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Doomtree

Kollektiver Unmut: Das amerikanische Septett beweist mit hochenergetischem Crossover, dass HipHop manchmal auch Punk sein kann.

Der US-amerikanische Bundesstaat Minnesota ist bisher nicht unbedingt als Epizentrum des musikalischen Widerstands aufgefallen. Es ist vielmehr Beschaulichkeit, die in der bevorzugten Heimat des 13-Streifen-Erdhörnchens regiert. Nicht von dieser Idylle einlullen lassen sich allerdings Doomtree und thematisieren in ihrer Musik alles das, was ihnen Magenschmerzen bereitet. Und das spielt sich nicht nur in Minneapolis ab. Etwa die Geschichte von Bernhard Goetz, der 1984 vier junge Schwarze niederschoss, weil er annahm, sie wollten ihn berauben, und damit eine nationale Diskussion auslöste. Seinen Unmut verpackt das siebenköpfige „Kollektiv“ dabei in aggressive Rap-Elektro-Monster, zu denen man intuitiv die Fäuste in die Luft recken möchte. Im Molotow bieten sie hochenergetischen und gesellschaftskritischen Crossover an, der beweist, dass HipHop manchmal auch Punk sein kann.

Text: Katharina Grabowski

 

Alle Farben Live Circus

Willkommen im Zirkus der elektronischen Musik: Alle Farben, Wankelmut, Into Lala und Co. bringen auf Entenwerder zum Schwitzen.

Auch im Juli gibt es auf der Elbhalbinsel Entenwerder Bässe satt. Nachdem unter anderem die Grünanlage bereits Anfang Juni zahlreiche Freunde der elektronischen Tanzmusik angezogen oder das Berliner Kollektiv Stil vor Talent den Park zum Beben gebracht hat, geht das Uebel & Gefährlich mit seinem Alle Farben Live Circus in die nächste Runde. Dabei versprechen die Bunkerbewohner, wie schon bei der 6 stunden session im Winter, auch im Sommer unter freiem Himmel „musikalische Überraschungen, die zum Tanzen, Träumen und Staunen einladen.“ Für den passenden Sound sorgen selbstredend Alle Farben, sowie Wankelmut, Into Lala (live) und Daniele di Martino. Für die laut Facebook über 21.000 Partypeople, die dieses elektronische Überraschungsei nicht verpassen wollen, gilt also: Manege frei!

Text: Ole Masch

 

GWA St. Pauli

Die bunte Stadtteilinitiative feiert Geburtstag mit Workshops, Open-Air-Kino und Rundgängen auf St. Pauli.

Die Gemeinwesenarbeit (GWA) St. Pauli wurde 1975 von einer Obdachloseninitiative in der Eggerstedtstraße gegründet. Eine bunte Truppe Studenten waren sie. Heute sitzen die aktuellen Mitglieder am Hein-Köllisch-Platz, zwischen Reeperbahn und Fischmarkt. Ständig klingelt es dort an der Tür. Es sind Nachbarn, deren Wohnung geräumt werden soll, die in einer Krise stecken oder Rat brauchen: „Wir bieten Ämter-, Sozial- und Behördenberatung“, sagt Carola Plata, die seit 1987 bei der GWA ist, eine der Dienstältesten. Immer, wenn es Probleme auf dem Kiez gibt, Bewohner verdrängt werden, mischt sich die GWA ein – macht Dokumentarfilme über steigende Mieten (Buy Buy St. Pauli) oder sind bei der Mitbestimmung zum Neubau der Esso-Hochhäuser involviert. Mit vielen Aktionen vom 2. bis 5. Juli feiern die GWA und ganz St. Pauli den 40. Geburtstag der Stadtteilinitiative. Am 3. Juli findet beispielsweise von 10 bis 12 Uhr der Workshop St. Pauli selber machen, aber wie? im Kölibri statt. Stadtteilaktivisten diskutieren über Chancen, Herausforderungen und auch Fallstricke professioneller Sozialarbeit.

Text: Stefanie Maeck & Lena Frommeyer

 

Y’Akoto

Spagat zwischen Gute-Laune-Knallern und nachdenklichen Songs: Die Hamburgerin spielt auf der Freilichtbühne im Stadtpark.

