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Angenehm einfach

Die Alleinstellungsmerkmale deutschsprachiger Liedermacherinnen auseinanderzuklamüsern kann manchmal in hilfloser Wortklauberei enden: dort Charme, hier Witz, da die Gitarre. Desiree Klaeukens’ Debüt Wo die Nacht den Tag verdeckt ist von einer angenehmen Einfachheit, die auf dem Papier ganz und gar unspektakulär ist. Halt Songs mit Charme, Witz und Gitarre. Ihre klugen, aufrichtigen Texte singt sie wie eine müde Judith Holofernes ohne Geltungsdrang, während ihre Band einen reduzierten, trockenen Folkrock spielt. Dass Hamburgs vielleicht bester Singer-Songwriter Niels Frevert als Förderer und Produzent hinter diesem hervorragenden Album steckt, ist da weniger bemerkenswert als folgerichtig. Ihre geschliffenen Zeilen aus Alltagssprache sind nicht weit weg von Freverts eigener mühevoller Art zu schreiben.

TEXT: MICHEAL WEILAND

 

Biber & Quark

Haben Poetry Slammer Angst vor Auftritten? Bezahlen sie ihre Miete mit ihrer Kunst? Warum machen die das? Marion Hütters Film Dichter und Kämpfer aus dem Jahr 2012 versucht, Antworten zu finden. Neben Theresa Hahl, Julius Fischer und Philipp Scharrenberg wird hier auch das Poetry-Slammer-Leben von Sebastian23 alias Sebastian Rabsahl porträtiert. Er gehört zu den bekannten Gesichtern der Slammer-Szene, die inzwischen aus den Hinterhöfen kleiner Clubs in die Säle der großen Veranstaltungstempel mäanderte. Im Kinofilm erklärt der Mitdreißiger (Erkennungsmerkmal: Schiebermütze), wie seine Texte entstehen und inwiefern er sich als Empfangsstation für Ideen versteht. Fünf Bücher veröffentlichte er bisher, das jüngste heißt Theorie und Taxis (2014 im Carlsen Verlag). Mit seinem dritten Solo-Programm Popcorn im Kopfkino kommt er nun ins Uebel & Gefährlich. Die Ankündigung klingt, na ja, nennen wir es interessant: „Sebastian23 präsentiert Lieder, Bilder, einen lebenden Biber und 250 Gramm Magerquark. Okay, okay, das stimmt so nicht. Es gibt keine Texte, Lieder und Bilder – nur den Biber und den Quark.“

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Neuer Typ

Einmal Typveränderung, bitte: Auf Glück und Benzin ist Miss Platnum erst einmal kaum wiederzuerkennen. Aus krudem Balkan-Elektro mit englischen Texten wurde beatlastiger Deutschpop mit ausgeklügelten Hooks – die Erfolgssingle Lila Wolken mit Yasha und Marteria lässt schön grüßen. Eine digitale Soundlandschaft lässt Hip-Hop, Soul und R-’n’-B erahnen, bleibt aber vor allem: Popmusik. Das mag man gelegentlich etwas glattgebügelt finden, oder positiver gesagt: professionell. Dennoch: Die leichten Charme-Einbußen werden mit vielen guten Momenten zurückgezahlt, von denen Miss Platnums bildreiche Texte sicherlich einige der eindrücklichsten liefern. Wer da böse von „Schlager“ spricht, liegt falsch: Mit berechnender Hitparaden-Konfektion hat der Stilwandel auf Glück und Benzin soviel zu tun wie Helene Fischer mit Hip-Hop.

