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„Gertrud“

Entweder Liebe oder Kunst: Das Stück des schwedischen Dramatikers Hjalmar Söderberg feiert seine Premiere im Thalia in der Gaußstraße.

Das selten gespielte Stück des schwedischen Dramatikers Hjalmar Söderberg stellt seine Titelfigur zwischen drei Männer: Die Sängerin Gertrud begehrt und wird begehrt, ihr Ehemann, ein ehemaliger Liebhaber und eine Affäre sind ihr mehr und minder zugetan. Keine dieser Paarungen verspricht Glück: Söderberg verspürte zur Zeit der Niederschrift seines Dramas tiefen Liebeskummer, da er vom Verhältnis seiner Geliebten zu einem jüngeren Literaten erfahren hatte – darum gönnt er wohl auch seinen handelnden Personen wenig Grund zur Freude. Die Geschichte aus dem frühen 20. Jahrhundert setzt noch auf alte Widersprüche, die sich so auch etwa bei Tschechows unglücklichen Paaren finden: Die Kunst und die Liebe sind unvereinbar, für eines muss man sich schon entscheiden. Auch Gertrud findet nur einen Kompromiss: Zwar bleibt die Liebe unerfüllt und das Künstlerdasein mittelmäßig, dafür lebt sie ihr Leben selbstbestimmt. Die Premiere am 6. Dezember ist bereits ausverkauft – es gibt aber noch Tickets für den folgenden Tag.

Text: Michael Weiland

 

Cine High Heels

Die Hamburger Künstlerin Mariola Brillowska präsentiert eine Auswahl von unkonventionellen und abwechslungsreichen Kurzfilmen.

Studentenfilme können quälend sein. Das weiß Mariola Brillowska aus eigener Erfahrung. Die in ihrem neuen Showroom Cine High Heels ausgestellten sind es nicht. Dafür garantiert Brillowska, die als Professorin in Offenbach lehrt. Sie hat ein gutes Dutzend abwechslungsreichster Kurzfilmpreziosen zusammengetragen, die sie gemeinsam mit ihrem Performance- und Radiokollegen Günter Reznicek aka Nova Huta im Kino live präsentiert. Zu den aufgeführten Filmen zählen unter anderem Lightning Strikes von Sönke Held und Felix Kubin, Der Investor von Timo Schierhorn, Katharina Duve und Ted Gaier, Ich fahre mit dem Fahrrad von Michel Klöfkorn und Der Türgeist, den Brillowska selbst im letzten Jahr produzierte. Die meisten dieser Filme sind dem Hamburger Publikum bisher verborgen geblieben. Langeweile kommt da gar nicht erst auf!

TÜRGEIST / GENIE IN THE DOOR from Mariola Brillowska on Vimeo.

 

EcoFavela

Bei der Soliparty für die Unterbringung von sechs Lampedusa-Flüchtlingen legen diverse DJs auf – unter anderem Viktor Marek und DJ Booty Carell.

Statt Abriss erfolgt der Einzug. Über den Winter wird ein hölzerner Nachbau der Roten Flora zum Quartier für sechs Lampedusa-Flüchtlinge. Im Sommer errichtete die Hamburger Künstlergruppe Baltic Raw im Rahmen des internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel als zusätzlichen Spielort eine hölzerne Nachbildung der Roten Flora. Eigentlich hätte diese zum Winter nun wieder demontiert werden sollen. Doch kam den Initiatoren angesichts der kalten Jahreszeit eine bessere Idee: Statt Abriss folgt der Ausbau – die Außenwände werden so isoliert, dass der Unterschlupf winterfest ist und sechs Lampedusa-Flüchtlingen bis Mai 2015 als Winterquartier dienen kann. Die Baukosten für das Projekt werden über Crowdfunding sowie Spenden gesammelt – beispielsweise im Rahmen einer Soliparty. Gefeiert wird am 6. Dezember im Flora-Original am Schulterblatt. Pünktlich zum Nikolaus servieren die Rotfloristen zur Unterstützung des Projekts Sounds von Viktor Marek und Ashraf Sharif Khan, DJ Booty Carell, Beykin und DJ Momo.

 

„Das letzte Testament“

Männerrollen und Messiasbotschaften: Der Hamburger Autor und Darsteller Niklas Leifert begibt sich auf hochpolitisches Terrain.

