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Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

Weihnachtsmarkt, Kerzenschein und Plätzchenduft – das gehört zur Adventszeit einfach dazu. Dann gibt es aber noch etwas, das einfach nicht fehlen darf, damit weihnachtliche Stimmung aufkommt: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Der 1973 in der damaligen ČSSR/DDR entstandene Märchenfilm basiert auf der tschechischen Variante der bekannten Geschichte – zur Cinderella-Story gesellen sich hier noch drei Haselnüsse, die das bescheidene Aschenbrödel von ihrem Vater geschenkt bekommt. Darin enthalten sind leuchtende Kleider, mit denen das Mädchen das Herz des Prinzen gewinnt. Sie sträubt sich aber mit ihm zu reden. Der Prinz wendet deshalb eine List an und hier kommt der Cinderella-Schuh wieder ins Spiel. Herrlich kitschig, wunderbar magisch und mit bezauberndem Ost-Charme. Gezeigt wird am Samstag und Sonntag im Savoy die deutsche Fassung.

Text: Mirko Schneider

 

Locas In Love

Melancholischen Indie-Pop mit deutschen Texten gibt es wie Sand am Meer. Guten melancholischen Indie-Pop mit cleveren deutschen Texten nicht so oft. Der von Locas in Love ist so eine angenehme Seltenheit, weil er so unaufdringlich und berührend ist. Vor neun Monaten erst veröffentlichte die Kölner Band nach längerer Funkstille ein Doppelalbum – das zumindest dem Titel Use Your Illusion 3 & 4 zufolge die Fortsetzung von Guns N‘ Roses mit anderen Mitteln ist. Damit die wachsende Fangemeinde nicht wieder Monate warten muss, haben die Locas deshalb in aller Heimlichkeit schnell ein weiteres Album produziert, Kalender, eigentlich weniger ein klassisches Album und mehr ein Hybrid aus Longplayer und Wandkalender, der für jeden Monat einen Song und ein Motiv bereithält. Beides präsentieren sie mit besonderen Gästen im Kleinen Donner in der 73 am Schulterblatt.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Schnipo Schranke

Friederike Ernst und Daniela Reis nennen sich zusammen wie das bekannte Imbissbuden-Essen, machen jedoch Musik, die es so noch nicht gab, speziell wenn es um Texte geht! Schnipo Schrankes Lieblingsthemen: alles rund ums Untenrum. Urin, Sperma, Epilieren – die Geschichten von Ernst und Reis sind gänzlich ungeniert und dabei ziemlich lustig, weil sie meistens als Liebeslieder verpackt werden. Reis erklärt das mal: „Es ist doch so, privat unterhält sich jeder in einer ähnlichen Sprache, wie wir sie für unsere Songtexte benutzen – und es findet niemand seltsam.“ Genauso echt und ehrlich sollte es doch auch in der Musik zugehen, meint Reis. Gepaart mit feinem, melodiösem Indie-Pop ergibt das zumindest im Fall von Schnipo Schranke einen sehr unterhaltsamen Mix, live serviert im Uebel & Gefährlich.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Zehn Jahre Supdub Records!

Auf irgendwas kann man ja immer anstoßen, aber manche Anlässe sind eben doch nicht „irgendwas“: Die Berliner Minimalisten von Supdup Records feiern angemessen stolz ihr Zehnjähriges und bitten daher zum Tanz im Fundbureau, einst Setting ihres ersten Flirts mit Hamburg. Die maximale Minimal-Musik zum gemeinsamen Schunkeln kommt von Labelchef und Gründungsvater Alfred Heinrichs, flankiert von seinen Kollegen Jens Lewandowski und Carlo Ruetz sowie einer Batterie lokaler Hamburger Helden, namentlich Jacob Groening, Rich vom Dorf und Surreal. Eine ganz amtliche Liste von Gästen also, die zu dieser Geburtstagsfeier geladen sind. Sollte man nicht verpassen – zumal ganz vorweihnachtlich und geburtstaglich auch Topfschlagen und Wunderkerzen auf dem Programm stehen.

