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Jung mit’n Tüdelband

Ein Werkinterview erinnert an den im Dezember 2013 im Alter von 64 Jahren verstorbenen Hamburger Filmemacher Jens Huckeriede.

Ein Erinnerungsforscher ist der Filmemacher Jens Huckeriede gewesen. In seinen Arbeiten über den jüdischen Friedhof in Ottensen, das ehemalige jüdische Volksheim in der Wohlers Allee, das Konzentrationslager Neuengamme und die Villa Guggenheim an der Rothenbaumchaussee verknüpfte er die historischen Orte stets mit lebendigen Erfahrungen – am beeindruckendsten gelang ihm dies im Jahr 2003 mit Return of the Tüdelband, seiner musikalischen Recherche über die jüdischen Schlachtersöhne Ludwig (1867–1955), Leopold (1869–1926) und James Isaac (1870–1943), die aufgrund des zunehmenden Antisemitismus dazu übergingen, sich Gebrüder Wolf zu nennen. Die Erinnerung an den im Dezember verstorbenen Filmemacher hat die Tide-Mitarbeiterin Ann Kimminich in einem Werkinterview festgehalten, das im August seine Kino-Erstaufführung erlebt.

 

Jeffrey Lewis

Besuch aus New Yorks Anti-Folk-Szene: Der Singer/Songwriter und Comic-Zeichner Jeffrey Lewis gastiert mit seiner Band The Jrams im Kleinen Donner am Schulterblatt.

Jeffrey Lewis stammt aus der New Yorker Anti-Folk-Szene um Acts wie Regina Spektor und die Moldy Peaches, die Anfang der 2000er Jahre mal kurz für Aufsehen sorgte. Und das eigentlich auch nur, weil die deutlich aufgeräumteren Strokes mit der ironisch-verrumpelten Bagage verkumpelt waren, und man ja nicht immer nur über Julian Casablancas schreiben konnte. Lewis hält wacker die Stellung, mit brüchiger Stimme und einfachen Akkorden erzählt er seine trockenhumorigen Geschichten mit popkulturellen Abschweifungen, manchmal unter Zuhilfenahme von selbstgemaltem Bildmaterial. Weil man in New York ja irgendwie über die Runden kommen muss, ist der Mann nämlich auch noch Comic-Zeichner. Ein recht brillanter sogar: Seine illustrierten Abhandlungen über Punk oder Kommunismus führt er gerne live am Flipboard vor. Endlich mal ein Konzert, bei dem man wieder gerne in der ersten Reihe steht.

Text: Michael Weiland

 

 

Spamalot

Zeitloser Unfug, übermütiger Quatsch und „Deine Mudder“-Witze aus den Siebzigern: Das Monty-Python-Musical in Hamburg.

Hat Humor ein Verfallsdatum? Nun, jemandem an den Kopf zu werfen, der Witz sei alt, ist jedenfalls meistens so gemeint. Und dann gibt es Scherze, die Jahrzehnte unbeschadet überdauern, wie Dauerwurst oder Konserven. Womit wir bei Monty Pythons Spamalot wären, das einen Dosenfleischklassiker im verballhornten Namen trägt – und dessen Komik eine ähnliche Haltbarkeit demonstriert. Eric Idle, einer der Pythons, schrieb das Buch zu dem Musical, das sich großzügig bei der Handlung ihres Films Die Ritter der Kokosnuss bedient, mit Ausflügen in Das Leben des Brian und andere Arbeiten der britischen Comedytruppe. Wie aus der Komödie von 1975 bekannt, begibt sich König Arthur darin auf die Suche nach dem Heiligen Gral, in einer weder historisch noch mythologisch besonders akkuraten Aufarbeitung – aber einer sehr lustigen. Der Schauspieler und Autor Daniel Große Boymann hat das Musical, das erstmals 2005 am Broadway lief und nun im St. Pauli Theater aufgeführt wird, neu übersetzt. Dabei hat sich der erklärte Python-Fan nah an den englischen Text gehalten und die geschmähte deutsche Synchronisation ignoriert – auch wenn die mittlerweile selbst ein bisschen kultig ist.

Text: Michael Weiland

 

Diktatorenromane

In der Reihe “Große Romane der Weltliteratur“ liest Thomas Sarbacher aus „Der Herbst des Patriarchen“ von Gabriel Garcia Márquez.