In unserer Gesellschaft wurde Religion scheinbar vom Glauben an die Wissenschaft und den technologischen Fortschritt abgelöst. Andererseits begegnen wir immer wieder religiösem Fanatismus, der mittelalterlich anmutet. In diesem Spannungsfeld steht das Stück Das letzte Testament. In der circa einstündigen Solo-Performance wartet ein Vater auf die Geburt seines Sohnes. Das Warten entwickelt sich im Laufe des Stücks zu einem Symbol für die ganze Gesellschaft – mit einer Messias-Figur im Mittelpunkt. Gleichzeitig Autor und Schauspieler, wagt sich der in Hamburg geborene Niklas Leifert auf hochpolitisches Terrain. Ernste Themen werden zum Teil auch humorvoll verhandelt: der Wunsch, Vater zu werden, die Suche nach einer zeitgemäßen Männerrolle, aber auch die Frage, wie das nächste Kapitel der Menschheitsgeschichte aussehen könnte.

Text: Natalia Sadovnik

 

Sky Walking

Die „electronic supergroup“, bestehend aus Richard von der Schulenburg, Peter M. Kersten und Christian Naujoks, lädt zur Impro-Session ins Golem.

Fünf Jahre lang haben sich die Hamburger Musiker Richard von der Schulenburg (Die Sterne, 440Hz Trio), Peter M. Kersten (alias Lawrence) und Christian Naujoks regelmäßig zum freien Improvisieren getroffen. Zum Instrumentarium gehörten dabei Klavier, Vibraphon, Synthies und eine ausrangierte Steel Drum. Das Beste aus diesen zwanglosen Impro-Sessions, die ursprünglich gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren, ist kürzlich als CD erschienen – das Kollektiv nennt sich Sky Walking. Es präsentiert live am 5. Dezember im Golem seine Stücke. Der Abend beginnt mit einer Impro-Session des Trios, das sich in mehreren Rezensionen bereits als „electronic supergroup“ betitelt sieht. Danach begeben sich die Musiker hinters DJ-Pult, um in Begleitung von befreundeten Künstlern mit sicherer Hand und einer geschmackssicheren Plattenauswahl durch die Nacht zu führen.

 

Haus der Photographie

Ausstellung, Party, Vortrag: Der Freundeskreis des Hauses der Photographie feiert Jubiläum und lädt zu einer zweitägigen Veranstaltung in die Deichtorhallen.

Seit 20 Jahren besteht der Verein mit dem Ziel, das Medium Fotografie im Dialog mit den anderen Genres der zeitgenössischen Kunst zu fördern. Das Jubiläum des Freundeskreises ist ein Anlass, der nicht nur die Mitglieder im Angesicht der nun schon lange währenden gemeinsamen Tätigkeiten rund um den südlichen Teil der Deichtorhallen erfreuen dürfte – auch all jene, die Ausstellungen im Haus aktiv oder passiv genossen haben möchten mitfeiern. Denn spätestens hier ähneln sich Menschen und Kulturorte unabstreitbar: Gibt es niemanden, der einem fördernd und fordernd zur Seite steht, können auch kleine Hindernisse schnell mal unüberwindbar werden. Zum runden Geburtstag verliert man die gemeinsame Absicht, der fotografischen Kunst eine Plattform zu bieten, nicht aus dem Auge – so wird im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung am 5. Dezember der BestPortofolio-Preis verliehen (hier anmelden) und Fotograf Martin Kollar hält einen (bereits ausgebuchten) Vortrag. Am Samstag findet schließlich ein (ebenfalls ausgebuchtes) Symposium zur Zukunft der Fotografie statt. Unter anderem sind hier Marcel Feil, künstlerischer Leiter des Foam Fotografiemuseums in Amsterdam, Fotojournalist Michael Hauri und Fotografin Christina de Middel zu Gast.

 

„Zeit zu leben“

Sachlich und mit viel Taktgefühl: Sina Aaron Moslehis Dokumentation über drei Hospiz-Gäste ist von berührender Intensität.

„Sachlich und mit viel Taktgefühl. Hier wird ein existentielles Thema ohne Pathos behandelt“, urteilte die taz. Und die Redaktion von Hinz&Kunzt bezeichnete Zeit zu leben als „sehr sehr menschlichen Film“. Der 19-jährige (!) Filmemacher Sina Aaron Moslehi (Foto) portraitiert in seinem Dokumentarfilm drei Gäste eines Hospizes in Hamburg, unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Geschichten. Sie sprechen über ihre Erwartungen, Hoffnungen und Ängste und geben so Einblick in die kostbare letzte Phase ihres Lebens. Auch wie Angehörige und Pflegende mit den Herausforderungen dieser Zeit umgehen, zeigt der Filmemacher in Bildern berührender Intensität und Ruhe. Der Film bricht mit Klischees über das Hospiz – dies ist nicht nur ein Ort des Sterbens, sondern auch des intensiven Lebens, der für Selbstbestimmung, Fürsorge und Würde zum Lebensende steht.