Text: Friedrich Reip

 

„Die Hard“

Ein New Yorker Polizist fliegt zu Weihnachten nach Los Angeles. Er möchte mit seiner Familie die Feiertage verbringen. Seine Frau wohnt aus beruflichen Gründen seit einem halben Jahr in der Stadt der Engel. Auf der Weihnachtsfeier ihrer Firma sehen sie sich endlich wieder. Doch bewaffnete Gangster stürmen das Bürogebäude und nehmen die Partygäste als Geiseln. Nur dem Polizisten gelingt es, sich zu verstecken. Und plötzlich kann nur er das Leben seiner Frau und der anderen retten.

Dieser Plot kommt euch bekannt vor? Das könnte daran liegen, dass ihr den Film schon gesehen habt, wahrscheinlich mehrmals. Die neuen Teile auch. John McClane heißt besagter Polizist (gespielt von Bruce Willis) und der Film Die Hard – zu Deutsch: Stirb Langsam. Er gehört zu den Filmen, die sich nicht ausrangieren lassen, die mittlerweile Kultstatus erreicht haben. Und genau solche Klassiker zeigt das Savoy Kino in seiner Reihe Film Club. Am Donnerstag ist der Willis-Streifen dran. Natürlich in der Originalversion.

Text: Andra Wöllert

 

„Le Nozze di Figaro“

Es ist ein frischer Wind, der über die Bühne der Staatsoper fegt – und zwar von der ersten Note von Mozarts Verwechslungsoper Le Nozze di Figaro an. Handschriftliche Notenblätter werden zur Ouvertüre medial projiziert, die Noten beginnen als Trickfilm lebendig zu werden, sich zu einem Schwarm galoppierender Spermien zu formieren – ein ironischer Wink auf die erotischen Wirrungen, die in den nächsten drei Stunden folgen. Da funkelt ein Figaro auf der Hamburger Bühne, der alles Verquaste der komischen Oper abgeworfen hat. Als Bühnenbild ein Käfig aus Notenblättern, bei dem sich immer mal Luken öffnen – ganz gemäß der Handlung: Der lüsterne Graf Almaviva trachtet stets danach, eine Nacht mit Figaros Braut Susanna zu verbringen. Die feudalen Verführungs- und Machtgelüste des Grafen brechen durch die dunklen Löcher – bis der Notenkäfig als Skelett menschlicher Leidenschaft völlig freigelegt ist. Der norwegische Regisseur Stefan Herheim gibt hier sein Debüt und entblößt das universelle Begehren und die Urseele in Mozarts Oper, der Graf steht am Schluss als lächerlicher Liebesbettler da.

Text: Stefanie Maeck

 

„Blacktape“

Eine Dokumentation über die Ursprünge des deutschen Hip-Hop? Klingt wie ein bürgerliches Kulturprojekt, ist es aber nicht. Regisseur Sékou Neblett, früher in der Formation Freundeskreis aktiv, bedient in Blacktape nur in den ersten zehn Minuten die Erwartungshaltung des an akademischer Diskussion interessierten Publikums: Thomas D, die Stieber Twins und Co äußern sich, durchaus interessant, zur Geschichte des deutschsprachigen Hip-Hops. Dann mutiert der Film zu einer Schnitzeljagd mit Thrillerelementen nach dem wahren Ursprung des Hip-Hops: Neblett, Hip-Hop-Connaisseur Falk Schacht und der legendäre Talentscout Marcus Staiger machen sich auf die Suche nach dem Absender eines mysteriösen Tapes, einem gewissen Tigon. Ein ungewöhnlicher Dokustil, der aber funktioniert. Neblett hält sich zurück, er zeigt die Konflikte zwischen dem Detektivtrio, bewertet möglichst selten. Darin liegt die Stärke seines Films, welcher gekrönt wird von einem cleveren Schluss, wenn dem Publikum mit einem ironischen Augenzwinkern Tigon serviert wird.

