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„The Story Of Pop“

Beim Reeperbahn Festival dreht sich alles um Musik – auch in der Literatursparte. Unter anderem liest Journalist und Pop-Musik-Geek Karl Bruckmaier.

Wenn man Reeperbahn Festival hört, denk man zuerst an Konzerte. Aber auch anderen Kulturdisziplinen bietet das Clubfestival eine Plattform, so lange sie nur irgendwie mit den Themen Musik oder Popkultur in Zusammenhang stehen. So finden sich Kunst, Filmvorführungen und auch Innovatives der schreibenden Zunft im Programm.

KarlBruckmaier

Karl Bruckmaier (Foto: Wilfried Petzi) kennt sich mit populärer Musik und Jazz gut aus und verdient als Journalist sein Geld. Genau – das ist der Typ, der die Pop-Kolumne in der Süddeutschen Zeitung schreibt. In diesem Jahr erschien sein Buch The Story Of Pop, in dem er Brücken zwischen Genres baut, Helden und Antihelden personifiziert und „das Lebensgefühl beschreibt, das im Pop seinen Ausdruck findet“. Der Autor liest am 18. September im Clubheim St. Pauli.

Ein weiterer Literaturtermin, der allen mit einem Festivalticket ans Herz gelegt sei, ist die Vorstellung der Street-Art-Lektüre Free OZ!, in der es um Hamburgs bekanntesten Sprayer Walter Josef Fischer geht. Diskutiert wird über ihn und sein Verhältnis zur Justiz am 19. September im B-Movie. Einen Tag später präsentieren die Autorin Kathrin Weßling, der Clubkinder-Vater Jannes Vahl und die Poetry-Slammerin Johanna Wack in ihrer Lesung Love & Hate Mail die besten Kommentare, die sie aus den Tiefen des Internets herausziehen konnten – ab 17.15 Uhr in der Festival-Lounge.

Text: Lena Frommeyer

 

The Ruts DC

Babylon muss (immer noch) brennen: Das legendäre Post-Punk-Quartett aus London gastiert im Hafenklang. Support: Goodbye Jersey aus Hamburg

Sie wirkten eigentlich nur fünf Jahre lang, von 1978 bis 1982, und doch war ihr Einfluss immens. Sie traten bei Rock against Racism-Festivals auf und wendeten sich offen gegen die rechtsextreme British National Front. Der größte Hit der Ruts hieß Babylon’s Burning und fand sich im Jahr 1979 sogar auf dem 7. Platz der UK-Single-Charts wieder. 1980 starb Sänger Malcom Owen an einer Überdosis Heroin. Danach benannte sich die Band um in The Ruts DC (DC = da capo). Doch aus dem Neuanfang sollte nichts werden. Drei Jahre später löste sich die Band auf. Es folgten Live-Alben, Compilations aus der Frühphase, Tribut-Alben und Best-of-Zusammenstellungen, die die Erinnerung an das stilprägende Post-Punk-Quartett wach hielten. 2007 war es dann soweit: Zugunsten des an Lungenkrebs erkrankten, zweiten Sängers, Paul Vox, reformierte sich die Gruppe für einen Auftritt mit Henry Rollins als Frontmann. Seitdem sind die Überreste der Original-Ruts, Bassist John Jennings und Schlagzeuger Dave Ruffy, wieder regelmäßig unterwegs. Die diesjährige Tour führt sie einmal mehr in den Hafenklang.

 

Reeperbahn Festival

Verdammt viele Newcomer: Eine musikalische Entdeckungsreise mit großem Rahmenprogramm zieht einen von Club zu Club zu Club zu Club…

Der Kiez platzt aus allen Nähten: Wie bereits 2013 findet das Reeperbahn-Festival dieses Jahr an vier statt der gewohnten drei Tagen statt. Anders kriegt man die Fülle an Bands auch nicht unter – nicht einmal bei der Clubdichte auf dem Kiez. Das ist der Reiz des mittlerweile etablierten Clubfestivals – die Schneise, die man sich durch das Überangebot an Kunst und Künstlern schlägt, gehört einem am Ende ganz allein. Das Reeperbahn-Festival will vor allem Newcomer vorstellen: Darum sind die großen Namen, die im Programm auftauchen, eher Anfütterung als die wirkliche Hauptattraktion. Mit Blood Red Shoes, The Subways, Tina Dico oder Egotronic hat man wie immer Publikumslieblinge mit an Bord, doch der Spaß liegt im Entdecken: Die auf der Bühne eskalierende Fat White Family, Englands neueste Punkrock-Hoffnung, sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen, die Hamburger Vintage-Souler Rhonda genauso wenig (beide 20.9., Knust). Der Part der alten US-Indie-Recken, der in den vergangenen Jahren von Bands wie Dinosaur Jr. oder Built To Spill übernommen wurde, wird dieses Jahr Blonde Redhead zuteil. Weitere Highlights des Festivalprogramms: Angel Olsen, Bored Nothings, Cold Specks, Die Höchste Eisenbahn, Hozier, Lambert, Jens Friebe, Team Me – und viel zu viele, um sie aufzuzählen. Support your local bands: Am ersten Abend bevölkern Kapelle Herrenweide die Spielbude.

