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Rakede

Vom YouTube-One-Hit-Wonder zum Major-Act: Das 2006 gegründete Quartett aus Hamburg, Berlin und Köln ist zu Gast im Uebel & Gefährlich.

Knapp zwei Millionen Mal wurde ihr 2013er Tischkonzert, bei dem die Hamburg-/Köln-/Berlin-Formation Rakede um einen Küchentisch sitzt und mit leeren Bierflaschen und Kugelschreibern bewaffnet ihren Song Bitte Bitte performt, mittlerweile bei YouTube angeklickt. Die Reaktion der Jungs fiel dementsprechend aus: „WTF – 400.000 Views über Nacht – wir sind ein One-Hit-Wonder“, so die überschwängliche Freude der sechs Ende 2013 auf Facebook – und da ahnten sie ja noch nicht mal was von den weiteren knapp 1,5 Millionen Klicks. Als Belohnung winkte prompt ein Deal beim Major Warner Music, über den sie nun auch ihr nach sich selbst benanntes Debütalbum veröffentlichen. Und das hat es ganz schön in sich: Sämtliche Bandmitglieder sind nach Triebwerken durchnummeriert. Druck und Schub werden da zur Selbstverständlichkeit in den Songs. Mit mächtig Kawumms unter der Haube steuern sie ihre zappelnde Rakede durch ein elektronisches Meteoriten-Klangfeld. Das Ziel: Die Planeten „Dancehall“, „Pop“ und „HipHop“. Jan Delay wusste schon, wovon er redet, als er sagte: „Wow! Diese Rakede geht ab!“

 

Abgedreht

Unter dem Motto „Filme gehören auf die Leinwand!“ zeigt das Metropolis Kino vom 10. bis zum 12. Dezember Kurzwerke von Hamburger Nachwuchsfilmern.

Für die mittlerweile 26. Ausgabe des Hamburger Nachwuchsfestivals haben sich die Kuratoren durch knapp 200 Einsendungen gewühlt, die 62 besten sind im Dezember im Kommunalen Kino zu sehen. „Filme gehören auf die Leinwand!“, ist das Motto der Veranstalter, denen der persönliche Austausch zwischen Filmemachern und Publikum ganz besonders am Herzen liegt. Nicht älter als 27 Jahre darf der teilnehmende Nachwuchs beim Filmfestival Abgedreht sein. Soziale Themen wie Drogenmissbrauch, Magersucht und Suizid werden in ihren Arbeiten aus erfrischend persönlichen Perspektiven thematisiert, doch kommen Komik und Action darüber nicht zu kurz. Das Festival startet am 10. Dezember um 19 Uhr mit dem animierten Beitrag Pepe & Dörte, der im Umfeld des Medienzentrums St. Pauli entstand. Ein Workshop, diesmal zum Thema Filmsound, gehört inzwischen schon zur Tradition des Festivals, genauso wie die feierliche Preisverleihung zu dessen Abschluss am 12. Dezember – ebenfalls im Metropolis Kino.

Pepe und Dörte from TARJA KÜHNE on Vimeo.

 

„Cassette“

Von wegen alter Knacker: David Wampach ringt auf Kampnagel Tschaikowskis Ballett-Klassiker neue Bedeutungsebenen ab – weitere Vorstellungen am 11. und 12.12.

Tschaikowskis Nussknacker-Ballett erfreut sich gerade großer Beliebtheit – und zwar nicht in der angestaubten klassischen Variante, sondern als Ausgangsmaterial für abenteuerliche Variationen. So hat der Hamburger Musiker Sven Kacirek gerade seine eigene Bearbeitung der Komposition veröffentlicht, und auch Cassette geht vom Original aus originelle Wege. Das queere Tanztheater des französischen Shootingstars David Wampach ist ab dem 10. Dezember auf Kampnagel zu sehen. Darin wird die Geschichte vom Nussknacker, der gegen ein Heer von Mäusesoldaten kämpft, vom Ballettboden auf die Tanzfläche geschickt: Mit Lasershow und Neonfarben verwischt die Inszenierung Gendergrenzen und betont das Märchenhafte und Fantastische der Vorlage. Mit großer Geste wird der Klassiker zerlegt und als humorvolle Latino-Ballroom-Party wieder zusammengesetzt. So wird der Casse-Noisette zur Cassette – und der Choreograf ringt im Dialog mit Tschaikowskis Musik dem ollen Stück neue Bedeutungsebenen ab.

 

Ray Cokes

Deftige Worte: Der britische Wahl-Belgier erzählt aus seinem bewegten Leben als ehemalige MTV-Plaudertasche – nicht immer ganz jugendfrei.

