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Heat im Hafenklang

Von Sabbath über Pentagram zu Steppenwolf: Ein Berliner Quintett beschwört den Hardrock der 1970er-Jahre herauf. Im Vorprogramm: Travelin Jack.

Es ist weder zu übersehen noch zu überhören: In letzter Zeit tauchen auffällig viele Bands auf, deren Mitglieder ebenso retromäßig aussehen wie ihre Musik aus der Zeit gefallen klingt. Nachdem das Achtziger-Revival niemals aufgehört, die Neunziger zum Beispiel via ARTEs Summer of the 90s eine ziemlich niveaulose und damit hoffentlich letzte Ausschlachtung erfahren, scheinen also nun (mal wieder) die siebziger Jahre eine gewisse Faszination auf jüngere Generationen auszustrahlen. Bock auf Proto-Hardrock? Noch alle Fransen an der Jacke? Und die Röhrenjeans sitzt? Dann ab in den Hafenklang am 15. September. Mit Heat beehren fünf Langhaarige den Club an der Elbe. Ihr Sound gleicht einer Originalvorlage, die man irgendwo zwischen Black Sabbath, Pentagram und Steppenwolf verorten könnte. Authentisch? Blödsinniger Ausdruck, aber in diesem Zusammenhang ist man fast versucht, ihn zu verwenden. Zweite Band des Abends: Travelin Jack (Foto), ebenfalls langhaarig, ebenfalls aus Berlin.

 

Jess Hart

Zeitanalyse mit Gitarre, oder komponieren im Erörterungsmodus: Die sympathische und begabte Songwriterin Jess Hart spielt im Freundlich+Kompetent. Das passt!

In Montreal kennt man Jess Hart längst. Die gebürtige Engländerin, die in Kanada aufwuchs, hat sich dort in den vergangenen zwölf Jahren über so manche Bühne gespielt, hierzulande liest sich ihre Konzertgeschichte dagegen relativ schnell. Dass dieser Umstand sich nicht auf musikalische Faktoren zurückführen lässt, beweist ein Klick auf das unten stehende Video. Die sympathische Songwriterin knüpft ihre ganz eigene Mischung aus Folk und Grunge, die im Hintergrund wirkt, während sie vorwiegend die Themen aufarbeitet, die einen kritischen Blick verdienen. Zeitanalyse mit der Gitarre also. Oder komponieren im Erörterungsmodus? Vielleicht auch einfach direkte Akustiksongs, mit achtsamen Fingern angeschlagen und gezupft. Und das mit der Bekanntheit wird sich dann sicherlich schnell ändern.

Text: Miriam Metz

 

Jahrgangsgenossen

Hanjo Kesting zeichnet die Geschichte zweier bedeutender, aber nicht unumstrittener deutscher Nachkriegsautoren nach.

Sie gelten als zentrale Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur und in diesem Jahr wären beide 100 Jahre alt geworden. Der Hamburger Arno Schmidt und der Münchner Alfred Andersch waren einander ein Leben lang verbunden. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg zur Welt gekommen, konnten sie ihre literarische Laufbahn erst spät antreten. 1949 veröffentlichte der sprachgewaltige Arno Schmidt seinen Leviathan, ein Jahr nach Anderschs Essay Deutsche Literatur in der Entstehung. Während Schmidt sein Leben lang Einzelgänger blieb, gründete Andersch die Gruppe 47 mit, nachdem ihm wegen seiner Amerika-kritischen Position die Herausgeberschaft der Monatszeitschrift Der Ruf aberkannt wurde. Durch seine Tätigkeit als Kulturredakteur im Rundfunk und Herausgeber unterstützte er Arno Schmidt, dessen ungewöhnliche Werke er zeitlebens schätzte. Hanjo Kesting zeichnet in der Freien Akademie der Künste eine Beziehung zweier Autoren nach, deren Persönlichkeiten umstritten waren, die aber nicht aus der deutschen Literatur wegzudenken sind.

Text: Natalia Sadovnik

 

Zorn

Wie Hass ein bürgerliches Nest in tausend Stücke zerschlagen kann, davon erzählt das Stück „Fury“ von Joanna Murray-Smith.

Als Joe, der Sohn von Neurowissenschaftlerin Alice und Romanautor Patrick, eine Moschee mit einem islamfeindlichen Graffiti beschmiert, ist das der Auslöser für die Entfesselung einer lange verdrängten Schuld, deren Auswirkungen sich nicht mehr kontrollieren lassen. Ein dummer Akt der Intoleranz führt zu einem linken Terroranschlag und zur grundsätzlichen Frage nach der Rechtfertigung und der Wurzel von Gewalttaten.