Die Diktatoren Lateinamerikas sind in der Vergangenheit immer wieder zum Gegenstand großer Literatur geworden, zu zentralen Gestalten von Romanen, wie sie in dieser Form vor allem auf diesem Kontinent bekannt geworden sind. In England war es der Abenteuerroman, in Deutschland der Bildungsroman, in Frankreich der psychologische Gesellschaftsroman – ähnlich zu deren Entwicklung hat sich in den Ländern Südamerikas in immer neuen Ausprägungen und Varianten der Diktatorenroman herausgebildet. Der Herbst des Patriarchen von Gabriel García Márquez stellt eine Summe dieser Gattung dar und zugleich ihren Abgesang. Am 6. August liest der Hamburger Schauspieler Thomas Sarbacher (Tatort, Donna Leon) aus Márquez‘ 1975 erschienenem Roman. Es kommentiert der Historiker, Literaturwissenschaftler und Publizist Hanjo Kesting.

 

Useless ID

Der Mittwoch im Knust wird gitarrenlastig. Eine Punkrock-Band aus Israel demonstriert, dass Sommertemperaturen nichts gegen heiße Pogoknödel sind.

Stünden wir im Familienduell der Aufgabe gegenüber, fünf israelische Punkrock-Bands zu benennen, die meisten von uns würden wohl kläglich scheitern. Dem gleich doppelten Servicegedanken folgend, möchten wir an dieser Stelle Abhilfe schaffen und gleichzeitig eine Empfehlung für den Mittwoch im Knust abgeben. Dort spielt die aus Haifa stammende Useless ID, die man bereits vom Rock-Against-Bush-Vol.-2-Sampler kennen könnte, vielleicht als Vorband der Toten Hosen bei ihrer Ballast-der-Republik-Tour in Erinnerung hat oder schlichtweg für das, was sie auszeichnet, im Kopf hat: Melodiösen Punkrock, der je nach Vorliebe zum Pogen oder Tanzen animiert und das nun schon seit exakt 20 Jahren. Okay, das Familienduell gibt es nicht mehr. Aber Gründe, dem Knust für die Band einen Besuch abzustatten somit trotzdem.

Text: Miriam Mentz

 

Misery Index

Die Hitze kann einem die Tage schon mal zu Kopfe steigen. Gut, dass für den Dienstag ein donnerndes Gewitter ins Haus steht, namentlich: Misery Index und Throbbing Pain.

Ein Sonnentag nach dem anderen; fröhliche Trüppchen, die mit eisverschmierten Händen in bunten Tropenmustern rumrennen – da kann schon einmal ein Bedürfnis nach einem gelungenen Ausgleich erwachen. Die Sehnsucht nach etwas dunklem, jenseits von sommertrunkenen Gemütern, zum Beispiel nach einem Konzertabend voller Death Metal. Für den Dienstag hat sich ein besonderer Leckerbissen dieser Kategorie im MarX in der Markthalle angekündigt. Misery Index aus den USA vereinen seit ihrer Gründung 2001 die düstere Präzision des Death Metals mit kleinen Prisen Grindcore und Hardcore. Nach einer vierjährigen Pause veröffentlichten sie jüngst ihr neues Studioalbum The Killing Gods, das einmal mehr euphorische Kritiken der Szene auf sich zog. Im MarX spielen sie zusammen mit Throbbing Pain, einer jungen Hamburger Formation, die sich groovigem Old-School-Death angenommen hat.

Text: Miriam Mentz

 

 

My Place

Besuch aus Busan: Junghoon Kang, Dukkyoung Wang, Jahyun Park, Hyunjeong Lim und Arum Chun zeigen ihre Arbeiten in der Galerie Speckstraße im Gängeviertel.

Fünf Künstler aus Südkorea kehren ins Gängeviertel zurück. Die Busan Cultural Foundation hat fünf Flüge springen lassen, damit sie fortführen, womit sie im letzten Jahr begonnen haben: Der Auseinandersetzung mit der Stadt, der Gentrifizierung und ihrer Rolle als Künstler in dieser Situation. Themen, die ihnen im Gängeviertel begegnet sind und die denen in ihrer Heimat ähneln. Mit dem Aufstieg Busans zur hippen Metropole stiegen auch Mieten und Lebenskosten und ärmere Bevölkerungsschichten mussten in Randgebiete ausweichen. In My Place zeigen sie jetzt Arbeiten, die nach ihrem Aufenthalt in Hamburg entstanden sind. Darin geht es um Stadtlandschaften und die Poesie verlassener Wohnhäuser, um Verlust, darum, dass zu viele Gedanken sich im Inneren drehen, anstatt sich in Protest zu entladen, es geht um imaginäre Gegenden, um alte Meister und eine Neupositionierung darzu, was Kunst kann. Die Ausstellung läuft noch bis zum 9. August.