Auf der Lesereise zu seinen Memoiren My Most Wanted Life ist Hamburg für Ray Cokes kein simpler Tourstopp: Nur ein paar Schritte von seinem Auftrittsort endete seine Karriere als MTV-Moderator, ebendort startete eine neue – wenn auch ohne Millionenpublikum. Die unrühmliche Geschichte lässt sich im Buch nachlesen: Der Sender kündigte missverständlich ein Konzert der Toten Hosen auf der Reeperbahn an, die sollten allerdings nur live zugeschaltet werden. Die enttäuschten Fans drehten durch – und der sonst so souveräne Moderator ließ sich zu ein paar deftigen Worten hinreißen, die ihn letztlich den Job kosteten. Doch die Sache hat irgendwie ein Happy End: Ray Cokes’ tägliche Talkshow auf dem Reeperbahn-Festival gehört für viele zum alljährlichen Höhepunkt der Veranstaltung. Der Mann ist schließlich ein geborener Conférencier: schlagfertig, charmant und kompetenter als es die meisten im Musikfernsehen je waren. Wenn der britische Wahl-Belgier im Imperial-Theater aus seinen nicht unbedingt jugendfreien Erinnerungen liest, kann man davon ausgehen, dass er nicht sklavisch an den Seiten klebt: Der ein oder andere frei vorgetragene Bonustrack wird dem hochkomischen Berufsplauderer schon einfallen.

Text: Michael Weiland

 

Little Dragon

Elektropop, der es sich regelmäßig zwischen den Stühlen bequem macht: Das schwedische Quartett live zu Gast im Mojo Club.

Little Dragon sind extrem beliebte Kollaborationspartner: Dave Sitek (TV On The Radio), die Gorillaz, SBTRKT, DJ Shadow – sie alle baten das schwedische Elektropop-Quartett um Sängerin Yukimi Nagano schon zur Unterstützung an ihre Seite. Doch auch bei ihrer eigenen Musik wissen sie den Einfluss Außenstehender zu schätzen; so holten sie zum Beispiel für zwei Songs ihres aktuellen Albums Nabuma Rubberband die Songwriter-Qualitäten von David J. Jolicœur (De La Soul) dazu. Der kommt musikalisch zwar aus einer völlig anderen Ecke, aber hey – es ist ja nicht so, als würden sich Little Dragon mit ihrer Musik nicht eh zwischen alle Stühle setzen. Den elektronischen Unterbau ihrer Songs erweitern sie regelmäßig und wie selbstverständlich um Dreampop-, Neo-Soul- oder auch TripHop-Elemente. Das klingt (fast) immer spannend und macht neugierig auf die Live-Umsetzung.

Text: Jan Kahl

 

„Tight“e Kunst

Das Studio Sechs7 zeigt Malerei, Foto und Video – und ein Who-is-Who der Szene. Die Schau läuft bis zum 12. Dezember.

Man kennt sich – die 30 Künstler dieser beeindruckend gewachsenen Schau, die mit viel Herzblut und erneut im Studio Sechs7 stattfindet. Sich selbst einen Raum geben, die eigenen Arbeiten mit denen anderer aufeinanderprallen lassen, sich in ungewöhnliche Nachbarschaften begeben – und das auf hohem Niveau, dafür sorgen das Kuratoren- und Künstlerteam Sandra Prill und Patrick Fazar und lässt die Arbeiten tight, eng aneinanderrücken, wie die diesjährige Ausstellung heißt. Jochen Flinzer, immer auch virtuos mit Nadel und Faden, ist dabei, der unermüdliche deutsche Popartist Jim Avignon, 4000, Karen Koltermann und dazu gibt es Fotografien von Bernhard Prinz, sich wunderbar in Rauch Auflösendes von Wolfgang Oelze oder die aus den Angeln gehobenen Welten von Henning Kles, die so düster sind, wie sie herrlich funkeln. Nicht nur die Auswahl der Verkaufsschau ist spannend, sondern auch, dass jeder Künstler bis zu vier Arbeiten ausstellt – und zwar neue und meist noch nie gezeigte.

Text: Sabine Danek

 

Foreign Body

Das Metropolis Kino zeigt das psychologische Drama des polnischen Regisseurs Krzysztof Zanussi im Original mit englischen Untertiteln.