 

 

Faire Woche

Was unterscheidet Fair-Trade-Artikel im Supermarkt von Produkten in Weltläden? Im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche betreiben Hamburger Aufklärungsarbeit.

Bitte nicht gleich weiter klicken! Fairer Handel ist zwar nicht gerade ein publikumswirksames Thema. Aber ein wichtiges und interessantes, wenn man sich ein wenig reingefuchst hat. Die deutschlandweite Faire Woche (die nicht nur 7, sondern 15 Tage geht) bietet Gelegenheit, etwas über Gerechtigkeit, Zukunft für die Kleinbauern und ihre Familien sowie Nachhaltigkeit für Umwelt und Verbraucher zu erfahren. In Hamburg gibt es diverse Läden, Initiativen, Vereine, Cafés und Restaurants, die sich auf fairen Handel konzentrieren und vom 12. bis 26. September bei Kulturevents, Verköstigung, Information und Diskussion viel Futter für Kopf und Magen bereithalten. Am 17. September wird beispielsweise im Weltladen Ottensen über grundlegende Fragen diskutiert: Auf welchen Regeln basiert der faire Handel? Wer stellt die Kriterien auf und wer überprüft sie? Was bedeutet das Fair-Trade-Siegel im Supermarkt? Und wo liegen die Unterschiede zum fairen Handel der Weltläden? Ein kleiner Imbiss ist Teil des Angebotes.

Das Foto zeigt übrigens einen Arbeiter auf dem Weingut Du Toitskloof in Südafrika. Das Projekt Fairhills stellt hier gute Lebens- und Arbeitsbedingungen sicher.

Text: Lena Frommeyer

 

Galerie Evelyn Drewes

Spezialisten der Verfremdung: Werke von Markus Lüpertz, Mike MacKeldey und Arnulf Rainer werden in „Der Hase im Laufhaus“ gegenübergestellt.

Da wären die zwei großen Namen der zeitgenössischen Kunst: Zum einen der Skulpturenkünstler Markus Lüpertz, der sein eigenes Genie gerne in den Vordergrund stellt. Zum anderen der Maler Arnulf Rainer, dem ein Museum errichtet wurde, obwohl er noch sehr lebendig ist. Die Galeristin Evelyn Drewes bringt beide Künstler in ihrer neuen Schau Der Hase im Laufhaus zusammen und lädt sogar noch einen dritten, eher unbekannten und jungen Kreativen mit ein: den Berliner Mike MacKeldey. So entsteht eine abenteuerliche Mischung, bei der das Verfremden zum verbindenden Element wird. Zu sehen sind kleinformatige, abstrakte Skulpturen von Markus Lüpertz, die er mit leuchtenden Farben grob übermalte. Auch die Fotografien von Arnulf Rainer, oft Selbstporträts, sind mit grellen Farben verfremdet. Die Ölbilder des „Jungspundes“ können da hervorragend mithalten: Mike MacKeldey kreierte Porträts, die durch das Verwischen der noch feuchten Farbe zum „albtraumartigen Zerrbild“ werden. Die Ausstellung ist noch bis zum 8. Oktober zu sehen.

Text: Lena Frommeyer

 

Brausepöter

Zweiter Hamburg-Gig in 34 Jahren: Mit Brausepöter kommt eine fast vergessene Punk-Band aus Ostwestfalen in die Astra Stube.

Eine kleine Sensation? Mit Brausepöter kommt eine Band in die Astra Stube, die wahrscheinlich keine Sau kennt. Oder an die sich niemand mehr erinnert. Das Trio aus dem ostwestfälischen Rietberg gründete sich 1978 und war damals eine der ersten Bands im Land, die sich an deutschsprachigem Punk und New Wave versuchten. 1980 veröffentlichten sie eine Single auf dem legendären ZickZack-Label von Alfred Hilsberg und standen im selben Jahr mit den Einstürzenden Neubauten und Abwärts auf der Bühne der Markthalle. Ganze 34 Jahre später, nach je zwei Auflösungen und Reunions, gastieren Brausepöter in Originalbesetzung nun zum sage und schreibe zweiten Mal in Hamburg. Auf der Setlist für ihren Gig in der Astra-Stube steht hoffentlich auch ein geheimer Hit der Band namens Bundeswehr. Textprobe: „Oh nein, oh nein, oh nein, das darf nicht sein / Scheiße, das ist mein Musterungsschein“. Den Support für Brausepöter liefern Isolation Berlin (Foto) aus Drei-Mal-darfst-Du-raten, die mit Keiner kann uns ab ebenfalls einen Brausepöter-Song im Repertoire haben.

 

Fühlende Fische

Wo spürt man Wut im Körper zuerst? Franziska Henschels Stück über die Lokalisierung von Gefühlen feiert Premiere auf Kampnagel.