Das Stück der 1962 geborenen, mehrfach preisgekrönten australischen Schriftstellerin Joanna Murray-Smith (Honour, Rapture, Nightfall) wird in der deutschen Fassung von John und Peter von Düffel mit dem Titel Zorn nun in den Hamburger Kammerspielen gezeigt. In den Hauptrollen: Ulrich Bähnk, Lena Dörrie, die Hörspiel-Berühmtheit Rufus Beck und – in der Rolle des Sohnes Joe – dessen tatsächlicher Sohn Jonathan.

Text: Katharina Manzke

 

Blumfeld

20 Jahre nach Erscheinen ihres Albums „L’Etat Et Moi“ gibt die wichtigste Band der Hamburger Schule zwei Konzerte in Originalbesetzung.

L’Etat Et Moi, das Blumfeld-Album von 1994, war eine gewaltige Platte, mehr noch als Vorgänger Ich-Maschine. Melodisch, kickend und von einer einzigartigen Sprache, die sich für Bandkopf Jochen Distelmeyer danach auch weitgehend erledigt hatte: Mehr Ideen pro Sekunde als Beats, das hält ja kein Mensch aus. Es ist noch ein vergleichsweise sachtes Lob, wenn man festhält: Deutschsprachiger Indierock war danach nicht mehr derselbe und würde es nie mehr sein. Das Jubiläum feiert die Band in Originalbesetzung: Distelmeyer, Schlagzeuger André Rattay und Bassist Eike Bohlken, der vor Old Nobody ausgestiegen war – einer Platte, die schon wieder alles veränderte. Die einflussreichste Band der Hamburger Schule und die vermutlich wichtigste deutsche Band aller Zeiten spielt zwei Geburtstagskonzerte an alter Wirkungsstätte: Das in der Markthalle ist ausverkauft, für die Große Freiheit gibt es noch Tickets.

Text: Michael Weiland

 

Die Wilde 13

Vor der Theater-Premiere noch mal im Kino zu sehen: Die Film-Dokumentation über die berühmteste Busverbindung Wilhelmsburgs.

Um aus dem Buch auf die Bühne zu gelangen, hat Die Wilde 13 den ungewöhnlichen Umweg über das Kino nehmen müssen: Zwischen der Magisterarbeit (Die Wilde 13: Durch Raum und Zeit in Hamburg-Wilhelmsburg, von Kerstin Schaefer) aus dem Jahr 2012 und der Theaterpremiere am 21. September im Thalia Theater (weitere Vorstellungen am 21., 22. und 26. September) entstand 2013 in gemeinsamer Arbeit von Kerstin Schaefer (Regie) und Marco Antonio Reyes Loredo (Produktion) ein Dokumentarfilm über die inzwischen mit Abstand berühmteste Wilhelmsburger Busverbindung. Entstanden ist ein äußerst charmantes Porträt, in dem man den Busfahrer „Captain Jack“ dabei begleitet, wie er den Ur-Wilhelmsburger Peter, Soulkitchen-Betreiber Mathias, den 18-jährigen Türken Baris und auch die Fotografin Julie durch den Stadtteil chauffiert – „vorbei an Bunkern, Baustellen, Gartenschaugelände, Wochenmarkt, Häusern mit Hochwassermarkierungen, Afroshops und einem kilometerlangen Zaun.“ Gemeinsam mit Thalia-Regisseur Jan Gehler erörtern die Filmemacher im Anschluss an die Vorführung des „durchrüttelnden“ Filmdokuments Ursachen und Folgen dieses beispiellosen Medienverbunds.

 

Zompa Family

Das südfranzösische Kollektiv präsentiert seinen gut gelaunten Crossover aus Ska, Reggae, Punk und Rumba live im Hafenklang.

Yeah, Stimmung! Hüften schwingen, Kopf nicken – die Zompa Familie kommt in die Stadt. Das acht- bis zehnköpfige Kollektiv aus Perpignan im Südwesten Frankreichs hat sich einem Crossover aus Ska, Reggae, Punk und Rumba verschrieben. „We are many / Many many people / We want Dancehall / And something to smoke“, heißt es in einem Song. Dazu erklingt ein schmissiges Bläser-Riff im Up-Tempo-Off-Beat. Die Texte sind in mehreren Sprachen verfasst (Sänger Axelle stammt allerdings als einziges Bandmitglied aus Neapel), was dem Ganzen einen angenehm kosmopolitischen Hauch verpasst. Dass die Zompa Family im Rahmen der Reihe Club Mestizo im Hafenklang auftritt, wirkt da nur schlüssig. Und dass dort ein ausgelassener Abend ansteht, zu dessen Ende dann der Schweiß der Tanzenden von der Decke tropfen wird, versteht sich von selbst.

 

 

Ryley Walker & Band

Der 24-Jährige hat gerade mal sein Debütalbum veröffentlicht und sieht sich bereits so manchem Vergleich mit den ganz großen Gitarrenpoeten ausgesetzt.