Liebe, Moral, Religion und Kapitalismus – um nichts weniger geht es in dem Film Foreign Body: Angelo und Kasia lernen sich in Italien in einer Gebetsgruppe kennen und verlieben sich. Dann entscheidet Kasia, zurück nach Polen und in ein Kloster zu gehen. Angelo reist nach Warschau, um zu versuchen, Kasia zur Änderung ihrer Meinung zu bewegen. Dort nimmt er einen Job in einem internationalen Energie-Konzern an, der von der rücksichtslosen Kris geleitet wird. Der tiefgläubige Angelo wird bald zum Opfer von Mobbing und schlimmster Erniedrigungen … Das psychologische Drama von Krzysztof Zanussi, dem das Kino Metropolis eine Retrospektive widmet, zeigt den Zusammenprall von unternehmerischen Zynismus und jugendlichem Idealismus. Im Anschluss an den Film stellt sich der polnische Regisseur einem Publikumsgespräch.

 

„Hamburg Sounds“

Für die Benefiz-Ausgabe der Reihe verzichten Johannes Oerding, Cäthe und Co auf ihre Gage. Die Erlöse gehen an die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft.

Einmal im Monat stellen Musiker – junge Talente und bekannte Gesichter – ihre Songs in der Altonaer Fabrik vor. Hamburg Sounds heißt diese Konzertreihe, ausgerichtet von NDR 90,3. Im Dezember spielen die Künstler für den guten Zweck. Die Erlöse kommen Menschen zugute, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind. So ist man Teil der NDR Benefizaktion Hand in Hand für Norddeutschland, die vier norddeutsche Landesverbände der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) unterstützt. Die Benefiz-Ausgabe von Hamburg Sounds findet im Rolf-Liebermann-Studio des NDR statt. Das Line-up kann sich sehen lassen: Johannes Oerding (Foto), Cäthe, Michy Reincke, Bodo Wartke, Stefanie Hempel, Marcel Brell, Marvin Brooks, Jane Comerford und Katja Kaye stehen nacheinander ab 18 Uhr am Mikrofon. Wer keine Tickets ergattert hat, der schaltet am 13. Dezember das Radio an und lauscht der Aufzeichnung des Konzertabends.

 

Hanseatische Materialverwaltung

Im gemeinnützigen Fundus werden ein DJ-Pult und Feuertonnen aufgestellt für einen Winterbasar im Oberhafen – das verspricht gemütlich zu werden.

Was nun genau die im Dezember angestrebte Gemütlichkeit oder Besinnlichkeit erzeugt, darüber lässt sich wahrlich streiten. Gebäck und Musik gehören dazu. Nette Menschen wohl auch. Das alles wird am 6. und 7. Dezember in den Hallen der Hanseatischen Materialverwaltung vorhanden sein. Zum 2. Winterbasar laden die Betreiber des gemeinnützigen Fundus in den Oberhafen. Das Wohnmobil vor der Halle wird zum KandieVan und damit Bezugsstelle für Kaffee, Waffeln und andere Leckereien. Drinnen legen DJs auf: The Hairy Cowboy (THCB), Jeanette Trèsbien, Paul Gregor, Roman Ski und Hotte Hue (Pony) sind am Start. Dann kann man tanzend im Fundus stöbern und stößt auf Papp-Piratenschiffe, Riesennasen und Las-Vegas-Bühnen. Die Gastgeber versprechen: „Feuertonne ist auch am Start – willkommen im Kultur- und Kreativ-Ghetto Oberhafen, harhar!“ Dicken Pulli einpacken und ab dafür.

Wem das zu experimentell ist, der findet mit der Smørre-Jul-Party in der Ottensener Motte eine Alternative. Hier lädt das Altonaer Musikatelier Smørrebrød am 6. Dezember ab 14 Uhr zu Gebäck und Livemusik von den Swinging Santa Clauses. Auch gemütlich.

Text: Lena Frommeyer

 

Messer

Das Quintett aus Münster spielt seinen Punk-geerdeten Indie-Rock mit deutschsprachigen Texten live im Golden Pudel Club.

Der Begriff „Messer“ klingt so gefährlich wie profan – ein passender, naheliegender Name für eine Rockband. Die Kombo aus Münster, die sich nach dem Gebrauchsgegenstand und Mordinstrument benannt hat, veröffentlichte 2013 ihr zweites Album Die Unsichtbaren: Mit melodisch treibenden Bassläufen, schimmernden Gitarren und Hendrik Otrembas bildhaften Texten lieferte die Platte eine überzeugende Bestandsaufnahme deutschsprachiger Rockmusik – und leitete damit zwar keine Renaissance, aber vielleicht eine Wiederanerkennung derselben ein, die dank Bands wie Trümmer und den Labelkollegen Die Nerven derzeit anhält. Ein Teil Punk und Hardcore, zwei Teile Indierock – so wird dieses Messer geschmiedet. Dass die Band ihr Hamburger Gastspiel im Pudel bestreitet, ist irgendwie passend: Das, was man mal Diskursrock nannte und in Messer fähige Nachfolger fand, war auch hier zu Hause.

Text: Michael Weiland