TEXT: MICHAEL WEILAND

 

Soundtrack zum Reisen

Wer John Butler und seine Auffassung von Roots-Musik begreifen möchte, der hört sich am Besten seinen Song Ocean an. Dieses „non-conversational piece“ ist sein Geschenk an alle, mit denen er sich bei seinen Touren und Reisen nicht unterhalten kann. „Weil ich dumm bin und nur Englisch spreche“, scherzt der Australier beim Live-Mitschnitt eines Konzertes. Ocean sind rund zwölf Minuten pure instrumentale Energie, authentische folkige Gitarrenklänge, die sich mal langsam und dann in wahnwitziger Geschwindigkeit zum perfekten Soundtrack für einen Roadtrip fügen, bei dem man die Wellen des Meeres hinter der nächsten Kurve bereits erahnt. Auch bei seiner Flesh & Blood Tour konzentriert sich der ehemalige Straßenmusiker auf kluges Songwriting und virtuose Darbietungen auf seiner zwölfseitigen Gitarre, dem Banjo und einem Didgeridoo, wobei ihn Byron Luiters (Kontrabass) und Grant Gerathy (Schlagzeug) begleiten. Fans der ersten Stunde werden sich freuen, denn auf dem neuen Album kehrt John Butler stilistisch wieder zu den frühen, eruptiven Werken zurück. Das Konzert am 13. Mai in der Großen Freiheit 36 ist leider ausverkauft.

TEXT: LENA FROMMEYER

Ocean (2012) – John Butler – Studio Version from John Butler Trio on Vimeo.

 

Singender Survivor

Na, haben wir es hier mal wieder mit einem Wunderjungen zu tun? Simone Felice war schon mehrmals beinahe tot. Eine Gehirnoperation führte dazu, dass er als Teenager das Lesen und Schreiben neu erlernen musste. Mit 15 gründete er eine Punkband und begann Texte zu schreiben. Mittlerweile spielt er Gitarre und Schlagzeug, sogar einen Roman hat er veröffentlicht. 2010 musste Felice wieder unters Messer. Dieser und andere Schicksalsschläge haben ihn aber nicht etwa von der Musik weg geführt, sondern wahrscheinlich eher sein kreatives Schaffen intensiviert. So startete das Mitglied der Felice Brothers ein weiteres Projekt, nämlich als Solist. Mit seinen Songs, die sich an niemanden Geringeren als Bob Dylan und Leonard Cohen orientieren, kommt Simone Felice nun ins Jazz-Café des Mojo Club. Heißen wir ihn willkommen!

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Krach und Harmonie

Ruben Block hält es für einen der Vorzüge seiner Band, „dass wir eine so große Spannweite an Stilen und Emotionen haben. Von heavy bis zerbrechlich, von laut bis leise, von rockig bis gefühlvoll“. Was hier klingt wie das klischisierte Gewäsch eines einfallslosen Musikers, ist ausnahmsweise mal wahr und zutreffend. Blocks Band Triggerfinger kann Krach machen und sich in Feedbacks suhlen, ebenso gut beherrscht sie das Songwriting mit eingängigen Hooklines und schönen Harmonien. Seitdem das belgische Trio mit einer Coverversion von Lykke Lis I Follow Rivers seinen bisher größten Erfolg feiern konnte, ist sein Name in aller Munde. Mit dem neuen Album, By Absence of the Sun, gastieren Triggerfinger im Ballsaal vom Uebel & Gefährlich. Zum nächsten Album sollte dann der große Saal gebucht werden.

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Raps mit Wumms

Sein Name lässt ja eher Country- oder Bluegrass vermuten, aber Obacht: Olli Banjo gehört zu den Veteranen des deutschsprachigen Raps. Der 37-jährige Heidelberger begann seine Musikerkarriere Anfang der 1990er, nachdem er als talentierter Fußballer und Bayern-Auswahl-Spieler seine Schuhe an den Nagel gehängt hatte. Mit der Gruppe Maximale Lautstärke veröffentlichte er 1993 seine erste Zeilen, das Debüt-Album von Olli Banjo, Erste Hilfe, folgte zehn Jahre später. Mittlerweile gehört er zu den festen Größen des Deutschraps. Mit seinem letzten Album, Kopfdisco (2010), konnte er seinen Status noch verfestigen, landete die Platte doch immerhin auf Platz 15 der deutschen Album-Charts. Mit Dynamit ist soeben das neue Werk von Olli Banjo erschienen. Ob dieses Album den Erfolg des Schizogenies noch weiter steigern kann, wird sich zeigen. Das Logo dürfte während seines Gastspiels jedenfalls gut gefüllt sein.