Nach dem ausverkauften Abschlusskonzert ihrer Moody Blues-Tour im Dezember in der Fabrik kehrt Y’Akoto zurück in die Hansestadt, die sie neben Paris und Togos Hauptstadt Lomé ihre Heimat nennt. Und macht hier gleich das ganz große Fass auf. Denn Schauplatz ist dieses Mal die Freilichtbühne im Stadtpark. Zweifelsohne lassen sich ihre Hits wie Without You oder Perfect Timing am besten unter freiem Himmel mit einer gehörigen Portion Sommersonne genießen. Jedoch geht die Sängerin auf ihrem neuen Album auch auf die ernsten Dinge des Lebens ein. So erzählt sie im Stück Off The Boat vom Tod eines jungen Mannes, der auf einem afrikanischen Flüchtlingsschiff unterwegs ist und nie sein Ziel erreicht. Und in Come Down To The River nähert sie sich leise dem Thema Selbstmord. Wie die gebürtige Hamburgerin die Schere zwischen Gute-Laune-Knallern und nachdenklichen Stücken hinbekommt, wird sich zeigen. In jedem Fall wird sie auch jetzt das Publikum mit ihrer außergewöhnlichen Stimme, ihrer sympathischen Bühnenpräsenz und ihrer zuckersüßen Art einfangen. Wenn der Groove auch bei den Zuschauern stimmt, steht einer tollen Nacht unterm Sternenhimmel nichts im Weg.

Text: Theresa Huth

 

„NoPop“ im kir

Nachdem das Kir seinen Standort zum Kiez verlagert hat, wird hier nach alter Manier weitergefeiert, donnerstags zu Undergroundigem der 80er und 90er.

Bereits Anfang Mai öffnete das Club-Urgestein Kir, dass zuvor in einem Ottensener Hinterhof zuhause war, erneut seine Türen. Bei der großen Eröffnungssause feierte man seinen neuen Standort auf dem Kiez. In alter Kir-Manier gibt es seitdem in der Kleinen Freiheit 42 Programm von Mittwoch bis Samstag. Und auch eine alte Party ist zurück. Im Wechsel mit der No Rest For The Wicked-Veranstaltung wird ab heute immer donnerstags die NoPop-Reihe wieder aufgelegt. Macher DJ Eisbert und sein Kollege DJ Marcel versprechen „Undergroundigeres“ der 80er, 90er und aktuellen Jahre – Hauptsache tanzbar. Musikwünsche wärmstens erwünscht.

Text: Ole Masch

 

Millerntor Gallery

Vom 2. bis zum 5. Juli wird die Heimat des FC St. Pauli zu einem bunten Ort für Streetart, Musik, Literatur und soziales Engagement.

Herakut, das sind Jasmin Siddiqui (Hera) und Falk Lehmann (Akut), ein Streetart-Duo aus Frankfurt und Schmalkalden. Mit ihren Arbeiten (Foto) wollen sie vor allem den öffentlichen Raum verschönern und positive Gefühle auslösen. In Kathmandu, San Francisco, Manila, Berlin und Frankfurt haben sie mit ihren Werken schon dunkle Ecken aufgewertet. Anlässlich der Millerntor Gallery #5 gestalten sie eine Außenwand des St.-Pauli-Stadions und lösen die Projekte von JR und Rebelzer ab, die ein Jahr lang auf der Südtribüne zu sehen waren. Das internationale Kunst-, Musik- und Kulturfestival für kreatives Engagement, das Viva con Agua und der FC St. Pauli in diesem Jahr zum fünften Mal veranstalten, steht diesmal unter dem Motto Unfamiliar. „Unfamiliar, das kann etwas Irritierendes und auch Inspirierendes sein“, sagen die Veranstalter, die wieder fünf Tage lang im Millerntorstadion mit einem vielfältigen Programm aus den Sparten Kunst, Musik und Fußball Neugier wecken und soziale Themen ansprechen wollen.

Text: Alessa Pieroth

 

Defeater

Mit rasender Wut führt die US-amerikanische Band die neue Schule des Hardcore wieder in unpeinliche Gefilde. Auch im Logo.