Text: Sabine Danek

 

Livy Pear

Leinen los zur Akustik-Session: Die Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin aus Berlin trägt ihren Indie-Folk-Pop im Goldfischglas vor.

Jeden ersten Montag im Monat heißt es “Leinen los“ im Goldfischglas. Dann lädt das Lokal im Herzen der Sternschanze zur Acoustic Session. Diesmal ist Livy Pear an der Reihe. Die Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin aus Berlin pflegt in verschiedenen Besetzungen mit bis zu fünf Mitmusikern aufzutreten. Für ihren Auftritt im Goldfischglas wird eher eine minimale Begleitung erwartet. Das tut jedoch dem Vergnügen keinen Abbruch. Livy Pears Stimme klingt so speziell, dass ihre Indie-Folk-Pop-Lieder selbst dann noch interessant klingen, wenn auch nur jemand dazu auf dem Kamm bläst. Als zweiter Act des Abends steht ein junger Mann auf der Liste, der sich Reisender Spaziergänger nennt, auf seiner Facebook-Seite HipHop als religiöse Ansichten angibt und sich als Anarchist bezeichnet. Sonst ist nicht gerade viel über ihn zu erfahren. Vielleicht ein Grund mehr, am 4. August im Goldfischglas vorbeizuschauen.

 

 

Männer mit Gitarren

Am Montag wird es rockig am Allende-Platz. Die Hamburger David Czinczoll und Herr Uschi Wacker spielen in der Pony Bar.

Beim Sommerkonzert in der Pony Bar gibt es Männer mit Gitarren. Genau genommen: zwei Männer, mit je einer Gitarre. Nacheinander. Doch auf so eine simple Beschreibung lässt sich das zu erwartende Programm natürlich nicht herunterbrechen. Vielmehr ist dieser Abend ein Beweis dafür, dass ein Mann mit seiner Gitarre auch eine ganze Punkband sein kann, zum Beispiel. Das sagt man zumindest Herrn Uschi Wacker nach, der in seinen Songs vor allem all das thematisiert, was schön geradeaus geht, mitten in Mark und Bein. Und dann wäre da noch David Czinczoll, der in der Tradition von Tom Waits oder Matt Corby zeigt, wie eng die Symbiose zwischen Stimme und Instrument sein kann. Wie eine Gitarre zum verlängerten Stimmorgan werden kann. Beide würde man gerne für das sommerliche Lagerfeuer am Elbstrand verpflichten. Nicht um stirnrunzelnd Schiffe zu beobachten, sondern, um wild herum zu tanzen. Aber ein Sommerabend in der Pony Bar ist ja fast genauso schön.

Text: Miriam Mentz

 

 

Butterland Open-Air

Bevor es im Rahmen des Dockville Festivals dann richtig voll wird, wird das Artville-Gelände noch ein wenig eingefeiert – am Sonntag u. a. mit Rampue und Alle Farben.

Es gibt Orte, an denen könnte man fast alles veranstalten – allein schon die Atmosphäre wäre es wert, dort gewesen zu sein. Wer schon einmal auf dem Dockville-Gelände war, weiß, dass der Blick auf Elbe und Container, auf Rethespeicher und Schiffe genau dieses Kunststück zu vollbringen mag. Mit Elbluft in der Nase fühlt sich alles gleich ein bisschen besser an. Und was ist nun, wenn man Künstler hierherbringt, die das Gleiche umgekehrt von sich behaupten können? Die, wo sie auch spielen, mit ihrer Musik metaphorischen Feenstaub verstreuen? Am besten testet man diese Konstellation selbst einmal. Im Rahmen der Aufwärmphase für das anstehende Dockville Festival kommen beim Butterland auf dem bereits weitestgehend fertig gestalteten Artville-Gelände gleich mehrere Acts zusammen, deren Spezialität die musikalische Ausgestaltung großer Kulissen ist. Namentlich sind das Jonas Woehl, Lexer, Rampue und Alle Farben – Letzterer hat sich in der internationalen Elektroszene schon längst unverzichtbar gemacht. Von allen zusammen darf man sich einen vertanzten und verträumten Sonntag zwischen Deep House und Bass-Kanonen erhoffen, der die Kulisse der Halbinsel frohlockend an die Hand nimmt.

Text: Miriam Mentz