 

HipHop Academy

Im „Problemstadtteil“ Billstedt trainieren Jugendliche in einem Kulturzentrum ihre Skills. Das Finale der Saison ist ihre Streetstyle-Show auf Kampnagel.

In Billstedt ist die Armut groß und die Chance auf Bildung klein. Kriminalität und Salafismus bestimmen immer wieder die Schlagzeilen. Genau hier, in einem ehemaligen Wasserwerk, errichtete Dörte Inselmann ihren Kultur Palast Hamburg. Die Intendantin kämpft im Stadtteilzentrum mit Subkultur und Herzblut für gesellschaftliche Teilhabe. Projekte wie die HipHop Academy sprechen jene coolen Kids an, die sonst kiffend vorm Einkaufszentrum die Zeit totschlagen würden. Seit 2007 fördern Trainer in Sparten wie Breakdance, Graffiti oder Beatboxing die Talente von Jugendlichen zwischen 13 und 25 Jahren. Die Teilnahme ist kostenlos. Wer es ins Ensemble schafft, kann seinen Lebensunterhalt als Künstler verdienen. 550 Jugendliche diverser Nationen nehmen aktuell teil. Sie rappen über ihren Stadtteil, tanzen sich den Frust aus der Seele und werden wahrgenommen. Die Produktionen touren durch ganz Deutschland. Jährliches Highlight ist die Gala der HipHop Academy. Auf Kampnagel zeigen knapp 100 Künstler am 5. und 6. Dezember ihr Können in sieben Kunstsparten und Elementen der HipHop-Kultur. Internationale Gäste und die Hausband der Talentschmiede Academy Allstars sind Teil der Show.

Text: Lena Frommeyer

 

Designpreis

Funktionsforschung, Recycling, Experiment: Zwölf Design-Projekte von HFBK-Studenten sind bis zum 4. Januar 2015 im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.

Kleingärten gelten ja schon lange nicht mehr als spießig. Aber die Lauben, die im Allgemeinen im Baumarkt angeboten werden, haben das wohl noch nicht mitbekommen. Deshalb haben Charlotte Dieckmann und Daniel Pietschmann eine zeitgemäße Version erdacht und konstruiert: Ein Häuschen aus Europaletten – nachhaltig, weil die Paletten abbau- und wiederverwendbar sind bzw. zurückgegeben werden können; und minimalistisch, weil die Paletten als Türen, Boden, Dach, Fassade und Möbel dienen. Zudem ist das Ganze auch noch schön luftig und hübsch. Das flexible Gartenhaus, das Dieckmann und Pietschmann für eine Parzelle am Holstenkamp entworfen haben, ist eines von zwölf Design-Projekten von HFBK-Studenten, die für den Designpreis der Leinemann-Stiftung für Bildung und Kunst nominiert sind. Alle Teilnehmenden gingen der Frage nach, wie Design zur Gestaltung der Zukunft beitragen kann. Das vielfältige Spektrum der Arbeiten umfasst Material- und Funktionsforschungen, innovative Recycling-Ideen und experimentelle Studien für neue öffentliche Raumnutzungen. Im Museum für Kunst und Gewerbe sind die Projekte als inspirierender Rundgang ausgestellt. Eröffnung und Verleihung des HFBK-Designpreis ist am 4. Dezember.

Text: Julia Braune

 

Außer Rand und Band

Unter dem Motto „Sturmfrei“ zeigt die Fabrik der Künste bis zum 8. Dezember die Arbeiten von zügellosen Illustratoren.

„Ich hab am Wochenende sturmfrei!“ In Teenager-Jahren bedeutete dieser Satz: Alles ist möglich. Ohne Eltern, ohne Aufsicht, ohne Verluste (vollgekotzte Teppiche nicht mitgezählt …). Nicht ganz so pubertäre Auswirkungen hatte das Ausstellungsmotto Sturmfrei auf die acht Hamburger Illustratorinnen, die im Dezember in die Fabrik der Künste laden. Trotzdem waren sie ganz außer Rand und Band und befreiten sich von ihren alltäglichen beruflichen Restriktionen: Gemeinsam mit sieben Gast-Illustratoren überwinden sie die Grenzen von Papier und Leinwand, malen kleine Geschichten, Figuren, Formen und Muster in Schubladen, auf Stühle, unter Tische und an Zimmerdecken. Die raumgreifenden Illustrationen in Schwarz-Weiß machen die Ausstellung so zu einem begehbaren Abenteuerland. Das passiert also, wenn Illustratoren sturmfrei haben…

Text: Julia Braune