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Im Zwielicht

Mit dem Fettstift, ganz konzentriert in Schwarz und Weiß, zeichnet der Hamburger Künstler Peter Boué reale Orte, die so reduziert und aus ihrer Umgebung herausgelöst sind, dass sie nicht mehr verortet werden können. Ein Käfig, Erdhaufen, Höhlen, ein Schacht, der sich im Dunkel verliert oder eine Landschaft, in der fast apokalyptisch so etwas wie ein Trümmerberg steht. Düster, geheimnisvoll, diffus sind die Zeichnungen, spielen mit Licht und Dunkelheit, mit Verdichtung und Auflösung und wirken wie ein Gang durch eine Nacht, still und auf etwas Wesentliches konzentriert, das weit über sie hinauswirkt. Die großformatigen Bilder, die tiefe Dunkelheit und extreme Helligkeit zeigen, wirken oft wie Film-Stills, die eine äußerst bedrohliche Szene zeigen. In seiner Schau Haufen / Grube sind sie bis zum 18. Mai im Westwerk zu sehen.

TEXT: SABINE DANEK

Di-Fr 17–20 Uhr, Sa+So 15–18 Uhr

 

New-Age-HipHop

Thunderbird Gerard – das hört sich nach starkem Beat und ordentlich Druck in der Stimme an. Und tatsächlich schreitet der „Donnervogel“ in seinen Songs mit anständiger Geschwindigkeit voran, bringt Soul, Elektro und tighten Rap zusammen. Der Amerikaner kam von New York über London nach Berlin und bastelte hier gemeinsam mit DJ Stickle an seinem Release Trouble. Der Track gefällt – wie generell all seine Stücke, bei denen der Kopf nickt und das Hirn rattert. Fette Beats treffen auf kluge Lyrics: „Well I did a little college, but ain’t got a degree. Learned just enough to know a cynic’s heart is never sleep.“ Und dazu diese dramatischen Videos in denen sich Filmschnipsel der letzten Jahrzehnte mit seinem angeleuchteten Profil abwechseln (Trouble) oder in denen der Rapper cool posend durch die Wüste streift und die Tänzerinnen ordentlich Staub aufwirbeln (Thunderbird) … Mit seiner The Young and Dangerous-Tour kommt der Musiker am 11. Mai ins Mojo Jazz Café.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Party im Park

Wer nicht in Rothenburgsort wohnt, ist eher selten im Entenwerder Elbpark unterwegs. Dabei hat die grüne Halbinsel durchaus ihren Reiz und bietet sich als perfekter Ort für Festivals an – was sich wohl auch das Team der Plattenfirma ov-silence Music dachte, die hier im Mai zum 14. Mal beim Summer Opening den Bass aufdreht. Das Umsonst-Und-Draußen-Festival steht ganz im Zeichen elektronischer Musik: Techno und Progressive Psy. Wie auch im letzten Jahr tanzt man hier auf zwei Floors unter freiem Himmel, lässt Seifenblasen durch die Luft wehen, schaut Menschen beim Jonglieren zu und feiert gemeinsam die DJs an ihren überdachten Plattenspielern. Das Line-Up bleibt allerdings eine Überraschung. Wer also keine Lust auf den Hamburger Hafengeburtstag hat (und wer hat das schon), der tanzt etwas südwestlicher am Ufer der Elbe dem Sommer entgegen. Achtung: Es dürfen keine eigenen Getränke auf das Festivalgelände mitgenommen werden.

P.S.: Laut Teilnehmer-Zählfunktion bei Facebook (oben rechts neben diesem Text sichtbar) wird es ziemlich voll …

TEXT: LENA FROMMEYER

14–22 Uhr