Text: Mirko Schneider

 

Srebrenica

Das Massaker von Srebrenica 1995 gilt als das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als 8.000 Männer zwischen 13 und 78 Jahren wurden innerhalb von fünf Tagen ermordet – obwohl die Stadt zu dem Zeitpunkt UN-Schutzzone war. Genau 20 Jahre später begeben sich der in Zagreb geborene Reportagefotograf Armin Smailovic und der aus Bosnien stammende Regisseur Branko Šimić auf Spurensuche. Mittels Tausender Fotografien und von Smailovic geführten Interviews entwerfen die beiden das dokumentarische Theaterprojekt Srebrenica – I counted my remaining life in seconds… mit Blick auf Opfer, Täter und Zuschauer, basierend auf drei Biografien: ein Überlebender des Völkermords, ein zu der Zeit in Srebrenica stationierter UN-Soldat und ein Soldat der bosnisch-serbischen Kommandoeinheit, der heute mit einer neuen Identität lebt. Die Aufarbeitung des systematisch durchgeführten Völkermords während des Bosnienkrieges wandelt zwischen Berichterstattung, persönlichem Schicksal und politischer Metaebene und versucht die Dimension dieser Grausamkeit zu erfassen. Im Thalia Gaußstraße feiert das Stück am Donnerstag Premiere.

Text: Hedda Bültmann

 

Ohrbooten

Von der Fußgängerzone zum Plattenvertrag beim Majorlabel: Was in Zeiten von Bandcamp, Soundcloud und 15-minütigem Internetruhm wie ein Popmärchen aus längst vergangenen Tagen klingt, haben die Ohrbooten aus Berlin hautnah erlebt. 2003 als Straßenband gestartet, hat die vierköpfige Band um Sänger Benjamin Pavlidis schnell gemerkt, dass ihre Fusion aus Reggae, Ska und Hip-Hop, Electrobeats und Berliner Schnauze, die sie selbst als Gyp-Hop bezeichnen, bei den Passanten auf viel Zuspruch gestoßen ist. Der Ehrgeiz war geweckt und die Jungs verschickten fleißig Demotapes. Eines fiel einer gewissen Band namens Die Toten Hosen in die Hände, auf deren Label JKP die Ohrbooten im Jahr 2005 ihr erstes Album Spieltrieb veröffentlichen konnten. Als dann irgendwann auch der Branchenriese Warner anklopfte, war die Tellerwäscherstory perfekt. Nach einer kurzen Krise und einem Besetzungswechsel hat die ehemalige Straßenband im Frühjahr ihr neues Album Tanz mal drüber nach veröffentlicht – und stellt es live im Gruenspan vor.

Text: Katharina Grabowski

 

Jugendstil: Die große Utopie

Weil der Gründungsdirektor des MKG, Justus Brinckmann, auf der Pariser Weltausstellung von 1900 wahre Großeinkäufe tätigte und sich Extravaganzen leistete, wie etwa einen Teil eines Hotel-Speisesaals von Nizza nach Hamburg bringen zu lassen, besitzt das Museum heute eine wirklich bedeutende Jugendstilsammlung. Jetzt wurde sie neu ausgerichtet – und als Entrée führt die kleine, feine Schau Die große Utopie ganz neu in diese Epoche ein.

Jenseits von Ornamentik und elfenhafter Romantik zeigen die Kuratorinnen Claudia Banz und Leonie Beiersdorf, wie der Jugendstil von gesellschaftlichen Utopien geprägt war – und wie ungeheuer frisch und zeitgemäß man ihn präsentieren kann. In verschiedenen Filmen schuften im flirrenden Schwarzweiß Erwachsene und Kinder in Fabriken, in anderen tollen junge Nackte durch die Natur. Der Jugendstil zeigt sich hier vor allem als Reformbewegung gegen die Industrialisierung, die dem geknechteten Menschen den befreiten Körper entgegensetzte, ein Zurück zur Natur propagierte und Handwerk statt industriell gefertigter Massenware.

Sie lehnten sich gegen den Kapitalismus auf – und strandeten in der Elite. Die Einzelstücke die sie herstellten konnten sich nur die Privilegierten leisten. Dieses Paradox ist so spannend und konzentriert präsentiert – und kommt einem doch ganz aktuell vor, oder?