Jemand muss mit einer großen Tasche in die 70er gereist sein und für sich und uns Ryley Walker samt seiner Gitarre eingepackt haben, um ihn hier auf die Bühne zu setzen und uns zu erinnern, dass unser nostalgisches Folk-Herz doch immer noch am liebsten in dunklen Nächten gedankenverloren an staubigen Straßen umherschlendert, mit Blick auf den Horizont und einer Bob-Dylan- oder Tim-Buckley-Zeile auf den Lippen. Physikalisch unmöglich? Nun ja, vielleicht ist es auch schlichtweg so, dass sich der gerade mal 24-Jährige aus Chicago selbst einige solcher Reisen erdacht hat, oft an seinem Fenster saß, während er den alten Helden lauschte und auf seiner Gitarre die Töne und Melodien zu diesen Welten fand. Vielleicht stimmt auch diese Version nicht. Aber Ryley Walker hat mit seinem Debütalbum All Kinds Of You ein Werk abgeliefert, das kaum einer dem eher zurückhaltenden jungen Mann zugetraut hätte. Aber jetzt wo es da ist, traut man dem jungen Songwriter fast alles zu.

 

Hamburger Theaternacht

Mit einer langen Nacht leiten 42 Hamburger Bühnen die neue Spielzeit ein. Zur großen Abschlussparty geht es ins Ohnsorg Theater.

Ein Klassiker unter den Langen Nächten in der Stadt ist die Hamburger Theaternacht. Seit 2004 tun sich an einem Abend im September große und kleine Bühnen zusammen, um die neue Spielzeit einzuleuten. Dieses Jahr sind 42 Spielstätten dabei. Wie man die Fülle an Angeboten nutzt, bleibt jedem selbst überlassen. Man kann sich einfach treiben lassen, spontan entscheiden, wann man aus den extra für das Event fahrenden Bussen aussteigt. Oder aber man stellt sich vorher ein Programm zusammen. Mit der Theaternacht-App geht das ganz einfach. Hier aber noch zusätzlich ein paar Time-Table-Tipps:

19.30–20 Uhr: Kostümversteigerung im Schauspielhaus. Anschließend zur Mundsburg und das English Theatre kennenlernen. Um 20.30 Uhr werden dort Ausschnitte von The Whipping Man gezeigt. Danach: Auf Kampnagel vorbeischauen und sich dort überraschen lassen. Von da aus in die Schanze zum wilden Nachwuchs: Um 21.30 Uhr gibt es in der 73 spontanes Improtheater. Von dort aus direkt ins Thalia und Auszüge aus Charles Manson – Summer of Hate sehen, anschließend ein paar Stockwerke höher ins Nachtasyl. Schöner Scheitern mit Birte Schnöink als Hamlet an der Theaterbar sehen und dann den Abend bei der großen Abschlussparty im Ohnsorg Theater ausklingen lassen.

Text: Katharina Manzke

 

project.Egalbar

Der Kult um eine alte Eckkneipe im Karolinenviertel nimmt kein Ende: Die Egalbar kehrt vorübergehend an ihre alte Stätte zurück – und wenn’s auch nur ihr Geist ist.

„Hamburg, Karolinenviertel. 18 Jahre nach ihrer Eröffnung wurde im Frühjahr 2012 die Egalbar, im Zuge der städtischen Nachverdichtung, abgerissen,“ heißt es in der Ankündigung der Veranstalter. „Damit verschwand ein Ort, der fast zwei Jahrzehnte lang sowohl Nachbarschaftskneipe als auch Treffpunkt einer kulturellen, an Kunst und Musik interessierten Szene war, die aktiv an der Gestaltung ihres Nachtlebens und ihres Treffpunktes mitwirkte, abseits einer Eventkultur und des reinen Konsums. (…) Wohnzimmer und Soziotop seiner Zeit, war sie bereits zu Betriebszeiten zum Mythos geworden.“ Große Worte für eine kleine Kneipe. In Gedenken an die mittlerweile Kultstatus genießende Eckkaschemme lädt das project.Egalbar von Elena Getzieh und Nils Emde in die Galerie der Schlumper, also zur ehemaligen Adresse der Egalbar. Dort stellen Bernhard Krebs und Horst Wäßle aus dem Schlumper-Atelier ihre Werke aus. Außerdem zu sehen: Dani Freitag und Alexandra Grieß´ Kunstprojekt Barkeepers, Dioramen verschwundener oder vom Abriss bedrohter Subkultur-Etablissements. Die Ausstellung läuft noch bis zum 21. September. Öffnungszeiten: täglich von 16 bis 19 Uhr und ab 21 Uhr mit open end.