„Wenn ich wütend bin, dann ist das im Bauch und will hoch – aber im Hals ist eine Sperre und dann geht es wieder runter, deshalb bekommt man dann Bauchschmerzen“, sagt die sechsjährige Marla. „Das fühlt sich so an wie ‚jetzt regnets auch noch'“, so Simon, 38 Jahre alt. Und die Seniorin Yvonne bemerkt knapp: „Mind is a muscle„. Diesen Aussagen gingen Fragen voraus, die die Choreografin Franziska Henschel für ihre neue Produktion Fühlende Fische zahlreichen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gestellt hat: Was ist ein Gefühl? Wie entsteht es und wo im Körper wird es spürbar? Kann man Gefühle wie Farben mischen? Wenn ja: Was kommt dabei heraus? Und was ist der Unterschied zwischen einem Gefühl und einem Gedanken? Aus den Antworten entstand ein Theaterstück für Kinder ab sechs Jahren, das natürlich auch für Erwachsene interessant ist. Premiere ist am 17. September.

 

Harbourfront

Im Rahmen des Literaturfestivals stellt Stefan Aust die Autobiografie der Grimme-Preisträgerin Luc Jochimsen vor.

Über Luc Jochimsen lässt sich vieles sagen; eine gewisse Charakterstärke wird ihr wohl niemand aberkennen. In einer von Männern dominierten Medienwelt legte sie nach dem Zweiten Weltkrieg eine beachtliche Karriere hin. Sie arbeitete beim Panorama-Magazin, war Moderatorin, London-Korrespondentin der ARD und Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. Die 1971 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnete Fernsehjournalistin machte sich auch gerne unbequem. Zwischen 2005 und 2013 war sie Bundestagsabgeordnete für die Linke und setzte sich laut und entschieden für soziale Gerechtigkeit ein, was ihr häufig Kritik einbrachte. Der Titel ihrer im Aufbau-Verlag erschienenen Autobiografie Die Verteidigung der Träume fasst das Lebensmotto einer der bekanntesten Journalistinnen Deutschlands treffend zusammen. Die Veranstaltung wird moderiert von Stefan Aust.

 

Freund von Anton

Wenn Finn Vincent Moriz am Klavier sitzt, nennt er sich Freund von Anton. Seinen Geburtstag feiert er mit einem Konzert er in der Ponybar.

„Erinnerungen nerven, haben sie immer schon getan“ – und trotzdem oder genau deswegen kann Finn Vincent Moriz nicht von ihnen lassen, baut Denkmäler mit seinen Songs, vornehmlich am Klavier, manchmal mit seiner Mundharmonika oder der Melodica. Wenn er das tut, nennt er sich Freund von Anton. Wahrscheinlich kann man die Sehnsucht nach dem Unbestimmten, die Suche nach wenigstens kleinen Wahrheiten oder diesem Ding, was man das eigene Sein nennt, als klassische Songwriter-Themen bezeichnen, doch macht noch immer jeder seinen eigenen Schuh draus. Die Schuhe, auf denen Freund von Anton läuft, sind ohne Pathos gebunden, ohne überhäufte Poetik gebaut. Man hört seinem Klavierspiel die Liebe zum Folk und Pop genauso an wie die zum Chanson oder Rock’n’Roll der 1960er Jahre. 2012 hat er den Pop-up-Bandwettbewerb mit Freunde von Anton gewonnen, für Es war einmal 1942, das am Deutschen Schauspielhaus lief, komponierte er die Musik. Am kommenden Montag tragen ihn seine Schuhe in die Pony Bar, wo er spielt und – wo er schon mal da ist – gleich seinen Geburtstag feiert! Gleich zwei Gründe also, ihm und seinen Liedern einen Besuch abzustatten.

Text: Miriam Mentz

 

Play14

Das Festival macht Hamburg für fünf Tage zum virtuellen Spielplatz. Los gehts mit einem Empfang im Terrace Hill.

Videospiele haben einen lang Weg hinter sich: vom ersten Verkaufsrenner Pong in den Siebzigern bis zur 3D-Brille Oculus Rift, die den Begriff „Virtual Reality“ gerade wieder en vogue macht. Das Festival Play14 widmet sich fünf Tage lang der digitalen Spielekultur und will neue Blickwinkel aufzeigen – etwa, dass Computergames auch in Bereiche von Wissenschaft und Kunst hineinragen. Zu den über 200 Programmpunkten der Veranstaltung gehören Workshops, Filmprogramme und Ausstellungen. Das Anliegen der Macher: dass dieser kreative Zweig der Unterhaltungsindustrie auch als wichtige Kulturform ernst genommen wird. Erstmals wird eine Play-Konferenz mit internationalen Gästen zu bildungs- und gesellschaftspolitischen Aspekten des Computerspielens stattfinden (17. und 18. September), ein Poetry-Slam-Abend im Nachtasyl steht im Zeichen der spielerischen Poesie (17. September, 20 Uhr). Sehen, Machen, Reden, Feiern – so lauten die Veranstaltungssparten der Play14. Einen guten Überblick zu den vier Festivaltagen bekommt man am 16. September beim Empfang im Terrace Hill – und Kaltgetränke. Von wegen Stubenhocker.

Text: Michael Weiland