneut in Hamburg statt, im Oberhafenquartier, bevor es weiter auf Städtereise geht. Auf dem Programm stehen bis zum 28.6. täglich ab 11 Uhr Ausstellungen, Installationen, Diashows und Kinovorführungen. Am 21.6. wird außerdem um 20 Uhr die aktuelle Stuttgarter Tatort-Folge Der Inder gezeigt, in der es – passend zur Location am Oberhafen, den früheren Hallen der Deutschen Bahn – um ein millionenschweres Bauprojekt namens Gleisdreieck geht, in dessen Umfeld es zu einem Mord an einem Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums kommt.

Text: Nik Antoniadis

 

CVT-Abschlusskonzert

Üben, üben, üben: Im Birdland zeigen 16 Vokalisten, was sie in einem intensiven Jahr Gesangstraining gelernt haben.

Schon die Muppets wussten es. „Wie komme ich am schnellsten in die Carnegie Hall?“, fragte seinerzeit ein ortsfremder Muppet. Die Antwort der knubbelnasigen Jungs an der Straße: „Üben, üben, üben!“ Zu den verfeinerten Formen des musikalischen Trainings gehört eine Technik, die in Kopenhagen entwickelt wurde und sich ganz unbescheiden Complete Vocal Technique (kurz: CVT) nennt. Die Methode, die inzwischen auch in Hamburg unterrichtet wird, soll Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit geben, auf der Bühne freier zu agieren, weil sie mehr Sicherheit in der Stimme gewinnen und auf ein größeres Ausdrucksspektrum zurückgreifen können. Deshalb steht neben der Gesangstechnik auch die Live-Performance im Vordergrund des CTV-Intensivjahres. Man kann sich also auf einiges gefasst machen, wenn im Birdland 16 Vokalisten aus den unterschiedlichsten Genres, von Pop über Singer-Songwriting bis Jazz, zeigen, was sie in einem Jahr bei Workshops, Masterclasses, Solo-Lessons und internen Konzerten gelernt haben.

Text: Nik Antoniadis

 

Seesäcke & Koffer

„Wann die Winde heimwärts wehn“: Nele Gülck lässt in der Galerie Genscher vergessenes Gepäck die Geschichte ihrer früheren Besitzer erzählen.

Seemanns Braut ist die See. Und wer ihr treu bleibt, den weht das Geschick schnell wieder fort – es kommt vor, dass er gar nicht zurückkehrt. Das Depot der Seemannsmission in Hamburg ist voll mit Taschen, Koffern und Kisten, die eingelagert, aber nie abgeholt worden. Alles, was man über ihre Besitzer weiß, ist das, was sie zurückgelassen haben. Ein vergilbtes Foto, ein Pullover, eine Postkarte aus Kiribati. Nele Gülck hat diese herrenlosen Habseligkeiten fotografisch festgehalten, bevor sie versteigert wurden. Was auf den ersten Blick wie eine kühle Dokumentation aussieht, entpuppt sich schnell als sorgfältige Inszenierung. Herausgelöst aus jedem Kontext, sachlich eingerahmt von weißem Raum, beginnen die Objekte plötzlich zu sprechen. Sie erzählen Schnipsel von Geschichten, Streiflichter über die Vergangenheit ihrer Besitzer, kleine, zusammenhanglose Episoden, die dazu verleiten, die blinden Stellen dieser unbekannten Leben mit der eigenen Fantasie aufzufüllen.

Zur Vernissage in der Galerie Genscher gibt’s auch was für die Ohren: The Hairy Cowboy vom Soundsystem Sutsche bringt zwar nicht das Meer zum Rauschen, aber das Vinyl zum Knistern.

Text: Nik Antoniadis

 

Benjamin Maack

Literatur für Couchpotatoes: Der Hamburger Autor lädt mit Berufskollegin Monique Schwitter zur Lesung in ein Hamburger Wohnzimmer.

Für alle, die das heimische Sofa den mäßig bequemen Stuhlreihen in Literaturhäusern und Theatersälen vorziehen, hat die Altonale das richtige Alternativprogramm: die Wohnzimmerlesung. Die beiden Hamburger Schriftsteller Maack und Schwitter kommen zu Besuch und geben eine abendfüllende Schriftprobe. Monique Schwitter, die durch ihr preisgekröntes Debüt Wenn’s schneit beim Krokodil als Erzählerin einiges Aufsehen erregte, schlägt auf der Couch ihr neues, im Herbst erscheinendes Buch Eins im Andern auf, eine „Liebesbiographie mit zwölf Männern“. Neben ihr nimmt Benjamin Maack Platz, der sein literarisches Handwerk sozusagen von der Pike auf lernte, im Wettbewerb der deutschen Poetry-Slam-Arenen geschliffen und in Literaturveranstaltungen weiter verfeinert hat. Mit Mitte 20 legte er seinen ersten Gedichtband Du bist es nicht, Coca Cola ist es heraus; es folgten Erzählungen in Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland und der Roman Monster. Was er im Wohnzimmer liest, erfährt man erst, wenn man dort ist. Und wie man dort hinkommt, erfährt man erst, wenn man sich unter reservierung@altonale.de anmeldet.

Text: Nik Antoniadis