Wer erinnert sich noch an die unselige Zeit des Emocore, die uns zahlreiche Plastikalben und noch mehr schlimme Frisuren beschert hat? Ein Segen, dass Bands wie Touché Amoré, La Dispute oder eben Defeater das Ruder übernommen haben, um die neue Schule des Hardcore wieder in unpeinliche Gefilde zu führen. Letztere sind US-Amerikaner und Meister in der Verknüpfung vermeintlicher Gegensätze: Hardcore-Punk trifft auf ausgefuchste Songstrukturen, rasende Wut verschwimmt mit sanfter Melancholie, und große Geschichten werden gebrüllt erzählt. Noch 2015 soll ihr neues Album erscheinen, man darf sich auf einen Vorgeschmack einstellen. Den gibt es hier vor dem Konzert im Logo schon digital: Das Video zeigt ihre Performance für die Reihe Audiotree Live.

Text: Benedikt Ernst

 

Helena Hauff & Nikae

Dunkle Beats und gute Bekannte: Die Pudel-Residents sind im Notizbuch für böse und glänzend gute Sounds vermerkt.

Als passionierter Pudelist kennt man die Hamburgerin Helena Hauff längst. Doch auch weit jenseits des vom lockig frisierten Vierbeiners markierten Reviers hat man sie spätestens seit ihrer EP Actio Reactio im goldenen, wenn auch nicht mehr ganz so geheimen Notizbuch für böse, dunkle und glänzend gute Sounds vermerkt. Diesen Donnerstagabend bestreitet sie gemeinsam mit Nikae, ihres Zeichens ebenfalls Pudel-Resident. Bestes Programm für Stammgäste also und jene, die es nach dem Abend an der Großen Elbstraße sein werden.

Text: Miriam Mentz

 

book.beat

Bei der dritten Auflage der Literatursause dreht sich alles um rhythmische Texte und Töne – u.a. mit Karen Köhler und Dirk Darmstaedter.

Literatur folgt, wenn sie gut funktioniert, immer einem bestimmten Rhythmus. Einem Grundrauschen, das die Worte erst zum Schweben und Klingen bringt. Die Verbindung von Musik und Literatur ist nicht neu, und Hamburger Autoren huldigen ihr auf sehr individuelle Weise. Letztlich geht es ja immer um Poesie. In diesem Jahr zum dritten Mal bei der großen Literatursause der Altonale mit dem Titel book.beat.

Der Hamburger Songwriter Dirk Darmstaedter, bis heute mit seiner längst aufgelösten Band The Jeremy Days ein Begriff, präsentiert Songs frisch aus der Druckpresse von seinem neuen Album Before we leave. Die Autorin Karen Köhler verfasst sowohl Theaterstücke als auch Prosa. Sie gibt Auszüge aus ihrem Erzählband Wir haben Raketen geangelt und auch ein paar unveröffentlichte Zeilen zum Besten.

Junge Poesie drechselt auch Thorsten Nagelschmidt. Ursprünglich Sänger, Texter und Gitarrist der Band Muff Potter. Inzwischen dichtet er lieber in Buchform, etwa in seinem Roman Wo die wilden Maden graben. Hier bringt er Kurzprosa aus seiner kommenden Veröffentlichung Drive-By Shots, einer Sammlung von Stories und Fotos, zu Gehör. Weitere Musik gibt es vom Songschreiber Nils Christian Wédtke mit Klängen von seinem Debütalbum Och.

Text: Alissa Schrumpf

 

„Cavalo Dinheiro“

Radikal stilisierte Parabel der postkolonialen Gegenwart Portugals: Das Metropolis zeigt den jüngsten Film von Pedro Costa.

Der portugiesische Regisseur Pedro Costa zählt zu den weltweit gefeierten Regisseuren des europäischen Kinos. Im Rahmen einer viertägigen Werkschau, zu der der 1958 geborene Filmemacher extra nach Hamburg reist, ist auch seine jüngste Arbeit zu sehen: Cavalo Dinheiro (englischer Titel Horse Money) erzählt in Bildern, die von Rembrandt zu stammen scheinen, vom Schicksal eines vertriebenen Kapverden. Die radikal stilisierte Parabel der postkolonialen Gegenwart Portugals wurde 2014 beim Filmfestival in Locarno nicht zu Unrecht mit dem Regiepreis honoriert. Im Metropolis wird sie im Original mit englischen Untertiteln gezeigt.

Pedro Costa, der die Drehbücher seiner Filme selbst schreibt, wird bei der Vorstellung zu Gast sein.

CAVALO DINHEIRO Trailer from Midas Filmes on Vimeo.